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Transparenzoffensive in Bayern und Aachen – Wochenrückblick KW 5/2023

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Zum Europäischen Datenschutztag gab es nur eine Äußerung aus der Kirche: Als einziger meldete sich der BfD EKD am Tag selbst zu Wort. Michael Jacob kündigte an, dass sein Schwerpunkt in diesem Jahr auf der Diakonie liegen soll: »Die Diakonie ist sich seit jeher dieser großen Verantwortung beim Umgang mit Gesundheitsdaten bewusst und lebt den kirchlichen Datenschutz in all ihren Einrichtungen und Werken! Zukünftig wollen wir als BfD EKD die Diakonie beim Datenschutz noch stärker als bisher unterstützen und uns ihren Anliegen widmen.« Neben Beratung und Weiterbildung gehört auch die schon zuvor angekündigte Schwerpunktprüfung in evangelischen Krankenhäusern zu den geplanten Maßnahmen.

Es geht voran mit den Amtsblättern! Das Bistum Aachen, das Bistum Eichstätt und das Erzbistum München und Freising veröffentlichen ab diesem Jahrgang ihr Amtsblatt auch online – ein wenig aufwendiger, aber wirkungsvoller Schritt, um kirchliches Regieren und Verwalten transparent zu machen. Bislang von mir unbemerkt hat in jüngerer Vergangenheit auch das Erzbistum Bamberg das Amtsblatt online gestellt, und zwar auch rückwirkend. Damit gibt es nur noch vier Diözesen, in denen sich Gesetzgebung nicht einfach online nachvollziehen lässt: Augsburg, Erfurt, Mainz sowie das Katholische Militärbischofsamt. Auf evangelischer Seite sieht es besser aus: Da ist nur die bayerische Landeskirche derart intransparent.

In der aktuellen Herder-Korrespondenz befasst sich der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing mit der neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Dabei geht es ihm auch um die Frage, ob Whistleblowing mit dem kirchlichen Verständnis von Dienstgemeinschaft zu vereinbaren ist. Er erläutert die Frage am Beispiel von Hildegard Dahm, die öffentlich Kardinal Rainer Maria Woelki mit Blick auf seine Kenntnis von Missbrauchsfällen belastet hatte. Thüsing kommt zu dem Schluss, dass Whistleblower-Schutz nicht im Gegensatz zur Dienstgemeinschaft steht: »Aber verhält sich die Frau, die seit Längerem in anderer, leitender Funktion für das Erzbistum tätig ist, wirklich illoyal? Ist eine Frau illoyal, die betont, es sei ihr nie in den Sinn gekommen, auszutreten? Eine Frau, die mit ihrem Gang an die Öffentlichkeit in der Tat etwas riskiert hat, eben weil ihr die Kirche am Herzen liegt?« Daher begrüßt Thüsing, dass das Erzbistum am Ende doch noch auf arbeitsrechtliche Schritte verzichtet hat. Das kirchliche Profil einer Einrichtung zeige sich, so der Arbeitsrechtler mit Verweis auf die Erläuterungen zur neuen Grundordnung, auch im Umgang mit den Mitarbeitern durch den Arbeitgeber. Aus anderer Richtung in eine ähnliche Kerbe schlug diese Woche auch der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister bei Feinschwarz.

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Was bedeuten die Aufsichts-Beschlüsse zu Facebook-Fanpages?

Was Facebook-Fanpages angeht, herrscht große Einmütigkeit zwischen den staatlichen und den kirchlichen Aufsichten: die Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder, die evangelische Datenschutzkonferenz und die KDSA Ost haben seit März grundsätzlich identische Beschlüsse auf Grundlage eines DSK-Kurzgutachtens »zur datenschutzrechtlichen Konformität  des Betriebs von Facebook‐Fanpages« gefasst – doch der Inhalt ist kryptisch.

Facebook-Daumen nach unten
(Bildquelle: Barefoot Communications on Unsplash)

Unbedarft gelesen könnte es aussehen, als stellten die Aufsichten Kriterien auf, unter denen Facebook-Fanpages zulässig wären. Eine genauere Betrachtung zeigt aber: die Rechtsposition der Aufsichten ist, dass die notwendigen Kriterien derzeit gar nicht erfüllt werden können. Das stellt Verantwortliche, die nicht auf Facebook-Fanseiten verzichten wollen, vor große Hindernisse. Gibt es Auswege?

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Der Grind mit Grindr – Wochenrückblick KW 29/2021

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Keine Sommerpause in Sicht – erst veröffentlicht das Datenschutzgericht der DBK erstmals Entscheidungen, und während die noch warm sind, kommt der Tätigkeitsbericht der KDSA Nord für 2020. Für den Tätigkeitsbericht war noch keine Zeit – der Überblick folgt am Montag.

»The Pillar« hat eine Recherche zur angeblichen Nutzung der schwulen Dating-App Grindr durch den Generalsekretär der US-amerikanischen Bischofskonferenz veröffentlicht. Dazu wurden anscheinend auf dem Markt erhältliche Datensätze verwendet, aus denen geschlossen wird, dass der beschuldigte Priester die Dating-App regelmäßig verwendet hat. Was genau hier technisch passiert ist und ob es tatsächlich bei auf eindeutigen Geräte-IDs basierenden Datensätzen zu Marketingzwecken – so die Erläuterung von »The Pillar« – möglich ist, Daten so zu disaggregieren, dass aus Bewegungsprofilen auf einzelne Personen geschlossen werden kann, ist noch unklar. Grindr ist jedenfalls spätestens seit dem Millionenbußgeld Anfang des Jahres in Norwegen nicht unbedingt für seine Diskretion bekannt. Grindr selbst hat mir gegenüber dementiert, dass eine solche Analyse möglich sei. Den besten technischen Überblick in die Hintergründe gibt es bei Slate. (Gute Argumente, Marketing-Einwilligungen in Apps erst gar nicht zu erteilen.)

Die eigentliche Frage ist aber eher die nach der journalistischen Ethik: Sind solche investigativen Methoden und die anschließende Veröffentlichung dann, wenn es keine Hinweise auf nicht-konsensuelles Verhalten gibt, vertretbar? Erst recht, wenn raunend Verbindungen von Homosexualität zu sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige aufgemacht werden. In einem sehr lesenswerten Kommentar (der auch den Datenschutzkanon anführt) bringt es David Millies auf den Punkt: »The Pillar has less gotten hold of a story than it has published an innuendo. And, the innuendo should worry us.«

Cookies bestätigen mit dem Button »Allzeit Bereit!«

Schönes Fundstück von Maria Herrmann – wenn’s allerdings nicht nur technisch notwendige Cookies sind, wäre ein weiterer Button für die Rechtskonformität hilfreich. »Nehmt Abschied, Cookies« vielleicht. Und wer ins Zeltlager fährt und nach dem Artikel hier vor einigen Tagen die Sache mit den Fotos nochmal vertiefen will, findet das bei den Datenschutz-Notizen.

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Datenverarbeitung auf der Webseite – Ein Spiegel des Datenschutzmanagements

Die Webseite einer Organisation, insbesondere im Gesundheits- und Sozialwesen, wo häufig die besonderen Vorschriften der kirchlichen Datenschutzgesetze gelten, ist oftmals die erste Anlaufstelle für Personen, die Informationen zu den durch die Organisation erbrachten Leistungen suchen. Häufig handelt es sich hier um besonders sensible Leistungsbereiche wie Schwangeren-, Sucht- und Erziehungsberatung oder sogar Online-Beratungsangebote. In der Praxis zeigt sich zudem, dass viele Verantwortliche gar nicht vollständig wissen, welche Dienste auf der Webseite integriert wurden, da jeder Bereich hier seine eigenen Präferenzen hat und am Ende ein wildes Durcheinander der Datenverarbeitung herrscht.

Ein Laptop spiegelt sich in einem runden Spiegel.
Photo by Shashi Chaturvedula on Unsplash

Ein Beitrag von David Große Dütting, Senior-Berater Datenschutz bei der Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sein Beitrag zur datenschutzkonformen Gestaltung von Webseiten basiert auf seinem Vortrag bei der Tagung »Drei Jahre Gesetz über den kirchlichen Datenschutz« der nordrhein-westfälischen Caritasverbände und der Curacon.

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Windows-10-Schnelltest für Schüler*innen bei YouTube – Wochenrückblick KW 18/2021

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Gleich zwei nützliche Handreichungen hat in dieser Woche die KDSA Ost veröffentlicht: Die »Mustervorlage freiwilliger Corona-Schnelltest« dürfte gerade in einigen Unternehmen benötigt werden. Interessant ist die dort angeführte Rechtsgrundlage: »§ 11 (2) lit. a KDG iVm. § 26 (2) BDSG«, also die Einwilligung in die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten in Verbindung mit den erhöhten Anforderungen an eine Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis. Eine derartige Norm fehlt in § 53 KDG, die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses regelt. Dass man auch im kirchlichen Datenschutzrecht gut daran tut, Einwilligung im Beschäftigungskontext besonders streng zu ziehen, dürfte keine Überraschung sein. Dass dabei aber direkt auf eine BDSG-Norm verwiesen wird, ist neu und wirft die Frage auf, ob nach Ansicht der Aufsicht alle BDSG-Regelungen hilfsweise herangezogen werden können, wenn das KDG nichts regelt.

Mit Blick auf das näher rückende Schuljahresende ist die zweite Handreichung nützlich, bei der es um Leistungsnachweise per Video im Homeschooling geht. In fünf kompakten Punkten gibt es eine gut umsetzbare Hilfestellung – nur bei Punkt 3 ist fraglich, ob sich die Schüler*innen in der Sache wirklich sensibilisieren lassen wollen. Auch hier gibt es eine interessante Formulierung: So sei die Zustimmung von Eltern und Kindern nötig. »Diese Einverständniserklärung kann auch durch das schlüssige Handeln erfolgen, indem das Video aufgenommen und zur Bewertung zur Verfügung gestellt wird« – im folgenden Satz wird auch explizit von »Einwilligung« gesprochen – anscheinend wird hier einer der Fälle angenommen, in denen gemäß § 8 Abs. 2 KDG von der Schriftform aufgrund »besonderer Umstände« abgewichen werden kann. So einen Umgang mit der Einwilligung ist bisher nicht von Aufsichten bekannt – im Zweifelsfall würde man hier wohl lieber doch auf eine schriftliche Einwilligung nach den Regeln der Kunst zurückgreifen, schon weil die Einwilligung sowohl von Eltern wie von Schüler*innen konkludent eher schwer nachzuweisen ist.

Auch die Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten hat gearbeitet: Für den Einsatz von Windows 10 gibt es technische Handreichungen, wie man das Betriebssystem datensparsam betreiben kann – die Frage, ob Windows 10 überhaupt rechtskonform eingesetzt werden kann, wird bewusst ausgeblendet.

In Altenberg und digital tagt gerade die BDKJ-Hauptversammlung. Im Bericht des Bundesvorstands des Dachverbands der katholischen Jugendverbände wird auch das Engagement für einen handhabbaren Datenschutz angesprochen: »Insbesondere während der Corona-Pandemie sind die benötigten digitalen Räume nicht ohne bewusste Verstöße gegen die geltenden Bestimmungen nutzbar. Auch die Erreichbarkeit der Zielgruppe ist über KDG-konforme Medien kaum gegeben. Der Bundesvorstand ist bemüht, die konkreten Veränderungs­bedarfe zu sammeln und in eine Novellierung der Gesetze einzubringen.« Über aktuelle Entwicklungen bei der KDG-Evaluierung haben diese Woche auch die Datenschutz-Notizen berichtet.

Bei Feinschwarz plädiert die Kirchenrechtlerin Jessica Scheiper für mehr Transparenz im kirchlichen Archivwesen – leider sieht das Kirchenrecht nämlich vor, dass Bischöfe Geheimarchive unterhalten. Zu viel Schutz von Daten (vor allem wenn er nicht dem Grundrechtsschutz, sondern dem Institutionenschutz dient), schadet: »Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung könnte daher sein, wenn die für die Geheimarchive zuständigen Diözesanbischöfe oder auch ganze Bischofskonferenzen um die päpstliche Dispens von der Pflicht zur Geheimarchivierung bitten würden.«

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Freiheit digital – Wochenrückblick KW 16/2021

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Die EKD hat eine Denkschrift zur Digitalität veröffentlicht: »Freiheit digital – Die Zehn Gebote in Zeiten des digitalen Wandels«. Für eine ausführliche Würdigung fehlte die Zeit für die eingehende Lektüre. Explizit zum Thema Datenschutz steht nur wenig in der ansonsten bisweilen sehr kleinteiligen Denkschrift. Der Grundtenor ist aber angenehm positiv gegenüber dem Digitalen, ohne naiv zu sein: »Die Digitalisierung mehrt den Nutzen der Gaben Gottes für alle, ermöglicht Freiheit und Teilhabe, wenn sie dazu beiträgt, das Leben zu verbessern und Regionen zu entwickeln, die bisher keinen oder kaum Anteil am globalen Wohlstand haben«, heißt es etwa an einer Stelle (S. 180).

Insgesamt achtmal taucht das Wort »Datenschutz« selbst auf, auf die DSGVO wird zweimal Bezug genommen, informationelle Selbstbestimmung wird gar nicht genannt, dafür Datensouveränität als Ziel. Die DSGVO wird als gutes Beispiel dafür angeführt, wie die EU regulatorische Maßstäbe setzen kann (S. 183); »gleichwohl beschäftigt die Fachwelt, welchen Nutzen sie für die Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich erbracht hat« (S. 227) – insbesondere aufgrund von Durchsetzungsdefiziten.

Konkrete Forderungen zu einer Verbesserung des Datenschutzrechts werden nicht genannt, auch wenn in Bezug auf das Management digitaler Identitäten eine »neue Art von Datenschutz« eingefordert wird: »Soll die Datensouveränität der Nutzenden gewahrt bleiben, müssen sie besser als bisher ihre digitale Identität selbst verwalten können.« (S. 62f.) Wie bereits Markus Beckedahl vor einigen Wochen bei der Tagung »Kirche im Web« fordert auch die EKD-Denkschrift die Kirche auf, ihre Marktmacht bei der IT-Beschaffung einzusetzen: »So könnte sie dazu beitragen, eine Infrastruktur für die digitale Öffentlichkeit zu etablieren, die einer offeneren, verlässlicheren und der Anerkennung des oder der Nächsten dienenden Kommunikation dient.« (S. 208)

Bei der KDSA Ost war unter den (wieder einmal) vielen Veröffentlichungen der Woche auch ein Hinweis auf eine Reportage der ARD zu Kinderpornographie. Mit Blick auf die Nutzung frei zugänglicher Kinderfotos im Netz durch Pädokriminelle betont die Aufsicht, dass der sicherste Schutz für Kinder und Jugendliche unabhängig vom Datenschutz sei, »gar keine Bilder offen ins Netz zu stellen«: »Wir fordern deshalb die Verantwortlichen kirchlicher Einrichtungen nochmals auf, das Veröffentlichen von Personenfotos zu unterlassen. um die Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen von Kindern und Jugendlichen zu wahren.« Diese Position ist bekannt – sie blendet aber auch weiterhin aus, dass digitale Veröffentlichungen die Öffentlichkeit wesentlich konstituieren, und auch Kinder und Jugendliche nicht nur Sicherheitsinteressen, sondern auch Teilhabe- und Repräsentanzinteressen haben. Um ein Wort von Heribert Prantl zu adaptieren: So wie es die Freiheit gefährdet, den »Terroristen als Gesetzgeber«(Affiliate Link) zu adeln, sollte auch nicht der Pädokriminelle als Gesetzgeber fungieren können.

Für katholisch.de habe ich diese Woche zu Datenabfragen des Kreisordnungsamts Oldenburg bei kirchlichen Gemeinden zum Corona-Schutz recherchiert. Nach einigem Medienrummel, weil ein wohl übereifriger Mitarbeiter Kontaktdaten von Konfirmanden erfragt hatte, konnte ich Entwarnung geben: Der Mitarbeiter wurde von der Behördenleiterin eingebremst, es gibt keine weiteren (ohnehin rechtlich nicht zulässige) Kontaktdatenabfragen.

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Bismarcks Wurst- und Dortmunds Keksfabrik – Wochenrückblick KW 12/2021

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Schon letzte Woche ging es um die vom Kölner Missbrauchsgutachten offengelegte prekäre Verfassung des kirchlichen Rechts und seiner Anwendung. Dieses scheinbar randständige Thema scheint nun in die Debatte zu kommen. Ansgar Hense und Karl Schmiemann plädieren in Feinschwarz für eine bessere Qualität und mehr Reflexion insbesondere in der bischöflichen Gesetzgebung. Aufs Tapet kommt dabei auch das Öffentlichkeitsdefizit in der kirchlichen Gesetzgebung, die in Weiten Teilen noch eine bismarck’sche Wurstfabrik ist: »[Wie kommen] diözesane Gesetze überhaupt zustande […]? Wie werden Regelungsbedarfe, aber auch Normierungspflichten, festgestellt? Wer ist daran zu beteiligen und wie erfolgt die dazu notwendige Dokumentation, wie hoch ist der Grad der Publizität? Wie viel braucht es an kirchengesetzlicher Normierung oder noch besser, auch nicht?« Diese Fragen seien umso wichtiger, als da es neben dem Papst und den zuständigen kurialen Behörden keine unabhängige, wirksame Normenkontrolle gibt.

Der Tagungsband zum Symposium »Ein Jahr KDG« des Katholischen Datenschutzzentrums Dortmund ist jetzt auch komplett online verfügbar. Die Beiträge von Steffen Pau zur Tätigkeit der Aufsichten und Gernot Sydow zu der der neu eingerichteten Gerichte sind immer noch sehr lesenswerte Einführungen in das institutionelle Gefüge der kirchlichen Selbstverwaltung im Datenschutzrecht, auch wenn sich kritisch anmerken ließe, dass die dort immer wieder behauptete Regelung kirchenspezifischer Sachverhalte durch das Kirchengesetz in der Praxis, jedenfalls im KDG, nicht erkennbar ist. Bedenkenswert ist auch Sydows Plädoyer, einen Wildwuchs an verschiedenen Gerichten zu vermeiden und eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit oder wenigstens eine dem Gemeinsamen Senat der Obersten Bundesgerichte vergleichbare Institution in Betracht zu ziehen. Der Band beginnt mit einer Einführung von Marcus Baumann-Gretza in die Geschichte des kirchlichen Datenschutzes bis zum KDG – inklusive dieser Beobachtung: »Man wird also als gesichert annehmen dürfen, dass es den Kirchen anfangs weniger darum ging, aus theologischer Reflektion zu agieren, sondern vielmehr in Reaktion auf die staatliche Gesetzgebung die Meldedatenübermittlung sicherzustellen« – und fragt sich: anfangs?

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Und schließlich aus der Reihe »Laie staunt, Fachmann wundert sich«: Das Dortmunder Datenschutzzentrum hat jetzt einen Cookie-Hinweis und weist darauf hin, dass nur technisch notwendige Cookies gesetzt werden. Der Augenwinkel zuckt etwas, dass die zu betätigende Schaltfläche »Einverstanden« heißt, aber nun gut. Auf der Suche nach den angekündigten technisch notwendigen Cookies bin ich nur auf einen gestoßen: Nämlich »displayCookieConsent«. Inhalt nach dem Anlegen per Klick auf »Einverstanden«: »y«. k, wie die jungen Leute sagen.

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Seelsorge, Beschaffung und Exchange-Apokalypse – Wochenrückblick KW 10/2021

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»Digitale Seelsorge: Sicher und nah? Geht das überhaupt?«, fragt Ralf Peter Reimann auf Theonet. Mit vielen Beispielen aus der teilweise schon jahrzehntelang bestehenden Praxis zeigt er in seinem lesenswerten Grundsatzartikel zu digitaler Seelsorge ein Dilemma der Seelsorge auf, die digital bei den Menschen ist: Da wo die Leute sind, sind in der Regel nicht die für Seelsorge notwendige sichere Rahmenbedingungen vorhanden, und die Leute in kirchliche sichere Plattformen zu bekommen, ist schwer genug, und dann gibt es noch mehr Hürden: »sie erfüllen die vom EKD-Datenschutzgesetz und -Seelsorgegeheimnisgesetz geforderten Voraussetzungen, aber ihnen fehlt die Reichweite, Interessierte müssen sie gezielt suchen. Oft entspricht auch die User Experience und die Benutzeroberfläche nicht den sonst im Web gewohnten Standards, so dass deren Nutzung auf mobilen Endgeräten z.B. bei chatseelsorge.de schwierig ist«, so Reimann.

Das Dilemma aus Nutzungsfreundlichkeit, ethischen Prinzipien und Zugänglichkeit war auch Thema bei der Tagung »Kirche im Web«, wo Markus Beckedahl die Keynote gehalten hat. Sein Plädoyer für Kirchen: Nicht notwendig aus allen großen Netzwerken raushalten – aber eben auch zusätzlich die sicheren und dezentralen Kanäle ausprobieren. Und: Die Kirche hat eine große Marktmacht – die könnte sie in open-source-freundlichen Beschaffungsrichtlinien zur Gestaltung der freien Infrastruktur nutzen. Mehr dazu schreibt Benedikt Heider auf katholisch.de. Im Barcamp gab es auch eine sehr interessante Session zu Open-Source-Projekten in der Kirche wie das von mehreren Bistümern gemeinsam betriebene Communicare – das ist dort durchaus Thema. Die großen Probleme: mangelnde Akzeptanz, ungewohnte Oberflächen, Bequemlichkeit in der Beschaffung – und schwierige Kooperationen in den Bistümern.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine Rechtssammlung zum kirchlichen Datenschutzrecht veröffentlicht (digital und als Broschüre). Kompakt stellt es die bundeseinheitlichen Gesetze zusammen (aber nur die katholischen, die ökumenische Rechtssammlung von Golland lohnt sich immer noch). Aus dem Vorwort und der Einleitung erfährt man auch, dass die Evaluierung des KDG nicht sofort Früchte tragen wird, wenn die dreijährige Frist ab Inkrafttreten im Mai erreicht wird: »Vor diesem Hintergrund ist mit einer Gesetzesänderung innerhalb der nächsten drei Jahre zu rechnen.«

Ansonsten war die große Exchange-Apokalypse Thema – auch bei den kirchlichen Aufsichten. Sowohl die Dortmunder wie die EKD-Aufsicht weisen auf’s BSI dazu hin, beide bitten, nicht voreilig Pannen zu melden: »Von einer – vorsorglichen – Meldung einer Datenschutzverletzung nach § 32 DSG-EKD/§ 33 KDG bitten wir solange abzusehen, bis eine tatsächliche Verletzung festgestellt wurde.«

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Personalität & Solidarität & Datenschutz – Wochenrückblick KW 48

Die Publizistische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz hat Thesen beschlossen: »Digitalität und Künstliche Intelligenz: Technik im Dienst des Geist-begabten und Selbst-bewussten Menschen«. Als Mitglied der »Expertengruppe Social Media« war ich an der Ausarbeitung beteiligt. Wichtig war mir dabei ein differenzierter Blick auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung, der sich in These 6, »Informationelle Selbstbestimmung und freies Agieren in Öffentlichkeiten sind gegeneinander abzuwägen«, niedergeschlagen hat: Datenschutz darf nicht so ausgestaltet sein, dass (digitale) Öffentlichkeit unmöglich wird. Kommunikation heißt, sich der Öffentlichkeit und anderen Menschen auszusetzen, in Wort und Bild und damit mit personenbezogenen Daten.

»Denn nur so kann die Öffnung auf andere Menschen hin geschehen«, heißt es in den Thesen. Wichtig war es mir, in den Kategorien der katholischen Soziallehre zu argumentieren, die den Menschen weder atomistisch vereinzelt noch totalitär oder utilitaristisch vergemeinschaftet denkt: »Das Personalitätsprinzip steht daher zwangsläufig in Balance zum Solidaritäts- und Gemeinwohlprinzip. Insofern ist bei der Regulierung von personenbezogenen Daten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung so auszugestalten, dass die Regulierung Kommunikation und Vergemeinschaftung nicht zu sehr behindert und die gleichwertigen Grundrechte der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit ebenso zum Tragen kommen.«

Apropos Vergemeinschaftung: Zu Weihnachten sieht das Referat Datenschutz im Erzbistum Freiburg es wieder möglich an, mit kirchlichem Interesse als Rechtsgrundlage für Streaming-Gottesdienste zu argumentieren; zu Beginn der Pandemie wurde noch (wenig überzeugend) argumentiert, dass bei reduzierter Öffentlichkeit Einwilligungen nötig seien. In den Musterdatenschutzinformationen aus Freiburg zu kirchlichen Amtshandlungen findet sich übrigens auch eine sehr gelungene Formulierung der Rechtsgrundlage, die kirchliches Interesse ans Kirchenrecht rückbindet: »Fotografien bei Erstkommunionfeiern und Firmungen und deren Veröffentlichung im Pfarrblatt und/ oder der homepage der Kirchengemeinde erfolgen im Rahmen des Verkündigungsdienstes gem. CIC-1983, Can. Nr. 761 und damit auf einer rechtlichen Grundlage gem. § 6 Abs. 1 lit. f KDG

Und apropos Dienstgemeinschaft: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat nun eine Rechtsgrundlage für die Publikation von Personalnachrichten im Kirchlichen Amtsblatt geschaffen.

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Die Woche im kirchlichen Datenschutz – KW33

Schrems II und das Aus für Privacy Shield beherrscht die Diskussion, langsam trudeln immer mehr Stellungnahmen, Einschätzungen und Strategien ein, fast alle großen kirchlichen Aufsichtsbehörden haben sich schon geäußert – hier im Blog wurden sie schon erwähnt.

Ein Aspekt wurde bisher nicht beleuchtet: Das katholische Gesetz über den kirchlichen Datenschutz ist in einem Punkt deutlich laxer formuliert als seine Pendants. In § 40 Abs. 2 lit. b KDG wird geregelt, dass Datenübertragungen in eine Drittland auch dann zulässig sind, wenn »der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter nach Beurteilung aller Umstände, die bei der Übermittlung eine Rolle spielen, davon ausgehen kann, dass geeignete Garantien zum Schutz personenbezogener Daten bestehen.«

2018 kommentierte Alexander Golland das so (RDV 1/2018, S. 11): »Die Vorschrift unterläuft damit die Bewertungskompetenz, die der Europäischen Kommission bei Angemessenheitsentscheidungen sowie Standarddatenschutzklauseln und den Datenschutzaufsichtsbehörden hinsichtlich der genehmigungspflichtigen Garantien zusteht. Im Gegenzug erhält der Verantwortliche einen Beurteilungsspielraum, mit der Folge, dass er im Ergebnis selbst Angemessenheitsentscheidungen treffen kann.« Golland kommt zum Schluss, dass diese Regelung nicht mit der DSGVO in Einklang steht und damit unanwendbar ist – vielleicht taucht deshalb diese Norm bisher nicht explizit in den Stellungnahmen der katholischen Datenschutzaufsichten auf.

Aus der Rubrik dumm gelaufen: Ausgerechnet eine Online-Datenschutzschulung wird vom Kirchlichen Arbeitsgerichtshof als »technisches Überwachungssystem« bewertet. Im Urteil vom 25. Mai 2020 (KAGH M 20/19) geht es darum, ob die Schulung als Überwachungssystem eingestuft wird, obwohl nicht das Bistum bzw. die Pfarrei die erhobenen personenbezogenen Daten erhält, sondern nur die Betreiberfirma. Aus den Leitsätzen: es komme nicht darauf an, »ob der Dienstgeber selbst Zugriff auf die
erfassten Daten nehmen kann. Für das Eingreifen der Mitbestimmung reicht es
aus, dass der Dienstgeber die Entscheidung trifft, Informationen über das
Verhalten der Mitarbeiter durch eine zur Überwachung bestimmte technische
Einrichtung erfassen zu lassen«. Daher ist bei der Einführung dieser Online-Schulung die Mitarbeitervertretung zu beteiligen; die Maßnahme ist zustimmungspflichtig. (Beisitzerin auf der Dienstgeberseite war Ursula Becker-Rathmair, die Frankfurter Diözesandatenschutzbeauftragte.)

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