Seelsorge, Beschaffung und Exchange-Apokalypse – Wochenrückblick KW 10/2021

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»Digitale Seelsorge: Sicher und nah? Geht das überhaupt?«, fragt Ralf Peter Reimann auf Theonet. Mit vielen Beispielen aus der teilweise schon jahrzehntelang bestehenden Praxis zeigt er in seinem lesenswerten Grundsatzartikel zu digitaler Seelsorge ein Dilemma der Seelsorge auf, die digital bei den Menschen ist: Da wo die Leute sind, sind in der Regel nicht die für Seelsorge notwendige sichere Rahmenbedingungen vorhanden, und die Leute in kirchliche sichere Plattformen zu bekommen, ist schwer genug, und dann gibt es noch mehr Hürden: »sie erfüllen die vom EKD-Datenschutzgesetz und -Seelsorgegeheimnisgesetz geforderten Voraussetzungen, aber ihnen fehlt die Reichweite, Interessierte müssen sie gezielt suchen. Oft entspricht auch die User Experience und die Benutzeroberfläche nicht den sonst im Web gewohnten Standards, so dass deren Nutzung auf mobilen Endgeräten z.B. bei chatseelsorge.de schwierig ist«, so Reimann.

Das Dilemma aus Nutzungsfreundlichkeit, ethischen Prinzipien und Zugänglichkeit war auch Thema bei der Tagung »Kirche im Web«, wo Markus Beckedahl die Keynote gehalten hat. Sein Plädoyer für Kirchen: Nicht notwendig aus allen großen Netzwerken raushalten – aber eben auch zusätzlich die sicheren und dezentralen Kanäle ausprobieren. Und: Die Kirche hat eine große Marktmacht – die könnte sie in open-source-freundlichen Beschaffungsrichtlinien zur Gestaltung der freien Infrastruktur nutzen. Mehr dazu schreibt Benedikt Heider auf katholisch.de. Im Barcamp gab es auch eine sehr interessante Session zu Open-Source-Projekten in der Kirche wie das von mehreren Bistümern gemeinsam betriebene Communicare – das ist dort durchaus Thema. Die großen Probleme: mangelnde Akzeptanz, ungewohnte Oberflächen, Bequemlichkeit in der Beschaffung – und schwierige Kooperationen in den Bistümern.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine Rechtssammlung zum kirchlichen Datenschutzrecht veröffentlicht (digital und als Broschüre). Kompakt stellt es die bundeseinheitlichen Gesetze zusammen (aber nur die katholischen, die ökumenische Rechtssammlung von Golland lohnt sich immer noch). Aus dem Vorwort und der Einleitung erfährt man auch, dass die Evaluierung des KDG nicht sofort Früchte tragen wird, wenn die dreijährige Frist ab Inkrafttreten im Mai erreicht wird: »Vor diesem Hintergrund ist mit einer Gesetzesänderung innerhalb der nächsten drei Jahre zu rechnen.«

Ansonsten war die große Exchange-Apokalypse Thema – auch bei den kirchlichen Aufsichten. Sowohl die Dortmunder wie die EKD-Aufsicht weisen auf’s BSI dazu hin, beide bitten, nicht voreilig Pannen zu melden: »Von einer – vorsorglichen – Meldung einer Datenschutzverletzung nach § 32 DSG-EKD/§ 33 KDG bitten wir solange abzusehen, bis eine tatsächliche Verletzung festgestellt wurde.«

Auf Artikel 91

Aus der Welt

  • Eine Übersicht über die Reaktionen der Datenschutzaufsichten und praktische Handlungsempfehlungen zur »Hafnium-«Schwachstelle in Exchange gibt’s bei Reusch-Law .
  • Paul Klimpel bürstet das Volkszählungs-Urteil gegen den Strich: »Wer unsicher ist, ob sein Umgang mit Personendaten, auch der unbewusste, belanglose oder alltägliche, gegen ein schwer überschaubares Geflecht an Vorschriften verstößt, darunter auch rein formale Vorgaben, wird versuchen, den Umgang mit personenbezogenen Daten in sozialen Kommunikationszusammenhängen zu vermeiden. Dies beeinträchtigt nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen, sondern auch das Gemeinwohl, weil soziale Interaktion, öffentliche Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Selbstbestimmung elementare Funktionsbedingungen eines auf der Mitwirkung seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens sind« – ein so lesenswerter wir provokativer Essay.
  • In der Beck-Community geht es um das TTDSG, das deutsche Surrogat für die ePrivacy-Richtlinie, den BER der Netzpolitik. Axel Spiess stellt einige Anmerkungen zur Frage, wie Cookie-Einwilligungen geregelt werden sollten, vor.

Kirchenamtliches

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