Bisher hat das Interdiözesane Datenschutzgericht nur durch seine Beschlüsse gesprochen – am vergangenen Freitag hat der Vorsitzende Richter des IDSG Bernhard Fessler einige Einblicke in die Arbeit des Gerichts gegeben. Mittlerweile liegt auch das Manuskript des Vortrags bei der Geburtstagstagung zum KDG vor.
Leider ist der Vortrag bisher nur den Teilnehmenden der Tagung zugänglich gemacht worden – das ist sehr schade angesichts des bislang umfassendsten Überblick über die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit. Daher hier noch einmal eine ausführlichere Besprechung des Vortrags, nachdem er bereits im Tagungsrückblick vom Montag erwähnt wurde.
Daten und Zahlen
Das Manuskript ermöglicht vor allem einen genaueren Überblick über Daten und Zahlen, die noch einmal genauer aufgeschlüsselt wurden: 47 Verfahren gingen bei der ersten Instanz ein, 19 davon wurden durch Beschluss, 5 unstreitig erledigt. Neu sind die genauen Zahlen für die zweite Instanz: Von den 7 Verfahren seien bisher 6 beendet, 5 durch Beschluss, 1 unstreitig – mit den ersten Veröffentlichungen darf man hoffentlich bald rechnen. Das eine noch offene Verfahren ist ein besonders interessantes: Das zu den Corona-Kontaktlisten, das hier bereits sehr kritisch besprochen wurde.
Ganz am Schluss fällt gleich eins auf: Der relativ konkrete Ausblick auf die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem mündlichen Vortrag wurde für die schriftliche Fassung deutlich weniger konkret – keine Rede ist mehr von einer klaren Zeitschiene und Ausgestaltung, die Einrichtung spezieller Datenschutzspruchkörper innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird allerdings als Teil der vorliegenden Entwürfe bezeichnet.
Immer Ärger mit Bußgeldern
Ein großes Problemfeld stellt der Umgang mit Bußgeldern dar. Hier hat das Verwaltungsverfahrensgesetz eine zusätzliche Rechtsunsicherheit geschaffen: Durch den Verweis auf das Ordnungswidrigkeitengesetz in § 25 KDS-VwVfG sei fraglich, ob die kirchlichen Gerichte noch zuständig sind. »Wenn diese Verweisung auf das OWiG bedeuten sollte, dass der gerichtliche Rechtsschutz gegen Geldbußen bei den staatlichen Gerichten zu beantragen ist, würden für die verschiedenen Regelungen ein und desselben Bescheides der kirchlichen Datenschutzaufsicht zwei verschiedene Gerichtsbarkeiten zuständig sein, ein Ergebnis, das ich nicht gutheißen kann«, so Fessler. Er empfiehlt, sich einfach an den in der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Rechtsweg zu halten.
Einzelne Verfahren
Fessler berichtet überblicksmäßig über einige exemplarische Verfahren: Zur Frage, ob ein mündliches Gespräch Datenverarbeitung darstellt und damit dem Datenschutzrecht unterfällt (nein), das bereits besprochene Urteil zum Postversand in einem Krankenhaus, einige Verfahren zum Umgang mit Patient*innendaten und zum Beschäftigtendatenschutz sowie die Frage, ob Daten von Betroffenen sexualisierter Gewalt auch gegen deren Willen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden dürfen (ja in zwei Instanzen).
Die Weitergabe von Meldedaten für die Caritassammlung wurde als Aufgabenerfüllung als vom kirchlichen Interesse gedeckt gesehen. In Fällen wie dem zum Kirchenaustritt kommt die Tendenz von Klagenden zum Tragen, das Datenschutzrecht für andere Zwecke zu vereinnahmen, was das Gericht nicht mit sich machen lässt – den Versuch wird man allerdings den Betroffenen kaum übel nehmen, ist eine ordentliche Verwaltungsgerichtsbarkeit schließlich noch nicht eingerichtet.
Weitere grundsätzliche Fragen
- Vorbeugender Rechtsschutz: Hier bereits erwähnt wurde das fehlende Eilverfahren. Momentan wird das über ein Gentlemen’s Agreement einer »Stillhaltevereinbarung« zwischen Gericht und Aufsichten gelöst. Die eigentliche Frage ist laut Fessler aber noch nicht klar entschieden: »Das IDSG hat noch nicht entschieden, ob Aussetzungsanträge entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO zulässig sind.«
- Normenkontrolle: Eine Vorlage beim EuGH wird im Manuskript deutlicher als im Vortrag als »zweifelhaft« angesehen, eine Inzidentkontrolle von kirchlichen Rechtsnormen sei näher liegend.
- Kostenregelung: Die Kostenregelung in § 16 KDSGO wird als nicht praktikabel erachtet, da sie sich nicht am Prozessausgang orientiert. Auch bei gewonnenem Verfahren kann man so auf den Anwaltskosten sitzen bleiben – das könnte durchaus abschreckend wirken.
- Kirchenrecht: Zwischen den Zeilen klingt Kritik an der sehr kompakten KDSGO an; etwas kurios ist, dass die kanonistischen Beisitzer anscheinend vor allem aufgrund ihrer Kenntnis des kirchlichen Verfahrensrechts sehr nützlich sind, um Lücken der KDSGO und des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu füllen.
Fazit
Zu einer Rechtskultur gehört Transparenz. Das ist dem kirchlichen Recht eher wesensfremd, wie anlässlich des neuen kanonischen Strafrechts auch die GKP kritisch anmahnt. Die KDSGO kommt ganz ohne Öffentlichkeits- und Transparenzregelungen aus – dass überhaupt ausgewählte Entscheidungen veröffentlicht werden, ist also schon mehr als im Gesetz vorgesehen und spricht für den Willen zur Transparenz der handelnden Personen. Es braucht aber mehr – das sollte auf jeden Fall rechtlich verankert werden, aber es genügt nicht: Es braucht eine diskursive Rechtskultur – und dazu gehören Vorträge wie die von Richter Fessler.
Im kirchlichen Arbeitsrecht (wo auch die zugehörige Gerichtsordnung Öffentlichkeit vorschreibt) sieht es deutlich besser aus – hier hat sich ein Tagungswesen und umfangreiches Schrifttum ausgebildet. Es wäre zu hoffen, dass das im kirchlichen Datenschutz sich auch so entwickelt. Ein Anfang ist gemacht.