Schlagwort-Archive: Grundrechte

Fünf Jahre KDG – Interview mit dem Vorsitzenden der katholischen DSK Matthias Ullrich

Am 24. Mai ist das Gesetz über den kirchlichen Datenschutz fünf Jahre in Kraft. Nach einiger Aufregung zu Beginn hat sich der Datenschutz in der katholischen Kirche nun eingespielt. Viele Aufregerthemen wie Social Media und Messenger sind in der Praxis gar nicht so konfliktträchtig wie ursprünglich gedacht.

Porträtfoto von Matthias Ullrich vor dem Logo der KDSA Ost
Matthias Ullrich leitet die KDSA Ost und ist damit Diözesandatenschutzbeauftragter für die fünf ostdeutschen Bistümer und das Militärbischofsamt. 2023 steht er der Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten vor.

Für den Vorsitzenden der katholischen Datenschutzkonferenz, Matthias Ullrich, ist das KDG ein Solitär im kirchlichen Recht: Nirgends sonst geben Bischöfe so viel Macht an unabhängige Behörden ab. Im Interview erzählt er, wie er mit einem widerspenstigen Bistum umgeht – und warum Datenschutz für ihn eine politische Mission ist.

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Ein Bistum ohne Datenschutz – Tätigkeitsbericht 2022 der KDSA Ost

Bei der KDSA Ost darf man sich jedes Jahr auf klare grundrechtliche Ansagen ebenso wie ausführliche Berichte aus dem prallen kirchlichen (Datenschutz-)Leben freuen. So nimmt auch der jetzt erschienene Tätigkeitsbericht für 2022 wieder diese Perspektiven ein.

Tätigkeitsbericht der KDSA Ost 2022

Geprüft wurden vor allem Kitas und Pfarreien, und während in den meisten anderen Berichten kirchlicher Aufsichten das allgemeine Datenschutzbewusstsein gelobt wird, findet der Diözesandatenschutzbeauftragte Matthias Ullrich eine Diözese, in der sich Pfarreien so gut wie gar nicht um das geltende Recht scheren.

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Transparenzoffensive in Bayern und Aachen – Wochenrückblick KW 5/2023

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Zum Europäischen Datenschutztag gab es nur eine Äußerung aus der Kirche: Als einziger meldete sich der BfD EKD am Tag selbst zu Wort. Michael Jacob kündigte an, dass sein Schwerpunkt in diesem Jahr auf der Diakonie liegen soll: »Die Diakonie ist sich seit jeher dieser großen Verantwortung beim Umgang mit Gesundheitsdaten bewusst und lebt den kirchlichen Datenschutz in all ihren Einrichtungen und Werken! Zukünftig wollen wir als BfD EKD die Diakonie beim Datenschutz noch stärker als bisher unterstützen und uns ihren Anliegen widmen.« Neben Beratung und Weiterbildung gehört auch die schon zuvor angekündigte Schwerpunktprüfung in evangelischen Krankenhäusern zu den geplanten Maßnahmen.

Es geht voran mit den Amtsblättern! Das Bistum Aachen, das Bistum Eichstätt und das Erzbistum München und Freising veröffentlichen ab diesem Jahrgang ihr Amtsblatt auch online – ein wenig aufwendiger, aber wirkungsvoller Schritt, um kirchliches Regieren und Verwalten transparent zu machen. Bislang von mir unbemerkt hat in jüngerer Vergangenheit auch das Erzbistum Bamberg das Amtsblatt online gestellt, und zwar auch rückwirkend. Damit gibt es nur noch vier Diözesen, in denen sich Gesetzgebung nicht einfach online nachvollziehen lässt: Augsburg, Erfurt, Mainz sowie das Katholische Militärbischofsamt. Auf evangelischer Seite sieht es besser aus: Da ist nur die bayerische Landeskirche derart intransparent.

In der aktuellen Herder-Korrespondenz befasst sich der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing mit der neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Dabei geht es ihm auch um die Frage, ob Whistleblowing mit dem kirchlichen Verständnis von Dienstgemeinschaft zu vereinbaren ist. Er erläutert die Frage am Beispiel von Hildegard Dahm, die öffentlich Kardinal Rainer Maria Woelki mit Blick auf seine Kenntnis von Missbrauchsfällen belastet hatte. Thüsing kommt zu dem Schluss, dass Whistleblower-Schutz nicht im Gegensatz zur Dienstgemeinschaft steht: »Aber verhält sich die Frau, die seit Längerem in anderer, leitender Funktion für das Erzbistum tätig ist, wirklich illoyal? Ist eine Frau illoyal, die betont, es sei ihr nie in den Sinn gekommen, auszutreten? Eine Frau, die mit ihrem Gang an die Öffentlichkeit in der Tat etwas riskiert hat, eben weil ihr die Kirche am Herzen liegt?« Daher begrüßt Thüsing, dass das Erzbistum am Ende doch noch auf arbeitsrechtliche Schritte verzichtet hat. Das kirchliche Profil einer Einrichtung zeige sich, so der Arbeitsrechtler mit Verweis auf die Erläuterungen zur neuen Grundordnung, auch im Umgang mit den Mitarbeitern durch den Arbeitgeber. Aus anderer Richtung in eine ähnliche Kerbe schlug diese Woche auch der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister bei Feinschwarz.

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Kein Recht auf Vergessen für Bischof Küng

Der emeritierte St. Pöltener Bischof Klaus Küng hatte vor dem Oberlandesgericht Wien (Beschluss vom 14. 12. 2021 – AZ 18 Bs 309/21d; nicht online)  keinen Erfolg: Von ihm monierte Passagen in Wolfgang F. Rothes Buch »Missbrauchte Kirche«(Affiliate link) über Aussagen zu seiner angeblichen (und von ihm bestrittenen) Homosexualität verletzen den höchstpersönlichen Lebensbereich des Bischofs nicht in einer Weise, die geeignet wäre,  ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen (so die Formulierung im österreichischen Mediengesetz).

Cover von Rothe: Missbrauchte Kirche
Um dieses Buch drehte sich der Rechtsstreit. (Bildquelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Der Fall hat auch eine datenschutzrechtliche Facette – wenn auch keine des kirchlichen Datenschutzes (das Datenschutzdekret der Österreichischen Bischofskonferenz war in dem Verfahren zwischen Küng und der Verlagsgruppe Droemer Knaur nicht einschlägig): Hat Bischof Küng ein Recht auf Vergessenwerden in Bezug auf ein 25 Jahre altes Ereignis der österreichischen Zeitgeschichte?

(Die allgemeine Gemengelage schildern die Süddeutsche, die zuerst berichtet hatte, und ich auf katholisch.de)

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Grundrechte für Kirchen, Personalakten für Aufarbeitung – Wochenrückblick KW 2/2022

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In der aktuellen »Zeitschrift für Arbeitsrecht und Tarifpolitik in kirchlichen Unternehmen« (ZAT 6/2021, S. 198–203) hat Thomas Ritter einen Aufsatz zur Grundrechtsberechtigung der Kirchen und ihrer Einrichtungen im Bereich des Datenschutzes veröffentlicht. Der Aufsatz arbeitet heraus, ob und auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage von Kirchen Grundrechte und insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht werden können. Das klingt zunächst sehr akademisch, im allerletzten Punkt zeigt sich, warum die theoretischen Überlegungen gerade jetzt mit Blick auf den Streit kleinerer Religionsgemeinschaften mit Datenschutzaufsichten sehr hohe praktische Relevanz haben: »In seiner Ausprägung als Abwehrrecht wirken kann das Grundrecht der Kirchen auf informationelle Selbstbestimmung wegen grundrechtstypischer Gefährdungslage zB im Rahmen des Art. 91 DS-GVO im Falle von Versuchen, das Recht der Kirchen auf Errichtung einer eigenen Datenschutzaufsicht, auf Errichtung einer eigenen Datenschutzgerichtsbarkeit oder des Erlasses eigener Datenschutzgesetze oder -ordnungen wie zB dem KDG, der KDG-DVO oder der KDSGO zu beschneiden«, schließt Ritter.

Bei katholisch.de habe ich mich in dieser Woche noch einmal intensiv mit der Personalaktenordnung befasst. Neben den hier schon angeführten Einschätzungen von Martin Rehak und Rüdiger Althaus liegt ein Schwerpunkt auf der Betroffenenperspektive: Johannes Norpoth aus dem Sprecherteam des DBK-Betroffenenbeirats hat mir einige Einschätzungen gegeben – Norpoth ist selbst als betrieblicher Datenschutzbeauftragter tätig und daher mit der Materie und den Grenzen der Regelungsmöglichkeiten vertraut. Sein Fazit: »Ich hoffe, dass es keine Diskrepanz gibt zwischen dem, was im kirchlichen Amtsblatt steht, und dem, was eine bischöfliche Personalverwaltung tatsächlich macht. Wenn die Personalaktenordnung nicht umgesetzt wird, bringt sie nichts. Es besteht aber die Chance, dass diese Regelung zur Initialzündung für eine professionelle Personalarbeit wird.«

Auf Twitter wurde eine weitere Entscheidung eines staatlichen Gerichts angekündigt, die mit kirchlichem Datenschutz zu tun hat: Im Urteil des AG Pankow vom 10. Januar 2022, Az. 4C27/21, soll es um Auskunftsansprüche gegen kirchliche Träger gehen. Viele Details sind noch nicht bekannt, die Entscheidung ist noch nicht veröffentlicht. Laut den beiden Tweets eines Verfahrensbeteiligten scheint es um die altbekannte Frage danach zu gehen, ob das Datenschutzrecht die Kostenerstattungspflicht für die Abschriften von Patient*innenakten aus § 630g BGB aushebelt.

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Evaluieren und impfen – Wochenrückblick KW 5/2021

Noch ist nicht viel bekannt über die Evaluierung des Gesetzes über den kirchlichen Datenschutz (KDG) – zwar hat der bayerische Diözesandatenschutzbeauftragte in seinem Bericht und im Interview schon einige Punkte verraten. Ob und wie eine größere Beteiligung geplant ist, wurde dagegen noch nicht bekannt gegeben. Deshalb nimmt die Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP) das jetzt selbst in die Hand. (Ich bin dort im Vorstand und koordiniere das Projekt.) Bis zum 28. Februar sind Mitglieder und weitere interessierte eingeladen, sich an einer Stellungnahme zu beteiligen. Schwerpunkte dabei sind der Medienbereich (Bildrechte, Medienprivileg, Streaming) und die Anwendung in Vereinen und Verbänden. Die Stellungnahme kann für liberalere Freund*innen des Drittstaatentransfers direkt auf Google Docs kommentiert werden, ansonsten per Mail.

Auch die katholische Datenschutzkonferenz hat gearbeitet: Sie hat sich in einem noch nicht im Volltext verfügbaren Beschluss mit der Frage auseinandergesetzt, ob Dienstgeber*innen von Beschäftigen Corona-Impfnachweise verlangen dürfen. Das Ergebnis: Vorerst nicht, da noch nicht bekannt ist, ob eine Impfung auch Übertragungen verhindert. Ein Interesse am Impfstatus bestehe für Dienstgeber*innen aber nur mit Blick auf die Gefährdung von Dritten. »Wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass eine Impfung nicht nur Geimpfte schützt, sondern darüber hinaus auch eine Weitergabe des Virus ausschließt, ist über diese Frage ggf. neu zu entscheiden«, so die KDSA Ost.

Außerhalb der katholischen Kirche war der Brexit Thema: Während der evangelische Beauftragte für den Datenschutz noch einmal die aktuellen Entwicklungen rekapitulierte, wurde mir nun auch die Position des alt-katholischen Bistumsdatenschutzbeauftragten bekannt: Anders als seine römisch-katholischen Kolleg*innen lässt er keine UK-Auftragsverarbeitung während der Übergangsphase zu. (Möglicherweise ist die Mitteilung schon länger online – mir ist sie zuerst am Donnerstag aufgefallen.)

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