Archiv der Kategorie: Rechtsprechung

Jahr der Reform, Jahr des Gerichts – Jahresausblick 2025

2025 hat das Potential, das Jahr der Reformen zu werden: Gesetzt ist das DSG-EKD – das tritt novelliert in Kraft. Aber auch das neue KDG könnte beschlossen werden ebenso wie eine Reihe weiterer katholischer Großgesetzgebungsverfahren. All das kann sich verzögern. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Jahr das Jahr der Novellen wird, ist aber deutlich größer als die Hoffnung auf ein Jahr der Entscheidungen von verschiedenen Verwaltungsgerichten und des EuGH – da geht’s eher um gut abgehangene Dauerbrenner, die auf ihren Tag vor Gericht warten.

Eine Glaskugel auf rotem Stoff, links daneben ein Schlüssel
Blick in die Glaskugel. (Bildquelle: Michael Dziedzic/Unsplash)
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Bundesarbeitsgericht zum Recht auf Kopie im evangelischen Kontext

Das Bundesarbeitsgericht hat eine evangelische Kirchengemeinde zur Herausgabe eines Kirchengemeinderats-Protokolls verurteilt – einen Beitrag zur Diskussion, ob das DSG-EKD in seiner noch geltenden Fassung ein Recht auf Kopie enthält, ist die Entscheidung aber – anders als zunächst erwartet – nicht: Der Anspruch wurde allein aus dem Arbeitsrecht begründet.

Schild vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt (Foto: Christoph Hoffmann)
(Bildquelle: Christoph Hoffmann, Wikimedia Commons, (CC BY-SA 2.0 de), zugeschnitten und bearbeitet.)

Mittlerweile liegen mir die Entscheidungsgründe zum Urteil 8 AZR 42/24 vom 17. Oktober 2024 vor. (Die Entscheidung wurde am 20. Dezember vom Gericht selbst veröffentlicht.) Darin wird das evangelische Datenschutzrecht zwar erwähnt, war aber letzten Endes nicht relevant für die Entscheidung.

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Löschen von Taufbucheinträgen kommt vor den EuGH

In mehreren europäischen Mitgliedsstaaten mussten sich Gerichte bereits mit der Frage auseinandersetzen, ob es ein Recht auf Löschung von Taufbucheinträgen gibt. Bisher haben sich letzten Endes alle nationalen Gerichte dazu in der Lage gesehen, die Frage selbst zu beantworten, und zwar immer zugunsten der Kirchen, die keine Taufbucheinträge löschen wollten.

Das Emblem des Europäischen Gerichtshofs vor den Türmen B und C
(By LuxofluxoOwn work, CC BY-SA 4.0, Link)

Eine verbindliche europarechtliche Klärung der Rechtslage stand daher bislang aus. Das wird sich nun ändern: Der belgische Märktegerichtshof – das zuständige Gericht für Rechtsmittel gegen Aufsichtsbehörden – hat dem EuGH Fragen zum Löschrecht bei Taufbüchern vorgelegt. Zuvor hatte das Bistum Gent gegen eine Entscheidung der belgischen Datenschutzaufsicht geklagt, die die Kirche zur Löschung zwingen wollte.

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IDSG zu illegalem Exorzismus und kirchlichem Interesse

»Der Beteiligte, ein ehemaliger Pfarrer im Erzbistum des Antragstellers, und XX führten eine Gruppe von Gläubigen an, die unter anderem mittels physischer und psychischer Gewalt bei anderen Gläubigen ›Teufelsaustreibungen‹ vornahmen« – die neu veröffentlichte Entscheidung des Interdiözesanen Datenschutzgerichts (Beschluss IDSG 15/2023 vom 12. August 2024) beginnt spektakulär.

Ein Priester hält ein Kruzifix über einen nackten Körper, im Hintergrund Dämonen. Aus dem Kruzifix kommen Strahlen.
Der heilige Francisco de Borja hilft einem unbußfertigen Sterbenden (Gemälde von Goya, Ausschnitt, gemeinfrei via Wikimedia Commons)

Was aber neu an der Entscheidung ist, ist nicht spektakulär, und was große Tragweite hat, schreibt lediglich die Rechtsprechung des Gerichts fort, indem sie den Umgang der Kirche mit (in diesem Fall) religiös motivierter psychischer und physischer Gewalt in den Blick nimmt. Dennoch lohnt es sich, den Beschluss zu lesen – insbesondere auch, weil sie wieder einmal einen Mosaikstein zur Frage der Auslegung kirchlicher Interessen beinhaltet.

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VG Berlin urteilt nicht über Datenschutz von Jehovas Zeugen

Kann man gegen Entscheidungen einer Datenschutzaufsicht klagen? Natürlich, sollte man denken. In einem Spezialfall hat sich das Klagen jetzt nicht als besonders einfach erwiesen: Eine betroffene Person wollte gegen einen Bescheid der Datenschutzaufsicht von Jehovas Zeugen klagen und tat das bei dem Gericht, das die Aufsicht im Rechtsbehelf benannte – nur: das Verwaltungsgericht Berlin wollte nicht.

Deckblatt des Urteils des VG Berlin mit Berliner Wappen

Die Entscheidung des VG Berlin (Urteil vom 1. August 2024, VG 1 K 29/23, veröffentlicht vom ITM der Uni Münster) überrascht mit einigen Positionen, die die bisherigen Ansichten zu gerichtlichen Rechtsbehelfen im religiösen Datenschutzrecht durcheinanderwirbeln dürften, wenn es rechtskräftig werden sollte.

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Staatliche Strafprozessakten in kirchlichen Verfahren – BayObLG zeigt Grenzen auf

Die Beweiserhebung in kirchlichen Strafprozessen ist schwierig. Hoheitliche Befugnisse haben kirchliche Gerichte nicht. Deshalb wird in kirchlichen Ermittlungen oft auf staatliche Strafakten zurückgegriffen. Rechtlich wird das bislang in der Regel über § 474 StPO ermöglicht, der Auskünfte und Akteneinsicht für Justizbehörden und andere öffentliche Stellen regelt. Indem die kirchlichen Behörden als »andere öffentliche Stelle« verstanden wird, sind für die Akteneinsicht deutlich niedrigere Hürden zu nehmen als bei einem Rückgriff auf § 475 StPO, das für Einsicht und Auskünfte für Privatpersonen und sonstige Stellen höhere Anforderungen stellt.

Ein Aktenordner vor neutralem Hintergrund
Bildquelle: Tim Reckmann (via Flickr), CC BY 2.0 (zugeschnitten)

Eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 204 VAs 177/23) könnte nun die bewährte Praxis einschränken. Hintergrund ist der Fall eines Priesters des Bistums Regensburg, dem Sexualdelikte vorgeworfen wurden. Nach einer Hausdurchsuchung und Auswertung der sichergestellten Datenträger stellte die Staatsanwaltschaft aber das Verfahren ein, ohne jeden Restverdacht anzunehmen. Die vom Bistum Regensburg dennoch erbetene Akteneinsicht wurde vom BayObLG aber als nicht zulässig gewertet – mit einer ausführlichen Würdigung der Problematik der Kirche als öffentlich-rechtlich verfasster Stelle.

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IDSG zur Weiterleitung fraglicher Masken-Atteste ans Gesundheitsamt

Von den kirchlichen Datenschutzgerichten hat man bisher wenig zu Fällen aus der Corona-Zeit gehört; die erste größere Entscheidung, die das DSG-EKD in zweiter Instanz im Juli 2021 zur Frage nach dem Einsichtsrecht des leitenden Pfarrers in Corona-Anwesenheitslisten aufgrund der Bedeutung besonders schnell gefällt hatte, war bisher die einzige – und wie viele Entscheidungen aus der Corona-Hochphase doch sehr großzügig damit, was die Gerichte Verantwortlichen durchgehen lassen. Jetzt wurde eine weitere Entscheidung veröffentlicht (IDSG 04/2021 vom 17. Juli 2024).

Eine FFP2-Schutzmaske hängt in einem Klassenzimmer an einem Stuhl
Schutzmasken in Klassenzimmern waren zeitweise vorgeschrieben – unzureichende Atteste sorgten für Streit. (Foto von marco fileccia auf Unsplash)

Aufmerksamen Lesenden von Tätigkeitsberichten war der Fall war schon bekannt: Im Tätigkeitsbericht für 2020 hat die KDSA Ost darüber unter der Überschrift »5.3.3 Befreiung von Mund-Nasen-Bedeckung« berichtet. Es ging darum, ob eine Schule ein unzureichendes Masken-Attest ohne es zu anonymisieren ans zuständige Gesundheitsamt weiterleiten darf, um mit ihm weitere Schritte zu besprechen.

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Hintergründe zum katholischen Datenschutzgericht aus erster Hand der zweiten Instanz

Die kirchlichen Datenschutzgerichte sprechen wie die meisten Gerichte primär durch ihre Entscheidungen. Erfreulich viele davon sind veröffentlicht, obwohl die KDSGO das nicht ausdrücklich vorsieht, so dass hier auch immer wieder die Rechtsprechung diskutiert werden kann. Über die operative Arbeitsweise und das Selbstverständnis des Gerichts geben Entscheidungen nur wenig Auskunft. Umso wertvoller ist es, wenn sich doch einmal Richter*innen äußern.

Ein Richterhammer liegt auf einer Ausgabe der Kirchlichen Datenschutzgerichtsordnung (KDSGO)
Die KDSGO regelt die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit.

Nachdem bereits 2021 der Vorsitzende Richter des IDSG Bernhard Fessler in einem Vortrag einiges erzählte, gibt es nun auch vom Vorsitzenden Richter des DSG-DBK, also der zweiten Instanz, Einblicke. In der schon 2023 erschienenen Festschrift zum 80. Geburtstag des Münsteraner Kirchenrechtlers Klaus Lüdicke hat der Münsteraner Europarechtler Gernot Sydow (der auch Herausgeber des KDG-Kommentars ist) über die erste Amtsperiode des DSG-DBK geschrieben, die 2023 endete.

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Haustürwerbung laut Gericht im kirchlichen Interesse

Schlechte Nachrichten für Leute, die lieber keinen Direktvertrieb an der Haustür wollen: Die Weitergaben von Kirchenmitgliederdaten für Haustürwerbeaktionen von Kirchenzeitungen ist rechtens. Das hat das Interdiözesane Datenschutzgericht nun entschieden (Beschluss IDSG 13/2023 vom 22. März 2024).

Eine Reihe von Türklingelklöpfen.
Wer nur bei Katholik*innen klingen will, braucht Meldedaten. (Foto von Serge Le Strat auf Unsplash)

Die Entscheidung ist nicht nur für Kirchenzeitungsverlage eine gute Nachricht: Die Rechtsgrundlage des »kirchlichen Interesses« war bislang einer der weißen Flecken des Datenschutzrechts. Wann und wie genau es herangezogen werden kann, war eher unklar. Nun gibt es erstmals eine Entscheidung, die dafür Kriterien an die Hand gibt.

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IDSG: Missbrauchsaufarbeitung von überwiegendem kirchlichen Interesse

Das Interdiözesane Datenschutzgericht hat erstmals eine Entscheidung zu einer grundlegenden Frage der kirchlichen Missbrauchsaufarbeitung veröffentlicht. Der Beschluss IDSG 16/2021 vom 24. Februar 2024 stellt auf die Klage eines im Kölner Gercke-Gutachten anonymisiert erwähnten Beschuldigten hin fest, dass Missbrauchsaufarbeitung ein erhebliches Interesse der Kirche darstellt, hinter dem Datenschutzrechte der Beschuldigten gegebenenfalls zurücktreten müssen.

Präsentation des Gercke-Gutachtens (Bildquelle: Erzdiözese Köln/Boecker, zugeschnitten und bearbeitet.)
Präsentation des Gercke-Gutachtens (Bildquelle: Erzdiözese Köln/Boecker, zugeschnitten und bearbeitet)

Die Entscheidung ist eine der längsten des IDSG bisher, so dass neben der grundsätzlichen Frage auch noch viele weitere Themenbereiche gestreift werden – von der Frage, ab wann Daten das Sexualleben so betreffen, dass sie zu den besonderen Kategorien gehören, bis zum Verhältnis von datenschutzrechtlichen Betroffenenrechten und kirchlichem Prozessrecht.

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