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Auskunft und Ausnahmen – Tätigkeitsbericht des BfD EKD 2021/2022

Ungerade Jahre sind evangelische Berichtsjahre. Jetzt liegt der neue Tätigkeitsbericht des BfD EKD für die Jahre 2021 und 2022 vor – und damit noch einmal ein stark von Corona-Maßnahmen geprägter Bericht. Und nicht nur davon: »Menschen erleben die momentanen Zeiten zunehmend als eine krisenhafte Zuspitzung unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Eine Krise folgt auf die andere: Corona-Pandemie, Klimawandel, Krieg in Europa, Energieversorgung und Inflation«, schreibt Michael Jacob in seinem Vorwort: »Da haben es Freiheits- und Grundrechte nicht immer ganz leicht in der gesellschaftlichen und politischen Debatte durchzudringen.«

BfD EKD übergibt EKD-Präses Annette Kurschus seinen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2021 und 2022.
BfD EKD übergibt EKD-Präses Annette Kurschus seinen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2021 und 2022. (Pressebild BfD EKD, Montage)


Diese Ansagen dann im Kleinklein von Zoom, Facebook und Microsoft, Kita-Einbrüchen, CC-Fails und verlorenen USB-Sticks auch deutlich zu machen, ist anspruchsvoll. Es gibt aber doch auch praktische Fälle, in denen Datenschutz als Grundrechtsschutz sehr deutlich wird. Auf der operativen Ebene lohnt sich der Bericht: Er schafft dringend nötige Transparenz über die sonst sehr bedeckte evangelische Kirchengerichtsbarkeit und gibt in vielen Fallbeispielen wichtige Hintergründe zur Praxis des – mangels Kommentar und angesichts wenig Judikatur – immer noch weniger ergründeten DSG-EKD.

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DSG-EKD-Reförmchen – Wochenrückblick KW 45/2022

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Die EKD-Synode hat das DSG-EKD erneut geändert. Anders als bei der letzten Änderung geht es dieses Mal nicht um materielles Datenschutzrecht, sondern um die Finanzierung des Beauftragten für den Datenschutz der EKD: Künftig legt der Rat der EKD auf Vorschlag des EKD-Finanzbeirates die jährlichen Beiträge der Landeskirchen fest, die die Datenschutzaufsicht an den BfD EKD übertragen haben. Bisher hat dies der Finanzbeirat entschieden. »Bei der Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung durch den BfD EKD handelt es sich nicht um eine vertragliche Leistung, sondern um einen einseitig festgelegten Beitrag«, heißt es in der Antragsbegründung. Die Änderung sichere das ab. Sie tritt zum 1. Januar 2023 in Kraft und besteht aus der Ergänzung eines Satzes in § 39 Abs. 3 DSG-EKD: »Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland legt auf Vorschlag des Finanzbeirates der Evangelischen Kirche in Deutschland die jährlichen Beiträge für die Wahrnehmung der Aufsicht nach Satz 1 zweiter Halbsatz fest.«

Auch im der Synode vorgelegten Ratsbericht taucht Datenschutz auf – wer den aktuellen Tätigkeitsbericht 2019/20 des BfD EKD kennt, findet dort kaum Neues. Allerdings gibt es eine klare Ansage: »Kirchen- und diakoniepolitisch ist angestrebt, die Datenschutzaufsicht mittelfristig flächendeckend auf den BfD EKD zu übertragen.« Das zielt in Richtung der Landeskirchen Sachsens und Anhalts und der Diakonischen Werke Mitteldeutschland und Sachsens, die mit dem Datenschutzbeauftragten für Kirche und Diakonie die einzige evangelische Aufsicht unterhalten, bei der noch keine Absicht zur Übertragung an die EKD bekannt ist. (Die Übertragung der Aufsicht der Nordkirche ist beschlossen, die der Kirche der Pfalz geplant.)

Neulich ging es hier um die Frage, ob der Rechtsweg im Ordensdatenschutz auch zum Interdiözesanen Datenschutzgericht führt – auf die theoretische Beantwortung (grundsätzlich ja) folgt nun die praktische: Auf Anfrage teilte die Geschäftsstelle des IDSG mit, dass derzeit ein Fall aus dem Bereich der KDR-OG beim IDSG anhängig ist.

Im frisch erschienenen Tätigkeitsbericht der irischen Datenschutzaufsicht (DPC) für 2021 findet sich leider kein Update zum Umgang mit Löschanfragen bei Taufregistern. Stattdessen widmet sich eine der Fallstudien dem Livestream eines Beerdigungsgottesdienstes. Nach Ansicht der DPC kann dafür ein berechtigtes Interesse als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Im Zuge der Beschwerde hat die Gemeinde aber ihren Umgang mit den Übertragungen verändert: Bessere Datenschutzinformationen, Speicherung der Aufnahme nur wenn das schriftlich verlangt wird, und ein Passwortschutz für die später zur Verfügung gestellte Aufnahme. Explizit wird nicht erwähnt, ob die feststehende Kamera auch Teilnehmende oder nur den Altar erfasst; angesichts der Beschwerde wird man aber annehmen dürfen, dass die Beschwerde aufgrund einer unerwünschten Aufnahme entstanden ist. Anscheinend geht die Aufsicht davon aus, dass hier nicht zu prüfen war, ob mit einem Livestream eines Gottesdienstes besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden. Das wurde im Zuge der Diskussion in Deutschland gelegentlich vertreten.

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Kein Stream beim Synodalen Weg – Einwilligungen sind schuld

Grundsätzlich hat die zweite Synodalversammlung des Synodalen Wegs am vergangenen Wochenende transparent gearbeitet, mit guter Öffentlichkeitsarbeit und umfassender Veröffentlichung von Ergebnissen. Beim Livestream kam es aber gelegentlich zu Aussetzern aus »rechtlichen Gründen«. Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern – das wurde aber schnell korrigiert – auch die (möglicherweise aus zwingenden medizinischen Gründen) remote teilnehmenden Synodalen wurden teilweise von der Beratung ausgeschlossen.

Screenshot aus dem Livestream der zweiten Synodalversammlung: »Gleich geht es weiter. Aus rechtlichen Gründen können Ton und Bild nicht übertragen werden«
So sah es im Livestream aus, wenn nichts zu sehen war. (Screenshot aus dem Livestream der zweiten Synodalversammlung)

Die rechtlichen Gründe liegen darin, wie der Livestream datenschutzrechtlich gestaltet wurde: nämlich mit Einwilligungen der einzelnen Teilnehmenden. Das ist auch hier die scheinbar einfachste, tatsächlich aber schlechteste Rechtsgrundlage, die genau zu solchen Problemen führt. Dabei wäre es eigentlich so einfach, hier eine datenschutzrechtlich saubere Lösung zu wählen, die Teilhabe ermöglicht, auch wenn kein Medienprivileg greift.

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Betroffenenrechte mangelhaft – Tätigkeitsbericht 2020 des Katholischen Datenschutzzentrums NRW

»Corona.« Mit einem Seufzer beginnt das Vorwort des Tätigkeitsberichts des Katholischen Datenschutzzentrums Dortmund für 2020. Die Bericht der Aufsicht für die NRW-Bistümer und den VDD kommt wie die anderen bereits erschienenen Berichte natürlich nicht um das alles beherrschende Thema herum, setzt aber noch einige andere Schwerpunkte: Schrems II und Brexit sind von außen gesetzt. (Und bieten für regelmäßige Leser*innen hier nichts neues.) Eine intensive Auseinandersetzung mit Betroffenenrechten und eine Kita-Querschnittsprüfung sind selbst gewählt.

Titelseite des Tätigkeitsberichts 2020
Fünf Zeilen für den Namen der Behörde. Eine mögliche Umbenennung in KDSA NRW wird im Bericht aber nicht angesprochen.

Im vergangenen Jahr hieß es hier zum Tätigkeitsbericht für 2019 »Die Schonzeit ist vorbei«. Auch in diesem Jahr macht der DDSB deutlich, dass (zum Veröffentlichungszeitraum) nach mehr als drei Jahren KDG nicht mit allzu viel Nachsicht zu rechnen ist. Die großen Bußgeld-Hämmer blieben dennoch aus.

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Hart, härter, kirchlicher Datenschutz?

Der kirchliche Datenschutz gilt als besonders streng – jedenfalls hört man das oft von Anwender*innen. Aber stimmt das eigentlich? Schließlich müssen die eigenen Datenschutzregeln von Religionsgemeinschaften, so sieht es Art. 91 DSGVO vor, »in Einklang« mit den Wertungen der DSGVO stehen. Und während die Deutsche Bischofskonferenz schreibt, dass sie mit einem Unterschied in der Formulierung der Einwilligung nicht strenger, sondern »lediglich konkreter und damit anwenderfreundlicher« sein wollte, sagte der bayerische Diözesandatenschutzbeauftragte Jupp Joachimski, der auch an der Ausarbeitung des KDG mitwirkte, dass die Kirche aufgrund ihres Demokratiedefizits handeln musste: »und deshalb waren wir an manchen Stellen bei der Entwicklung des KDG strenger, um zu zeigen, dass wir bereit sind, solche Defizite auszugleichen«, so Joachimski. Von evangelischer Seite sind keine solche Äußerungen bekannt – aber auch dort hört man selten den Vorwurf, das DSG-EKD sei zu lax.

Stimmt es aber überhaupt, dass die kirchlichen Gesetze im Zweifel strenger sind? Ein genauer Blick fördert Interessantes zu Tage – und einige Regelungen, über die man überraschend wenig in der Praxis hört. An einigen Punkten gibt es deutliche Abweichungen von den Regelungen der DSGVO, die auch das Schutzniveau für betroffene Personen verändern.

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Personalität & Solidarität & Datenschutz – Wochenrückblick KW 48

Die Publizistische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz hat Thesen beschlossen: »Digitalität und Künstliche Intelligenz: Technik im Dienst des Geist-begabten und Selbst-bewussten Menschen«. Als Mitglied der »Expertengruppe Social Media« war ich an der Ausarbeitung beteiligt. Wichtig war mir dabei ein differenzierter Blick auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung, der sich in These 6, »Informationelle Selbstbestimmung und freies Agieren in Öffentlichkeiten sind gegeneinander abzuwägen«, niedergeschlagen hat: Datenschutz darf nicht so ausgestaltet sein, dass (digitale) Öffentlichkeit unmöglich wird. Kommunikation heißt, sich der Öffentlichkeit und anderen Menschen auszusetzen, in Wort und Bild und damit mit personenbezogenen Daten.

»Denn nur so kann die Öffnung auf andere Menschen hin geschehen«, heißt es in den Thesen. Wichtig war es mir, in den Kategorien der katholischen Soziallehre zu argumentieren, die den Menschen weder atomistisch vereinzelt noch totalitär oder utilitaristisch vergemeinschaftet denkt: »Das Personalitätsprinzip steht daher zwangsläufig in Balance zum Solidaritäts- und Gemeinwohlprinzip. Insofern ist bei der Regulierung von personenbezogenen Daten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung so auszugestalten, dass die Regulierung Kommunikation und Vergemeinschaftung nicht zu sehr behindert und die gleichwertigen Grundrechte der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit ebenso zum Tragen kommen.«

Apropos Vergemeinschaftung: Zu Weihnachten sieht das Referat Datenschutz im Erzbistum Freiburg es wieder möglich an, mit kirchlichem Interesse als Rechtsgrundlage für Streaming-Gottesdienste zu argumentieren; zu Beginn der Pandemie wurde noch (wenig überzeugend) argumentiert, dass bei reduzierter Öffentlichkeit Einwilligungen nötig seien. In den Musterdatenschutzinformationen aus Freiburg zu kirchlichen Amtshandlungen findet sich übrigens auch eine sehr gelungene Formulierung der Rechtsgrundlage, die kirchliches Interesse ans Kirchenrecht rückbindet: »Fotografien bei Erstkommunionfeiern und Firmungen und deren Veröffentlichung im Pfarrblatt und/ oder der homepage der Kirchengemeinde erfolgen im Rahmen des Verkündigungsdienstes gem. CIC-1983, Can. Nr. 761 und damit auf einer rechtlichen Grundlage gem. § 6 Abs. 1 lit. f KDG

Und apropos Dienstgemeinschaft: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat nun eine Rechtsgrundlage für die Publikation von Personalnachrichten im Kirchlichen Amtsblatt geschaffen.

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Fünf gute Gründe gegen die Einwilligung

Datenschutz ist gleich Einwilligung – das dürfte das hartnäckigste Datenschutz-Missverständnis sein. Das ist keine Überraschung: Selten wird Datenschutz so sichtbar wie bei der Einwilligung in eine Datenverarbeitung; eine Unterschrift, um etwas zu erlauben, ist intuitiv und ohne größere Rechtskenntnis verständlich – und wer als Verantwortliche*r eine Unterschrift einholt, hat das gute Gefühl, sich um den Datenschutz gekümmert zu haben.

Das Problem: Meistens sind Einwilligungen gar nicht nötig, oft schaffen sie neue Probleme, und manchmal sorgen sie sogar für erhebliche Rechtsunsicherheit – und unfair sind sie gelegentlich auch noch. Auch wenn die Einwilligung weit vorne bei den Rechtsgrundlagen steht – eigentlich sollte sie viel eher die letzte Auffangmöglichkeit sein, wenn keine andere Rechtfertigung für eine Datenverarbeitung greift – warum das so ist und wie es besser geht, zeigt dieser Artikel.

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