Schlagwort-Archive: Digitalisierung

Radikal pragmatisch Gemeinde digitalisieren

Wenn es um Digitalisierung und Kirche geht, dann sind häufig große Leuchtturmprojekte im Blick, spektakuläre Social-Media-Präsenzen – dabei fehlt es oft am einfachsten: Einer zugänglichen Webseite, auf der man erfährt, wann Gottesdienste sind, wie man die Gemeinde erreicht und wie man dort hinkommt. Das gehört zu den Beobachtungen, mit denen Philipp Greifenstein und Hanno Terbuyken die Digitalisierung von Gemeinden angehen.

Cover von »Vernetzt und zugewandt«
Philipp Greifenstein und Hanno Terbuyken: Vernetzt und zugewandt – digitale Gemeinde gestalten: Ein Praxishandbuch, Verlag Neukirchener 2024, 208 Seiten, 24 Euro.

Mit »Vernetzt und zugewandt – digitale Gemeinde gestalten« haben die beiden, so der Untertitel, ein Praxishandbuch vorgelegt. Und dieser Untertitel wird eingelöst: Knapp und einladend, dabei erfahrungsgesättigt und praktisch hilft das Buch dabei, Gemeinden in der Digitalität zu gestalten.

Weiterlesen

Kann nicht klagen – Wochenrückblick KW 8/2024

Abonnent*innen des Artikel-91-Newsletters haben den Wochenrückblick und exklusive Newsletter-Inhalte schon vor Veröffentlichung im Blog erhalten – hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung.

Wochenrückblick Kirchlicher Datenschutz KW 8/2024
(Bildquelle: ali syaaban on Unsplash)
Weiterlesen

»Digitale Seelsorge« im Datenschutz-Dilemma

»Eine neue Art des Zusammenlebens ist entstanden, eine neue Art sich zu informieren, eine neue Art, das Leben mit all den Herausforderungen zu meistern«, stellt Achim Blackstein gleich zu Beginn seiner »Impulse für die Praxis« fest, wie der Untertitel von »Digitale Seelsorge« lautet. Das setzt schon einmal den richtigen Horizont: Strenggenommen geht es schon lange nicht mehr um digitale Seelsorge in Abgrenzung zur »analogen« oder gar »normalen« Seelsorge, sondern um Seelsorge in der Realität der Digitalität.

Cover von Achim Blackstein: Digitale Seelsorge
Achim Blackstein: Digitale Seelsorge: Impulse für die Praxis, Vandenhoeck & Ruprecht, 1. Auflage 2023, 188 Seiten, 23 Euro.

Und trotz dieser Realität und – auch darauf weist Blackstein hin – gut 30 Jahren an Erfahrung mit digitaler Seelsorge bleiben Fragen nach Strategien und guter Praxis, zumal angesichts eines hoch dynamischen Felds der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Mit »Digitale Seelsorge« legt Blackstein einen kompakten und und praxisorientierten Überblick mit umfassendem Anspruch vor. Auch Fragen des Datenschutzes werden behandelt – hier stößt der Band aber an seine Grenzen.

Weiterlesen

Religion nicht mal mehr freiwillig – Wochenrückblick KW 40/2022

Abonnent*innen des Artikel-91-Newsletters haben den Wochenrückblick und exklusive Newsletter-Inhalte schon vor Veröffentlichung im Blog erhalten – hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung.

Mit dem am Donnerstag letzter Woche beschlossenen dritten Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften wurde die gesetzliche Möglichkeit zur freiwilligen Eintragung der Religionszugehörigkeit in die Personenstandsregister abgeschafft. Eine vernünftige Entscheidung, die staatliche Datenhaltung auf das erforderliche Maß zurückstutzt, sollte man denken, und angesichts der Rolle von Religionseinträgen bei der Organisation des Holocausts auch ein spätes Lernen aus der Geschichte. Aus den Unionsparteien gab es aber Protest. Die Ampel-Koalition wolle die Religion immer weiter ins Private zurückdrängen, kritisierte CDU-MdB Philipp Amthor, der religionspolitische Sprecher der Unionsfraktion Thomas Rachel sieht als Ziel ein »Zurückdrängen der Religionsgemeinschaften«. Auch die beiden kirchlichen Berliner Lobbybüros waren gegen diese Änderung und argumentierten identitär: Es sei »von großer Bedeutung, dass sich eine Person hierzu bekennen und damit in dem Personenstandsregister zum Ausdruck bringen kann, dass zu ihrer Identität der Glaube gehört«.

Der Freiburger Generalvikar hat per Dekret einen Fachausschuss Digitalisierung im Ordinariat eingerichtet – also ein Gremium, das dank rechtlicher Regelung durchaus Gewicht hat. Er soll den Generalvikar im Themenfeld der Digitalisierung beraten und unterstützen. »Ausgehend von diesem Grundauftrag berät der Fachausschuss über die Digitalisierung der pastoralen und kirchlichen Praxis, insbesondere der örtlichen kirchlichen Rechtsträger (z. B. Kirchengemeinden) sowie der dazugehörigen kirchlichen Verwaltung, um nützliche und nutzbare digitale Werkzeuge (z. B. Programme, Tools, Apps oder Services) zu ermöglichen, neue Formen der Kommunikation innerhalb der Gesellschaft und Kirche zu erschließen und die Definition einheitlicher Qualitätskriterien und verbindlicher Standards für die pastorale und kirchliche Praxis vorzunehmen«, heißt es im Dekret. Zu den gesetzten Mitgliedern gehört unter anderem der Diözesanökonom, aber niemand aus dem Bereich Datenschutz – aber immerhin will der Generalvikar noch zwei bis vier weitere Mitglieder berufen. Angesichts des Arbeitsauftrags wäre es sicher ressourcensparend, von vornherein Datenschutz mitzudenken.

Zum Datenschutzgesetz der Polnischen Bischofskonferenz gibt es jetzt einen zweibändigen Kommentar – leider nur gedruckt und wenig überraschend nur auf Polnisch. Das Werk dürfte auch über Polen hinaus interessant sein, weil das polnische Datenschutzdekret zu den kirchlichen Datenschutzgesetzen gehört, die sich eng an das Muster der COMECE anlehnen.

Weiterlesen

Bedenkenhuberei – Wochenrückblick KW 31/2022

Abonnent*innen des Artikel-91-Newsletters haben den Wochenrückblick und exklusive Newsletter-Inhalte schon vor Veröffentlichung im Blog erhalten – hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung.

In Polen geht die Kontroverse um die Vernichtung von Akten in kirchlichen Missbrauchsverfahren weiter. Während die staatliche Missbrauchskommission weiterhin darüber klagt, dass Akten des bischöflichen Geheimarchivs entsprechend der kirchenrechtlichen Regeln nach dem Tod des Angeklagten oder zehn Jahre nach der Verurteilung vernichtet werden und so eine Aufarbeitung erschwert ist, sieht die Polnische Bischofskonferenz keine Probleme mit der Praxis und sieht im Zusammenspiel von polnischer Justiz und Heiligem Stuhl die Regierung am Zug, angemessene Vereinbarungen und gesetzliche Grundlagen zu schaffen.

Wolfgang Huber wagt den großen Aufschlag und hat eine »Ethik der Digitalisierung« unter dem Titel »Menschen, Götter und Maschinen«(Affiliate link) vorgelegt. Der ehemalige Berliner Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende befasst sich darin natürlich auch mit Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung. Die Überschrift des vierten Kapitels, »Grenzüberschreitungen«, ist dabei programmatisch: Es wird ein grundsätzlich pessimistisches Bild gezeichnet, eine »Erosion des Privaten« festgestellt. Huber schlägt mit Hans Jonas eine »Heuristik der Furcht« als ethische Regel zum Umgang mit den eigenen Daten vor: »Es ist ein Gebot der Selbstachtung, Anbieter mit transparentem Datenschutz zu bevorzugen, Suchanfragen auf das Notwendige zu beschränken und Informationen über sich selbst nicht leichtfertig preiszugeben.« Dazu brauche es Selbstverpflichtungen der Digitalfirmen und eine Verschärfung der internationalen Rechtsregeln für den Umgang mit persönlichen Daten im Netz. Wie solche Regeln gestaltet sein können, fehlt allerdings. Allzu oft bleibt Huber bei einer pessimistischen Diagnose. Daten gibt es nur im gesellschaftlichen Verfallsmodus. Informationelle Selbstbestimmung wird zwar hochgehalten, dabei aber so interpretiert, dass selbstbestimmt nur das ist, was Hubers ethische Reflexionen für gut halten. »Dem digitalen Freiheitsgewinn wird ein erheblicher Teil der persönlichen Freiheit geopfert«, klagt er. Dass persönliche Freiheit auch in digitalem Freiheitsgewinn bestehen kann, ist nicht vorgesehen. Stattdessen wird wieder einmal Jaron Lanier und sein Social-Media-Ausstieg als Goldstandard dargestellt. Die DSGVO wird zwar erwähnt, aber ohne große Kenntnis und analytische Tiefe. Sie verfolge »erkennbar das Ziel, die umfangreiche Nutzung privater Daten mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar zu machen und zugleich eine Nutzung dieser Daten in möglichst hohem Umfang zu ermöglichen«. Woran sich das zeige, ist keiner Erläuterung wert. Huber beschränkt sich weitgehend auf die von ihm als zentral ausgemachten Instrumente der Pseudonymisierung und Anonymisierung. »Aus ethischer Perspektive ist es jedoch keineswegs unproblematisch, die Daten einer Person dann als frei verfügbar anzusehen, wenn sie statt unter dem authentischen Herkunftsnamen unter einem Pseudonym genutzt werden«, urteilt Huber. Nur: Wer vertritt diese Position? Die DSGVO jedenfalls nicht. Den Datenschutzdiskurs bringt Huber mangels Substanz so jedenfalls nicht weiter. »Theologisch interessierte Oberstudienräte finden gelehrte Einwände gegen die in den Feuilletons dieser Republik erhobenen Großthesen über die Chancen der Digitalisierung«, schließt die lesenswerte Rezension des Buchs in der Eule.

Weiterlesen