Archiv der Kategorie: Rechtsprechung

Rechtswege im Ordensdatenschutz – welches Gericht für die KDR-OG?

Die Ordensgemeinschaften päpstlichen Rechts unterliegen weder der Aufsicht des jeweiligen Diözesanbischofs noch der Bischofskonferenz und damit auch nicht dem Gesetz über den kirchlichen Datenschutz. Statt dem KDG haben die meisten der Orden sich eine eigene Kirchliche Datenschutzregelung der Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts (KDR-OG) gegeben.

Eine Textausgabe der Kirchlichen Datenschutzregelung der Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts (KDR-OG) liegt unter einem Codex Iuris Canonici, der bei Buch VII, Prozesse, aufgeschlagen ist, und auf dem ein Richterhammer liegt.
Die KDR-OG regelt den Datenschutz in den Ordensgemeinschaften päpstlichen Rechts, die sie eingeführt haben.

Die KDR-OG ist weitgehend wortgleich mit dem KDG (eine detaillierte Analyse hat hier Karsten Ronnenberg vorgenommen) – sie sieht also (im Einklang auch mit der DSGVO) gerichtliche Rechtsbehelfe vor. Nur: Wo klagen? Kann es sein, dass die von den Diözesanbischöfen und der Bischofskonferenz errichtete kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit zuständig ist, obwohl die Orden päpstlichen Rechts sonst gerade nicht von der Rechtsetzung der Ortsbischöfe erfasst sind?

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So urteilt das kirchliche Datenschutzgericht

Die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit beschreitet für die katholische Kirche Neuland: Erstmals wurde durch die Kirchliche Datenschutzgerichtsordnung eine (inter-)diözesane Verwaltungsgerichtsbarkeit eingerichtet. Zusammen mit dem KDG trat am 24. Mai 2018 die Kirchliche Datenschutzgerichtsordnung in Kraft, ihre Arbeit haben die beiden Instanzen etwas später aufgenommen.

Ein Richterhammer liegt auf einer Ausgabe der Kirchlichen Datenschutzgerichtsordnung (KDSGO)
Die KDSGO regelt die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit.

Aktuell sind in der offiziellen Entscheidungssammlung 18 Beschlüsse des Interdiözesanen Datenschutzgerichts und 2 Beschlüsse des Datenschutzgerichts der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht – damit lässt sich ein erster Überblick über Tendenzen in der Rechtsprechung geben. (Tatsächlich wurden auch einige Entscheidungen wieder offline genommen. Alle bekannten Aktenzeichen finden sich hier in der Entscheidungssammlung. Ausgewertet wurden hier auch die beiden Entscheidungen IDSG 2019/09 vom 20. Februar 2020 und IDSG 02/2018 vom 5. Mai 2020, die nachträglich offline genommen wurden.)

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IDSG zu Rechtswegen im kirchlichen Datenschutz

Das Interdiözesane Datenschutzgericht hat zwei neue Entscheidungen veröffentlicht: IDSG 6/2021 und IDSG 19/2021. In beiden geht es in der Sache zunächst um Konflikte im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes – wenn das Verhältnis ohnehin zerrüttet ist, werden die wenigen gut zugänglichen Rechtsbehelfe ergriffen, die es im kirchlichen Recht gibt.

Ein Richterhammer liegt auf einer Ausgabe der Kirchlichen Datenschutzgerichtsordnung (KDSGO)
Die KDSGO regelt die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit.

Beide Entscheidungen haben aber auch Aspekte mit grundsätzlicher Bedeutung: Verhandelt werden offene und versperrte Rechtswege zum kirchlichen Datenschutzgericht und zu kirchlichem Recht vor staatlichen Gerichten.

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IDSG schützt informationelle Selbstbestimmung von Jugendlichen

Kinder und Jugendliche haben Rechte. Das ist leider nicht immer so klar, wie es wünschenswert wäre. Insbesondere haben Kinder auch Rechte gegenüber ihren Eltern, die trotz grundgesetzlich verbürgtem Elternrecht auf Erziehung nicht alles dürfen.

Ein Mädchen zeigt das Victory-Zeichen. Auf ihrem Shirt steht »GRLPWR«.
(Bildquelle: Kiana Bosman on Unsplash)

Das Interdiözesane Datenschutzgericht hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem es genau darum ging: Ein Vater wollte Auskunftsrechte über Daten seiner Tochter geltend machen, und zwar gegen den Willen der 15-jährigen. Das Ergebnis ist rundheraus zu begrüßen: Das Gericht macht die Rechte der Jugendlichen stark. (IDSG 23/2020 vom 25. Februar 2022)

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VG Berlin bestätigt kirchlichen Datenschutz im Streit um Kirchensteuerstellen

Das Verwaltungsgericht Berlin hat eines der ersten (womöglich das erste) Urteil gefällt, in dem einige teils kontrovers angefragte Aspekte des kirchlichen Datenschutzes geprüft wurden. In seiner Entscheidung (VG Berlin, Urteil vom 07.04.2022 – 1 K 391/20) hatte es das Gericht mit der Frage zu tun, ob die Kirchensteuerstelle der staatlichen Datenschutzaufsicht unterliegt.

Briefkopf der Kirchensteuerstelle Berlin Tiergarten/Mitte
Briefkopf der Kirchensteuerstelle beim Finanzamt Berlin Mitte/Tiergarten (via ifw)

Die Kirchensteuerstellen in Berlin sind bei den Finanzämtern angesiedelt, aber kirchliche Stellen – konsequent, da die Religionsgemeinschaften selbst für die Feststellung der Kirchenmitgliedschaft zuständig sind, überraschend, da die Kirchlichkeit der Stellen angesichts der bis zum Briefkopf engen Anbindung ans staatliche Finanzamt nicht ganz intuitiv ist. Kritik daran gibt es seit Jahren.

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Wunschoma will anonym bleiben

Die schon in der vergangenen Woche angekündigte Entscheidung des IDSG zu einem offenen E-Mail-Verteiler ist da (Beschluss vom 29. November 2011 – IDSG 04/2019). Und wer – wie hier vermutet – lediglich nüchterne und praxisrelevante Tipps zum E-Mail-Schreiben erwartet hat, erhält deutlich mehr als erhofft: Eine weitere kuriose Anekdote, in der Kommunikation gründlich schiefgegangen ist.

Eine ältere Dame mit einem schwarzen Balken vor den Augen
Nein, das ist nicht die echte Wunschoma aus dem Beschluss. Bitte nicht verklagen! (Photo by RepentAnd SeekChristJesus on Unsplash, bearbeitet)

Der Auslöser der Klage ist datenschutzrechtlich unspektakulär: Rundmail an Ehrenamtliche eines Caritas-Projekts, offener Verteiler ohne Einwilligung, bitte nicht machen, danke. Nur leider ist dann alles ein wenig eskaliert.

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Kein Recht auf Vergessen für Bischof Küng

Der emeritierte St. Pöltener Bischof Klaus Küng hatte vor dem Oberlandesgericht Wien (Beschluss vom 14. 12. 2021 – AZ 18 Bs 309/21d; nicht online)  keinen Erfolg: Von ihm monierte Passagen in Wolfgang F. Rothes Buch »Missbrauchte Kirche«(Affiliate link) über Aussagen zu seiner angeblichen (und von ihm bestrittenen) Homosexualität verletzen den höchstpersönlichen Lebensbereich des Bischofs nicht in einer Weise, die geeignet wäre,  ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen (so die Formulierung im österreichischen Mediengesetz).

Cover von Rothe: Missbrauchte Kirche
Um dieses Buch drehte sich der Rechtsstreit. (Bildquelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Der Fall hat auch eine datenschutzrechtliche Facette – wenn auch keine des kirchlichen Datenschutzes (das Datenschutzdekret der Österreichischen Bischofskonferenz war in dem Verfahren zwischen Küng und der Verlagsgruppe Droemer Knaur nicht einschlägig): Hat Bischof Küng ein Recht auf Vergessenwerden in Bezug auf ein 25 Jahre altes Ereignis der österreichischen Zeitgeschichte?

(Die allgemeine Gemengelage schildern die Süddeutsche, die zuerst berichtet hatte, und ich auf katholisch.de)

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Visitation der Integrierten Gemeinde vor dem IDSG

Das Interdiözesane Datenschutzgericht hat einen weiteren Beschluss veröffentlicht (IDSG 03/2020 vom 9. Dezember 2021). Bekannt war bisher ein nicht-amtlicher Leitsatz, demzufolge es um die Einstufung der Tatsache eines Vorsitzes in einem öffentlichen kirchlichen Verein unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten und um die Weitergabe eines Visitationsberichts an Dritte geht. Hier wurde schon angemerkt, dass die erste Frage große praktische Folgen für kirchliche Vereine haben könnte.

Eine Lupe liegt auf einem Holztisch
(Photo by Jon Tyson on Unsplash, bearbeitet)

Auf Grundlage des Leitsatzes schien es sich um eine kleinteilige, wenig spektakuläre Entscheidung zu handeln. Auf Grundlage des jetzt vorliegenden Volltextes ist es doch etwas spannender als gedacht – nicht nur aufgrund diverser rechtlicher Fragen, sondern auch wegen ihrer kirchenpolitischen Bedeutung: Trotz Anonymisierung ist recht klar, dass es sich nur um die Visitation der »Katholischen Integrierten Gemeinde« im Erzbistum München und Freising handeln kann, die letztlich zu deren Auflösung führte.

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Kommt der Facebook-Crackdown? Jahresausblick 2022 zum kirchlichen Datenschutz

2021 ist Geschichte, 2022 noch größtenteils Zukunft. Aus dem Jahresausblick 2021 sind einige Prognosen in Erfüllung gegangen – dass das beginnende Jahr das Jahr 1 post Corona wird, ist aber immer noch fromme Hoffnung, genauso wie einige andere uneingelöste Dauerbrenner. Es werden noch Wetten angenommen, ob erst die Pandemie endet oder das katholische Bayern eine funktionsfähige Datenschutzaufsicht erhält.

Eine Glaskugel auf rotem Stoff, links daneben ein Schlüssel
Blick in die Glaskugel. (Bildquelle: Michael Dziedzic/Unsplash)
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SELK will kirchlichen Datenschutz vom EuGH klären lassen

Der Europäische Gerichtshof könnte sich bald mit zentralen Fragen des kirchlichen Datenschutzes befassen: Im Konflikt zwischen der niedersächsischen Landesdatenschutzaufsicht und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat die Kirche Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover erhoben, um unter anderem eine EuGH-Vorlage zu erreichen.

Das Emblem des Europäischen Gerichtshofs vor den Türmen B und C
Der EuGH ist nicht immer ganz sensibel, wenn es um religionsverfassungsrechtliche Eigenheiten der Mitgliedstaaten geht. (By LuxofluxoOwn work, CC BY-SA 4.0, Link)

Die Datenschutzaufsicht bezweifelt, dass die SELK schon vor Inkrafttreten der DSGVO umfassende Datenschutzregeln anwandte, wie es dem Wortlaut von Art. 91 Abs. 1 DSGVO nach verlangt wird. Die schon seit 1993 existierende Datenschutzrichtlinie der Kirche sei nicht »umfassend« im Sinn der DSGVO gewesen. Über den Fall wurde hier schon mehrfach berichtet: Zunächst als Ergebnis einer Recherche, im letzten Tätigkeitsbericht hat die Landesdatenschutzaufsicht den Vorgang auch selbst öffentlich gemacht.

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