In der aktuellen Ausgabe des Datenschutz-Berater habe ich einen detaillierten Überblick über Betroffenenrechte im KDG und im DSG-EKD im Vergleich zur DSGVO veröffentlicht: »Kirchliches Interesse ist Trumpf«, stelle ich fest.
Wer den ganzen Artikel lesen will, muss das Heft kaufen: Damit gibt es eine hoffentlich sehr praxisrelevante Synopse mit Einschätzungen zu Besonderheiten der einzelnen kirchlichen Gesetze. Das Fazit des Beitrags gibt über die Praxis hinaus eine Einschätzung, wo Probleme und Reformbedarf liegen.
Immer weniger Menschen gehören in Deutschland einer der großen Kirchen an, mittlerweile weniger als die Hälfte. Trotz Krisenstimmung, trotz Massenexodus bleibt die Bedeutung der Kirchen groß: Nicht als moralisches Rückgrat der Gesellschaft, sondern als etablierter und als alternativlos wahrgenommener Player in der sozialen Trägerlandschaft. Das konserviert auch Privilegien, Strukturen und Eigenheiten vom Arbeitsrecht bis zu den Staatsleistungen, an die so recht niemand will.
Thomas Schüller: Unheilige Allianz. Warum sich Staat und Kirche trennen müssen, Hanser, 208 Seiten, 22 Euro
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sammelt in seinem neuen Buch »Unheilige Allianz« diese eigentümlichen Relikte einer Zeit, als die allermeisten Deutschen noch katholisch oder evangelisch waren, und ergründet, warum diese Relikte zwar eben Relikte sind, aber doch so schnell nicht abgeschafft werden – weder durch die Politik, die sich im Status quo ohne Idee eines Status quo ante eingerichtet hat, noch durch die Kirchen selbst, denen es an Reformkraft aus sich heraus fehlt. Auch wenn Datenschutz als großes Feld der kirchlichen Selbstverwaltung nicht vorkommt, lohnt sich die Lektüre für alle, die am Religionsverfassungsrecht interessiert sind.
DSGVO-Kommentare in deutscher Sprache gibt es quasi beliebig viele. In anderen Sprachen sieht es anders aus. So anders, dass das Vorwort zum jetzt erschienenen englischsprachigen Kommentar von Spiecker gen. Döhmann/Papakonstantinou/Hornung/de Hert erst einmal erklären muss, was so ein »Article-by-Article Commentary«, wie es auf der Titelseite heißt, eigentlich ist. Der Ansatz von »General Data Protection Regulation« ist die hier sattsam bekannte Kommentarform mit einem klar internationalen Fokus zu verbinden: Autor*innen aus verschiedenen Ländern kommentieren mit einem deutlich auf Rechtsprechung und Rechtsbestand der EU konzentrierten Ansatz.
Spiecker gen. Döhmann/Papakonstantinou/Hornung/de Hert: General Data Protection Regulation: Article-by-Article Commentary, Nomos/Beck/Hart 2023, 1241 Seiten, 290 Euro.
Art. 91 DSGVO hat in den meisten EU-Mitgliedsstaaten keine praktische Bedeutung. Es liegt also nah, dass hier mit Achim Seifert ein deutscher Autor zum Zug kommt. Seifert hat bereits im Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann diesen Artikel kommentiert. Einiges aus dieser Kommentierung findet sich nun auch in der neuen Fassung. Leider sind dabei auch einige Probleme übernommen worden.
An Kommentaren zur DSGVO mangelt es nicht. Neben der DSGVO sind in Deutschland zusätzlich das BDSG und die 16 Landesdatenschutzgesetze relevant. Während das BDSG ähnlich umfangreich kommentiert ist wie die DSGVO, gibt es zum Landesrecht weniger Literatur. Für das Landesrecht in Bayern erscheint ein Loseblattwerk: Zum Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch ist mittlerweile die 36. Ergänzungslieferung erschienen. Aktualisiert wurde dabei auch die Kommentierung von Art. 91 DSGVO.
Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch: Datenschutz in Bayern. Loseblattwerk mit 36. Aktualisierung 2023, 1892 S., 220 Euro (bei Abonnement der Aktualisierungen, sonst 420 Euro).
Herausgeber Christian Peter Wilde hat sich des Kirchenartikels angenommen – und obwohl es nicht ganz offensichtlich ist, warum es hier viel Mühe in einem Werk mit Relevanz für ein Bundesland braucht, zeigt die Kommentierung: Bei weitem nicht alles ist klar, einige interessante Rechtsfragen sind theoretisch wie praktisch offen.
Wer glaubt, mit Martin Rost mal eben schnell die Anwendung des Standard-Datenschutzmodell lernen zu können, bekommt schon ganz am Anfang den Wind aus den Segeln genommen – obwohl sein Buch mit 224 Seiten recht kompakt bleibt: »Selbstverständlich verspreche ich nicht, dass ein wirksamer Datenschutz mit wenig Aufwand durch das SDM umsetzbar ist. Nein, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Das SDM zeigt auf, welch unbestreitbar hoher Aufwand zu betreiben ist, um wirksamen Datenschutz gemäß DSGVO zu erreichen.«, heißt es im Vorwort von »Das Standard-Datenschutzmodell (SDM) – Einführung, Hintergründe und Kontexte zum Erreichen der Gewährleistungsziele«.
Martin Rost: Das Standard-Datenschutzmodell (SDM) – Einführung, Hintergründe und Kontexte zum Erreichen der Gewährleistungsziele, Springer Vieweg 2022, xi, 224 S., 59,99 Euro.
Wer sich dennoch darauf einlässt, mit Rost die Methodik zu verstehen statt nur Checklisten abzuarbeiten, wird dabei von einem der Entwickler und profundesten Kenner des SDM begleitet. Der Autor beschränkt sich dabei nicht auf die rein operative Anwendung oder die strategische Planung: Das Praxis-Buch ist zugleich eine Streitschrift für einen grundrechtlich fundierten Datenschutz.
Die Kirchliche Datenschutzgerichtsordnung ist bislang nur sehr knapp kommentiert. In Sydows KDG-Kommentar findet sich eine kaum zehnseitige von Ulrich Rhode besorgte Einführung, die zudem noch auf recht wenig Entscheidungen der kirchlichen Datenschutzgerichte zurückgreifen konnte. Diese Lücke schließt nun der neue Kommentar von Hermann Reichold, Thomas Ritter und Christian GohmAffiliate link, der die KDSGO neben der Mitarbeitervertretungsordnung und der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung kommentiert.
Reichold/Ritter/Gohm: MAVO, KAVO, KDSGO
Die Zusammenstellung wirkt auf den ersten Blick etwas wunderlich, vor allem das Nebeneinander von KAGO- und KDSGO-Kommentar ist allerdings hilfreich, und beschweren sollte man sich ohnehin nicht, wenn diese wichtige Materie Huckepack mitkommentiert wird, wo es wohl für einen Stand-alone-Kommentar nur einen zu kleinen Markt geben würde. Trotz Kinderkrankheiten: Der erste ausführliche KDSGO-Kommentar schließt eine große Lücke.
Der Praxis-Kommentar DSGVO von Freund/Schmidt/Heep/Roschek(Affiliate link) hat den Anspruch, eine Kommentierung für den Alltag zu sein. Diese Heransgehensweise ist für einen eher abstrakten Artikel wie Art. 91 DSGVO anspruchsvoll. In der Gliederung und Schwerpunktsetzung gelingt es aber mit vertiefter Kenntnis der kirchlichen Datenschutzlandschaft, das Ziel zu erreichen.
So kenntnisreich der Kommentar auch Wissen zum kirchlichen Datenschutz sammelt: Etwas mehr Sorgfalt bei der Ausweisung der Quellen hätte ihm gut getan – und an der hybriden Form muss auch noch gearbeitet werden.
Das ist kein Versäumnis der Autorin, sondern an sich schon ein Ergebnis, das in der Evaluation nicht nur des katholischen Datenschutzrechts wohl leider nicht allzu großen Nachhall finden wird. Die Dissertation leistet aber noch deutlich mehr, als die vom Gesetzgeber unbeantwortete Frage nach dem Sinn deutlich zu beleuchten.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat die zweite Runde Pixi-Bücher veröffentlicht. Dieses Mal liegt der Schwerpunkt auf dem I für Informationsfreiheit aus der vollständigen Amtsbezeichnung BfDI, nachdem das letzte Mal D wie Datenschutz dran war.
Das Pixi-Buch »Aber warum?!« wurde von Tina Blase geschrieben und von Marc Böttler illustriert.
Die Kommentarlandschaft bleibt auch im Jahr 5 der DSGVO-Geltung bunt. Und anscheinend werden die Kommentare auch tatsächlich gekauft – sonst würden sie nicht in neuen Auflagen erscheinen. Zwei Standardwerke sind in diesem Spätjahr in dritter Auflage erschienen: Der Gola und der Sydow.
Zwei Kommentare in dritter Auflage – jetzt auch noch mit BDSG-Kommentar.
Nicht nur die Zahl der Neuauflagen haben die Werke gemeinsam: Im Laufe der Zeit haben beide Werke einen Co-Herausgeber bekommen (Heckmann bei Gola, Marsch bei Sydow), beide kommentieren nun auch das BDSG. Ein Blick in die Kommentierung von Art. 91 DSGVO zeigt, dass es hier tatsächliche Fortschritte gibt: Auch wenn die Rechtsprechung direkt zu Art. 91 DSGVO nach wie vor fehlt, hat sich die Literatur zum kirchlichen Datenschutz doch deutlich diversifiziert.