Streit um Akteneinsicht für Ansprechpersonen für Missbrauch im Bistum Augsburg

Zwei der drei Ansprechpersonen für sexuellen Missbrauch im Bistum Augsburg sind unter Protest zurückgetreten. Die beiden werfen der Bistumsleitung unter anderem mangelnde Aufarbeitungs- und Dialogbereitschaft vor. Ein konkreter Vorwurf betrifft den Datenschutz von Personalakten und die fehlende Möglichkeit der Akteneinsicht für die Ansprechpersonen.

Panorama von Augsburg
Panorama von Augsburg (Foto von hoch3media auf Unsplash)

Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen erläutern Angelika Hauser und Rupert Membarth ihre Kritik, das Bistum Augsburg reagierte mit einer Stellungnahme. Damit lässt sich immerhin die datenschutzrechtliche Seite beurteilen.

Die Kritik: Keine Akteneinsicht für Ansprechpersonen

Im Interview ist der Sachverhalt nur sehr knapp geschildert: »Uns Missbrauchsbeauftragten wurde beispielsweise die Möglichkeit genommen, die Personalakten beschuldigter Kleriker einzusehen. Dies wäre jedoch wichtig gewesen, um zu einer seriösen Plausibilitätseinschätzung von Vorwürfen Betroffener zu kommen«, sagt Hauser. Per E-Mail sei mitgeteilt worden, dass dies aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich sei. Auf unseren Widerspruch sei bis heute nicht reagiert worden.« Weitere Details zu Datenschutzfragen sind von den Ansprechpersonen nicht bekannt.

Die Reaktion des Bistums: Personalaktenordnung sieht nur Auskunftsrecht vor

Die Diözese Augsburg äußert sich in seiner Mitteilung verhältnismäßig ausführlich zu Datenschutzfragen und verweist auf die geltende Rechtslage: die bundesweit einheitlich geltende Personalaktenordnung.

Das Bistum sei »grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften aus den Personalakten an die unabhängigen Ansprechpersonen im Rahmen deren Plausibilitätsprüfung beschränkt« und müsse streng zwischen Akteneinsicht und Aktenauskunft trennen. In der Pressemitteilung verteidigt das Bistum sein Vorgehen: »Die Einhaltung der neuen datenschutzrechtlichen Vorgaben mag zwar unpopulär sein. In der Realität dient diese aber vor allem dem Interesse und dem Schutz der Opfer. Denn jede Abweichung von der gültigen Rechtslage könnte nicht nur rechtlich angefochten werden, sondern bis hin zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Für das Bistum Augsburg gilt daher: Opferschutz vor Popularität.«

Neben dem Streit um Akteneinsicht scheint es auch Probleme mit der Verpflichtung der Ansprechpersonen auf das Datengeheimnis und Vereinbarungen zum Datenschutz gegeben zu haben.

Die Rechtslage nach Interventions- und Personalaktenordnung

Für eine Einsicht in Personalakten braucht es – wie für jede Datenverarbeitung – eine Rechtsgrundlage. Angesichts der Sensibilität von Personalakten und der Fürsorgepflicht des Dienstnehmers seinen Beschäftigten gegenüber kommen allein aus dem Datenschutzrecht dafür nur eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person (im datenschutzrechtlichen Sinn, also gegebenenfalls der beschuldigten Person) oder eine gesetzliche Erlaubnisnorm in Frage.

Rechtsgrundlage für die Ansprechpersonen ist die Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst (Interventionsordnung) (in Augsburg im Amtsblatt Nr. 7 2022 in Kraft gesetzt). Die Hauptaufgabe der Ansprechpersonen ist es, Hinweise auf sexualisierte Gewalt entgegenzunehmen, außerdem gehören sie dem ständigen Beraterstab des Bischofs an. Sie sind für eine erste Bewertung einer Meldung auf Plausibilität zuständig, beim Gespräch mit Betroffenen und der eventuellen Anhörung von Beschuldigten anwesend, grundsätzlich sind sie auch dafür zuständig, Betroffene über getroffene Maßnahmen zu informieren.

In der Interventionsordnung gibt es für die Ansprechpersonen keine besonderen Auskunfts- und Einsichtsrechte in Personalakten, die dort definierten Aufgaben scheinen auch keine entsprechenden Befugnisse zu begründen oder erforderlich zu machen, die über ein Auskunftsrecht hinausgehen. (Offensichtlich sehen es die Ansprechpersonen anders, da sie Akteneinsicht für erforderlich halten.) Nr. 61 regelt, dass Auskunfts- und Einsichtsrechte sich nach den jeweils geltenden rechtlichen Vorschriften bestimmen. Spätestens damit wird die Begründung einer Erforderlichkeit von Einsicht aus der Interventionsordnung heraus schwierig.

Einschlägig für die Auskunft und Einsicht bei Personalakten ist die Personalaktenordnung, die zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist. Die Personalaktenordnung sieht in ihrem § 15 ein Auskunftsrecht für Dritte für die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder für den Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen der Dritten vor, aber ausdrücklich kein Akteneinsichtsrecht.

Die Musternorm zur Personalakteneinsicht regelt Akteneinsicht nur für Aufarbeitungskommissionen, je nach Bistum werden auch noch Forschung und Kanzleien erwähnt – nicht aber Ansprechpersonen gemäß Interventionsordnung. Das Bistum Augsburg veröffentlicht sein Amtsblatt nicht online, daher ist nicht ersichtlich, ob diese Ordnung (wie ursprünglich angekündigt) in Kraft gesetzt wurde, in der Normenliste der Aufarbeitungskommission Augsburg taucht nur die Sachakten-Einsichtsnorm auf.

Fazit

Daraus ergibt sich: Die Rechtslage ist – legt man den bekannten Sachverhalt und die bekannte Rechtslage zugrunde – so wie vom Bistum geschildert. Eine Einsicht der Ansprechpersonen ist auf Grundlage der Interventionsordnung nicht erforderlich und im Personalaktenrecht ausdrücklich ausgeschlossen, sofern keine Einwilligung vorliegt.

Der Bischof ist selbst Gesetzgeber. Sowohl die Interventionsordnung als auch das Personalaktenrecht wurden von ihm – wenn auch auf Grundlage eines Musters des Verbands der Diözesen Deutschlands – in Kraft gesetzt. Grundsätzlich wäre es ihm möglich, Bestimmungen für eine Akteneinsicht durch die Ansprechpersonen festzulegen. Das haben die Autor*innen der Interventionsordnung und der Mustereinsichtsnorm nicht für nötig gehalten, und außer in Augsburg sind keine entsprechenden Probleme bekannt.

Daher bleibt aus der Ferne erst einmal festzustellen, dass auf Grundlage der Schilderungen der beiden Seiten datenschutzrechtlich alles korrekt ablief: Ansprechpersonen haben kein Akteneinsichtsrecht. Ob ein solches Recht wünschenswert und sinnvoll ist, ist eine Frage, die politisch geklärt werden muss.

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