Medienprivileg für Gemeindebrief und Pfarrblatt?

Am Freitag hat der Beauftragte für den Datenschutz der EKD festgestellt, dass das Medienprivileg aus § 51 DSG-EKD nicht für Gemeindebriefe gilt – und zwar kategorisch, nicht einmal ein »grundsätzlich« steht in der Stellungnahme. Damit wäre das Datenschutzrecht voll anzuwenden – mit allen Konsequenzen. Zuvor war nur auf katholischer Seite eine Position der Deutschen Bischofskonferenz bekannt, die die Sache deutlich entspannter darstellt. Betrachtet man die jeweiligen Positionen im Detail, stellen sich bei beiden deutliche Anfragen: Die eine scheint zu eng, die andere zu weit. Was tun?

Was bewirkt das Medienprivileg?

Das Medienprivileg (§ 51 DSG-EKD und § 55 KDG in Ausgestaltung von Art. 85 DSGVO) soll sicherstellen, dass die Pressefreiheit nicht durch das Datenschutzrecht ausgehebelt wird: Insbesondere die umfangreichen Informationspflichten und Rechte der Betroffenen, die das Datenschutzrecht sonst vorsieht, gibt es für journalistische Inhalte nicht.

Sowohl DSG-EKD wie KDG übernehmen für ihre Gestaltung des Medienprivilegs die Formulierung des § 41 des alten Bundesdatenschutzgesetzes: »Soweit personenbezogene Daten von kirchlichen Stellen ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken verarbeitet werden« (Formulierung des KDG), gelten nur wenige Paragraphen des jeweiligen Gesetzes. (Im KDG sind es wie im BDSG-alt die Normen zum Datengeheimnis, technischen und organisatorischen Maßnahmen und Haftung und Schadensersatz, im DSG-EKD abweichend davon die zu Offenlegung an kirchliche oder öffentliche Stellen, Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, Widerspruchsrecht, Datengeheimnis und Schadensersatz durch verantwortliche Stellen; es verwundert, dass die technischen und organisatorischen Maßnahmen fehlen. Die Aufnahme von Betroffenenrechten setzt dagegen die von der Datenschutzkonferenz geforderte Beachtung von Transparenzrechten und Interventionsmöglichkeiten auch unter Geltung des Medienprivilegs besser um.)

Das bedeutet umgekehrt: Wo kein Medienprivileg gilt, ist das Datenschutzrecht voll anzuwenden.

Für wen gilt das Medienprivileg?

Die DSGVO selbst sagt dazu in Art. 85 wenig, der zugehörige Erwägungsgrund 153 führt aus: »Um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen, müssen Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, weit ausgelegt werden.«

Zum Medienprivileg gibt es zwei höchstrichterliche Urteile, die von der DBK und dem DSB-EKD angeführt werden. Während die DBK auf das Spickmich-Urteil des Bundesgerichtshofs verweist, nimmt der DSB-EKD auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts Bezug.

Grundsätzlich ergeben sich für die Anwendbarkeit des Medienprivilegs daraus mehrere Kriterien:

  • Das Medienprivileg gilt für die Presse im weiteren Sinn, auch freie Journalist*innen und Blogger*innen sind erfasst.
  • »Journalistisch-redaktionell« ist eine Veröffentlichung, »wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur schmückendes Beiwerk ist« und sie sich an die Öffentlichkeit oder einen unbestimmten Personenkreis richtet.
  • Für »Kunden-, Werks-, Partei- und Vereinspublikationen« kann das Medienprivileg Anwendung finden – »wenn die für die Publikationen zuständige Abteilung organisatorisch selbständig ist[…]. Tauglicher Adressat des Medienprivilegs nach nationalem Recht sind daher nur organisatorisch in sich geschlossene, gegenüber den sonstigen (betrieblichen) Stellen abgeschottete, in der redaktionellen Tätigkeit autonome Organisationseinheiten[…]« (BVerwG 2015; 2019 hat dasselbe Gericht die Grenzen aber tendenziell noch enger gezogen: »der publizistische Zweck der Äußerung und Verbreitung von Meinungen und Informationen darf aber nicht außerpublizistischen Geschäftszwecken untergeordnet sein«. )

Kirchenamtliche Bewertungen

Der Beauftragte für den Datenschutz der EKD verneint für Gemeindebriefe die beiden Kernkriterien: Weder werde der Zweck verfolgt, »Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten«, noch richte er sich an die Öffentlichkeit, da er »lediglich der Information der Gemeindemitglieder« diene. In dieser Pauschalität überzeugt das nicht unbedingt: Für den klassischen Wochenzettel, der Veranstaltungen und anderes Gemeindegeschehen abmeldet, trifft die Entscheidung wohl zu. Das trägt aber den zunehmend ambitionierten und qualitativ hochwertigen Publikationen von Gemeinden nicht Rechnung, die weit mehr als einen Terminkalender liefern. Spätestens mit einer Verbreitung über das Internet dürfte auch eine größere Zielgruppe angenommen werden; im katholischen Bereich sind einer Studie von 2014 zufolge 22 Prozent der Pfarrbriefe an alle Haushalte verteilt worden. Schwierig ist allerdings das strenge Kriterium der »abgeschotteten, autonomen Organisationseinheit«, aber auch das kann gegeben sein, wenn ein (ehrenamtliches) spezialisiertes Team für den Gemeindebrief zuständig ist.

Die FAQ-Liste der Bischofskonferenz gibt sich liberaler – die Liste hat aber keine Rechtsverbindlichkeit, sondern stellt eine für Aufsicht und Gerichte unverbindliche Meinungsäußerung dar, auch wenn sie von einer Vertreterin der Gesetzgeber kommt. Hier wird die Anwendbarkeit des Medienprivilegs für Pfarrbriefe für »nicht ausgeschlossen« gehalten. Zudem sollen sogar »Kerntätigkeiten der kirchlichen Pressestellen« in der Regel unters Medienprivileg fallen – wenig überzeugend angesichts der auftragsgemäß gerade fehlenden Abschottung einer Pressestelle vom Rest der Organisation. Pressestellen sind gerade nicht autonom, sondern abhängiges Sprachrohr der Organisation. Zu diesem Schluss kommt auch Christian W. Eggers: »Für die Abteilungen der Öffentlichkeitsarbeit und insbesondere für das Marketing von Unternehmen und Vereinen, die auf ihren Websites redaktionelle Beiträge veröffentlichen, wird sich ein Medienprivileg leider nicht begründen lassen.« (Quick Guide Bildrechte, S. 180 (Affiliate Link))

Nach Ansicht der DBK soll »beitragsbezogen« beurteilt werden, ob eine Veröffentlichung einer kirchlichen Stelle dem Medienprivileg unterfällt – wie das mit der Anforderung einer organisatorisch abgeschotteten Einheit zu vereinbaren ist, wird nicht ausgeführt. (Außerhalb der FAQ-Liste ist mir die Position eines beitragsbezogenen Medienprivilegs nirgends untergekommen.) Ebensowenig wie beim DSB-EKD wird auf die Problematik der öffentlich-rechtlich organisierten kirchlichen Stellen eingegangen und ob sich für sie andere Ergebnisse ergeben als für privatrechtlich organisierte – staatliche Behörden können sich nicht auf Grundrechte berufen.

Ist das überzeugend?

Im Ergebnis sind beide Positionen nicht vollständig überzeugend und wohl vor allem aus der jeweiligen Interessenslage zu verstehen: Die DSB-EKD-Stellungnahme maximiert den Handlungsspielraum der Aufsicht, die DBK-Auslegung kommt von einer Organisation, die für ihre eigene Pressestelle (und die der von ihr vertretenen Bistümer) ein großes Interesse an der teilweisen Geltung des Medienprivilegs hat.

Die Position der DBK ist sicher zu begrüßen, erkennt sie doch an, dass in einer medialen Öffentlichkeit nicht nur die klassische Presse eine rechtliche Grundlage für Veröffentlichungen braucht, die nicht jedesmal hinter dem Datenschutz zurückstecken muss. Es ist nur fraglich, ob das auf Grundlage der geltenden Gesetze so haltbar ist – und wie eine beitragsbezogene Bewertung und die damit wohl zu verbindende Trennung von Datenbeständen in der Praxis zu realisieren wäre. (Zur grundsätzlichen Kritik am engen Medienprivileg Jan Mönikes: »Datenschutz-Grundverordnung: Das Ende der modernen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (wie wir sie kennen)«) Die Position des EKD-Datenschutzbeauftragten scheint zu eng, auch die strikten Kriterien der angeführten Urteile sollten sich für manche gemeindliche Publikationen erfüllen lassen. Dennoch: Gerade mit der neueren Rechtssprechung des BVerwG schlägt die Nadel wohl eher Richtung DSB-EKD als Richtung DBK-FAQ.

Die Formulierung der DSGVO jedenfalls ließe wohl genug Spielraum für eine Regelung wie von der DBK skizziert. (»Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang.«) Solange die kirchlichen Datenschutzgesetze nicht geändert werden, bräuchte es dafür aber eine Korrektur der Höchstgerichte, wohl durch das Bundesverfassungsgericht.

Was heißt das für die Praxis?

Versuchen, die Kriterien für das Medienprivileg zu erfüllen

In der Regel dürfte bei Publikationen kirchlicher Stellen wie Gemeinden und Verbänden das Presseprivileg nicht greifen. Um die Kriterien der Gerichte doch zu erfüllen, sollte insbesondere überprüft werden, inwiefern man seinen Kanälen die notwendige Autonomie zugesteht und eine allgemeine Öffentlichkeit als Zielgruppe erreicht – der enge rechtliche Rahmen kann so sogar produktiv gemacht werden, wenn sich Publikationen nicht nur auf einen inneren Kreis der Gemeindemitglieder beschränken dürfen und man auf eine enge Kontrolle durch Gemeindeleitung und -gremien verzichtet. Im besten Fall macht das den Gemeindebrief lebendiger, interessanter, relevanter, diskursiver – und vielleicht sogar missionarischer.

Datenschutzrecht anwenden – aber richtig

Greift das Medienprivileg nicht, greift das Datenschutzrecht. Entgegen der üblichen Einschätzung ist dabei die größte Hürde nicht die Veröffentlichung selbst: Es braucht keineswegs für jede Veröffentlichung die Einwilligung aller erwähnten und abgebildeten Personen – in der Regel dürfte die richtige Rechtsgrundlage das berechtigte (bzw. bei Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlich organisierten Stellen kirchliche) Interesse sein (§ 6 Abs. 1 lit. f), g) KDG und § 6 Nr. 4, 8 DSG-EKD)) – diese Meinung vertritt für das weltliche Recht etwa auch der Bayerische Landesdatenschutzbeauftragte in seinem Ratgeber »Bilder und Verein«. (Leider vertritt der EKD-DSB in seiner Vereins-FAQ wieder einmal eine extrem strenge Position, die nur Einwilligungen gelten lassen will.)

Schwieriger ist es, alle Informationspflichten und Betroffenenrechte zu erfüllen; insbesondere bei der Rechtsgrundlage »berechtigtes Interesse« ein (bedingtes) Widerspruchsrecht, bei Einwilligungen ein (unbedingtes) Widerrufsrecht. Welche Informationen nötig sind, steht auch kompakt im schon erwähnten bayerischen Ratgeber. Diese Informationen sollten in der Publikation zu finden oder verlinkt sein.

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