Schlagwort-Archive: Kirchenrecht

Quellen des Ärgers – Wochenrückblick KW 43/2022

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Die Google-Fonts-Abmahnungen beschäftigen auch kirchliche Stellen. Die Rechtsabteilung des Bistums Osnabrück warnt vor Schadensersatzforderungen. In der Warnung wird darauf hingewiesen, dass eine dynamische Einbindung dann datenschutzrechtlich problematisch sein kann, »wenn kein zusätzliches Consent-Tool eingesetzt wird«. Von einer Bezahlung wird abgeraten: »Angesichts der Häufung derartiger Abmahnungen handelt es sich um ein unzulässiges und damit rechtsmissbräuchliches Vorgehen«, so die Rechtsabteilung. Im Erzbistum Freiburg weist die Datenschutzabteilung darauf hin, dass das bistumseigene CMS Sesam Google-Fonts lokal und damit datenschutzkonform einbindet – was eine Kanzlei nicht von einer (unbegründeten) Abmahnung abhielt, und auch das Bistum Speyer warnt. Nicht nur Deutschland ist betroffen: Schon im September hatte die österreichische Diözese St. Pölten vor entsprechenden Massenanschreiben einer österreichischen Kanzlei gewarnt.

Ein anderer Google-Dienst ist datenschutzkonform einsetzbar: »Da die Google Search Console keine personenbezogenen Daten verarbeitet, ist die Nutzung dieser Konsole datenschutzrechtlich unbedenklich, so der EKD-Datenschutzbeauftrage auf Nachfrage«, findet man bei Ralf Peter Reimanns Einblicken in die Analyse der Webseiten der Evangelischen Kirche im Rheinland. Damit auch im Backend der Datenschutz gewahrt wird, sollte man allerdings für den Zugang keine personalisierten Accounts verwenden.

In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht befasst sich der Thüringer Landesdatenschutzbeauftragte mit der Vorlage von Kontoauszügen beim Jobcenter und der Zulässigkeit von Schwärzungen. Das Schwärzen von einzelnen Buchungen könne dem Antragsteller nicht grundsätzlich verwehrt werden, betont der TLfDI. Grundsätzlich zulässig sei es, wenn die Buchungstexte Angaben über besonders geschützte Daten enthielten: »Dazu zählen Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Beispielsweise kann bei Überweisungen von Mitgliedsbeiträgen an eine Partei oder bei Zahlungen an eine Religionsgemeinschaft die Bezeichnung der Organisation geschwärzt werden«, heißt es im Bericht. Nicht geschwärzt werden solle bei den einzelnen Buchungen aber, dass es sich um Mitgliedsbeiträge oder Spenden handelt.

Bei katholisch.de habe ich über zunehmende Ransomware-Angriffe auf kirchliche Einrichtungen berichtet. Zu Wort kommt neben der Caritas München auch der Vorsitzende der Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten.

In der aktuellen Ausgabe von Theologie und Glaube hat der Paderborner Kirchenrechtler Rüdiger Althaus einen Beitrag zu geistlichem Missbrauch veröffentlicht. Darin widmet er sich auch der Bedeutung des Datenschutzkanons can. 220 CIC beim Schutz von Persönlichkeitsrechten und Intimsphäre. (Open access, aber nicht direkt verlinkbar, S. 320f.)

In der Regel verhandeln die kirchlichen Datenschutzgerichte ohne mündlichen Termin. Die erste mündliche Verhandlung überhaupt findet an diesem Freitag um 13 Uhr statt. Gegen die Entscheidung des IDSG im Zusammenhang mit der Visitation der Katholischen Integrierten Gemeinde (IDSG 03/2020) wurden Rechtsmittel eingelegt (Aktenzeichen DSG-DBK 02/2022), über die das DSG-DBK jetzt zu entscheiden hat. Obwohl die KDSGO dazu keine Regelung trifft, ist die Verhandlung öffentlich, ich bin als Journalist akkreditiert und werde berichten.

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Rechtswege im Ordensdatenschutz – welches Gericht für die KDR-OG?

Die Ordensgemeinschaften päpstlichen Rechts unterliegen weder der Aufsicht des jeweiligen Diözesanbischofs noch der Bischofskonferenz und damit auch nicht dem Gesetz über den kirchlichen Datenschutz. Statt dem KDG haben die meisten der Orden sich eine eigene Kirchliche Datenschutzregelung der Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts (KDR-OG) gegeben.

Eine Textausgabe der Kirchlichen Datenschutzregelung der Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts (KDR-OG) liegt unter einem Codex Iuris Canonici, der bei Buch VII, Prozesse, aufgeschlagen ist, und auf dem ein Richterhammer liegt.
Die KDR-OG regelt den Datenschutz in den Ordensgemeinschaften päpstlichen Rechts, die sie eingeführt haben.

Die KDR-OG ist weitgehend wortgleich mit dem KDG (eine detaillierte Analyse hat hier Karsten Ronnenberg vorgenommen) – sie sieht also (im Einklang auch mit der DSGVO) gerichtliche Rechtsbehelfe vor. Nur: Wo klagen? Kann es sein, dass die von den Diözesanbischöfen und der Bischofskonferenz errichtete kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit zuständig ist, obwohl die Orden päpstlichen Rechts sonst gerade nicht von der Rechtsetzung der Ortsbischöfe erfasst sind?

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Freude & Hoffnung & Privatsphäre – Wochenrückblick KW 41/2022

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In dieser Woche vor 60 Jahren wurde das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet, das von 1962 bis 1965 tagte. Zur Erneuerung der Kirche gehörte auch eine Versöhnung mit den Menschenrechten, die sich vor allem in den Beschlüssen der letzten Sitzungsperiode zeigte. Im abschließenden Dokument, der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (1965), findet sich ein Katalog »unverletzlicher Rechte und Pflichten«, der auch für einen theologisch fundierten Schutz von Persönlichkeitsrechten relevant ist: »Es muß also alles dem Menschen zugänglich gemacht werden, was er für ein wirklich menschliches Leben braucht, wie Nahrung, Kleidung und Wohnung, sodann das Recht auf eine freie Wahl des Lebensstandes und auf Familiengründung, auf Erziehung, Arbeit, guten Ruf, Ehre und auf geziemende Information; ferner das Recht zum Handeln nach der rechten Norm seines Gewissens, das Recht auf Schutz seiner privaten Sphäre und auf die rechte Freiheit auch in religiösen Dingen.« (GS Nr. 26, Hervorhebungen ergänzt; mehr zur theologischen Grundlegung des Persönlichkeitsschutzes findet man bei Martina Tollkühn.)

In der Festschrift für Jupp Joachimski klang es, als sei das Katholische Datenschutzzentrum Nürnberg (das jetzt wohl KDSZ Bayern heißen soll) schon in trockenen Tüchern. Fragt man dort nach, wo man es genau wissen sollte, zeigt sich aber kein veränderter Stand: Auf Anfrage teilte ein Sprecher der Freisinger Bischofskonferenz mit, dass es noch nichts Konkretes gebe, insbesondere auch noch keine Ausschreibung für die Nachfolge Joachimskis. Das ist auch der Informationsstand des Diözesandatenschutzbeauftragten selbst – er hat seinen Vertrag noch einmal bis Ende des Jahres verlängert, teilte er auf Anfrage mit.

Lange hat es gedauert, jetzt ist absehbar, dass es im Konflikt zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten weitergeht: Wie schon im letzten Dezember berichtet, will die SELK den EuGH mit grundsätzlichen Vorlagefragen zu Art. 91 DSGVO befassen. Auf Anfrage teilte das Verwaltungsgericht Hannover nun mit, dass es einen Termin für die mündliche Verhandlung gibt: Am 30. November um 9.30 Uhr ist es so weit.

In der aktuellen Sonderausgabe der Datenschutz-Nachrichten gibt es auch einen Beitrag des NRW-DDSB Steffen Pau zum kirchlichen Datenschutzrecht. Der kompakte Überblick dürfte hier zum Grundwissen gehören; erfreulich ist, dass so der kirchliche Datenschutz auch in einer wichtigen weltlichen Zeitschrift erwähnt wird. In der Sache äußert sich Pau auch zum Schriftformerfordernis der Einwilligung im KDG und deutet damit wohl eine gewisse Flexibilität der Aufsicht an: »Inwieweit hier in der Praxis im täglichen Umgang mit der Einwilligung wirklich große Unterschiede bestehen, ist bei vielen Sachverhalten fraglich, da einerseits § 8 Abs. 2 Satz 1 KDG als Ausnahme von dem Schriftformerfordernis selbst ›eine andere Form‹ der Einwilligung auf Grund besonderer Umstände vorsieht und andererseits die Nachweispflicht der DSGVO in vielen Fällen auch zu einer textlichen oder schriftlichen Fassung der Einwilligung führt.«

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Der oberste bayerische katholische Datenschützer wird 80

Jupp Joachimski wird 80. Als bayerischer Diözesandatenschutzbeauftragter ist er immer noch im Dienst – auch wenn seine Amtszeit eigentlich schon lange abgelaufen ist: Es gibt einfach keinen Nachfolger, und Joachimski macht (wie das Gesetz es befiehlt) einfach weiter. Zum 80. schenkt das Katholische Datenschutzzentrum Dortmund dem Jubilar eine Festschrift in der Reihe »Schriften zum kirchlichen Datenschutz«.

Porträt von Jupp Joachimski mit dem Titel der Festschrift anlässlich seines 80. Geburtstags
Mit der von Steffen Pau, Christine Haumer und Stephanie Melzow herausgegebenen Festschrift »Justiz die Pflicht, Datenschutz die Kür« würdigen die Diözesandatenschutzbeauftragten und Weggefährt*innen den Vorsitzenden Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht a.D.

Etwa die Hälfte des Bandes machen Aufsätze zum kirchlichen Datenschutz aus: Neben den anderen Diözesandatenschutzbeauftragten und ihren Mitarbeitenden kommen unter anderem der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri und der Würzburger Kirchenrechtler Martin Rehak zu Wort. Die Aufsätze sind meist historisch und deskriptiv ausgerichtet – sie geben aber auch einige neue, bislang unbekannte Informationen zum kirchlichen Datenschutz. Mehr oder weniger zwischen den Zeilen scheint es auch langsam Gewissheit zu werden, dass das lange geplante Katholische Datenschutzzentrum Wirklichkeit wird.

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Die DSK zeigt die Instrumente – Wochenrückblick KW 27/2022

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Am 18. Mai fand das Treffen der Datenschutzkonferenz mit den spezifischen Aufsichten statt. Die Unterlagen konnte ich per Informationsfreiheitsanfrage befreien. Wieder einmal ging es um Beteiligung. Die Aufsichtsbehörden in der DSK sind bekanntlich nicht ganz freigiebig mit der Einbeziehung der spezifischen Aufsichten. Auch beim Europäischen Datenschutzausschuss können die Spezifischen nicht auf die dort verwendete Dokumentenablageplattform Confluence zugreifen, da das Innenministerium die spezifischen Aufsichten nicht nach Art. 51 Abs. 4 DSGVO notifiziert hat. Aus dem Protokoll erfährt man, dass die Frage einer nachträglichen Notifizierung durch das BMI derzeit in den kirchlichen Gremien geprüft werde. Außerdem kündigt der BfDI an, dass die Forderung des Rundfunkdatenschutzbeauftragten nach mehr Beteiligung, über die hier schon berichtet wurde, auch eine Antwort aus der DSK erfahren soll. Sehr diplomatisch heißt es, dass die Teilnehmenden »Einigkeit« erzielt hätten, »dass ein qualitativer Ausbau der Kooperation gewünscht sei«. Beim Bericht aus der Arbeit der DSK gibt es einen Ausblick auf die beabsichtigten Maßnahmen mit Blick auf Facebook-Fanpages. In Betracht kämen demnach die Untersagung und die Anordnung eines datenschutzgerechten Betriebs. Außerdem wurde das zweite Austauschtreffen für 2022 zwischen DSK und spezifischer Aufsicht angekündigt: Es findet am 14. Dezember statt.

Die KDSA Ost stellt die Entscheidung des EuGH zum Kündigungsschutz von Datenschutzbeauftragten vor. Im Vorfeld wurde vertreten, dass die EuGH-Entscheidung unabhängig vom Ausgang keine Auswirkungen auf den analogen Kündigungsschutz im KDG und im DSG-EKD haben werde. Nachdem der EuGH die BDSG-Rechtslage für zulässig erachtet, bleibt diese Frage akademisch. »Auch wenn die Rechtsprechung des EuGHs keine direkte Auswirkung auf das kirchliche Datenschutzrecht (§ 37 Abs. 4 KDG, § 37 Abs. 2 DSG-EKD) hat, stellt das Urteil doch eine Stärkung der dort verankerten inhaltsgleichen Regelungen dar«, ordnet die KDSA Ost ein.

Mit der kirchlichen Strafrechtsreform hat auch der Schutz der Persönlichkeitsrechte in der katholischen Kirche etwas mehr Zähne bekommen: Wer jemandes guten Ruf schädigt, wird nun nicht mehr nur fakultativ bestraft. Die entsprechende Strafnorm can. 1390 § 2 CIC ist Thema des aktuellen »Kanon des Monats« der Würzburger Kanonistik. Zur Erfüllung der Strafnorm müssen zum einen »Behauptungen falsch, also wahrheitswidrig« und »nicht durch irgendwie geartete, rechtfertigende Begründungen getragen« sein, so die Autorin Anna Krähe. Im folgenden zeigt sie dann auch implizit eine Möglichkeit auf, wie der Tatbestand in Verbindung mit Verstößen gegen das kirchliche Datenschutzrecht einschlägig werden könnte: »Der Tatbestand ist aber auch erfüllt, wenn es sich um eine wahre Behauptung handelt, der bzw. die Täter*in diese aber nicht an die Öffentlichkeit hätte bringen dürfen, also die Veröffentlichung bzw. Verbreitung rechtswidrig ist.«

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Stiftungspanne – Wochenrückblick KW 25/2022

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In ihrem frisch erschienenen Tätigkeitsbericht schildert die Berliner Datenschutzbeauftragte einen Fall einer Sicherheitslücke in einer Software für Stipendienportale. Durch die Ausnutzung der Schwachstellen soll es möglich gewesen sein, ein Nutzungskonto anzulegen, die Datenbank abzufragen, hochgeladene Dokumente herunterzuladen und ein Nutzungskonto mit Adminrechten auszustatten. Laut Bericht waren vier Studienstiftungen betroffen. Da durch die Ausrichtungen der nicht namentlich genannten Stiftungen auch Daten zur Religionszugehörigkeit und zur Nähe zu politischen Parteien erhoben wurden, ist davon auszugehen, dass auch eine der Stiftungen von Religionsgemeinschaften betroffen ist. Auf Anfrage teilten das katholische Cusanuswerk und das Evangelische Studienwerk Villigst mit, dass sie von keiner Sicherheitslücke betroffen waren. Das jüdische Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk und die muslimische Avicenna-Studienstiftung haben auf die Anfrage noch nicht geantwortet. (Angefragt wurden nur diese vier, die aus Mitteln des Bildungsministerium finanziert werden.)

Mit Transparenz tut sich die römisch-katholische Kirche schwer – gerade, was ihre Gerichtsbarkeit angeht. Immerhin: Die Datenschutzgerichte veröffentlichen Entscheidungen – aber nur ausgewählte, freiwillig und ohne Rechtspflicht. Daher hat die Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP), in der ich mich im Vorstand engagiere, sich erneut für mehr Transparenz in der kirchlichen Justiz ausgesprochen. Anlass ist die Ankündigung des Münsteraner Bischofs Felix Genn, schon vor der Genehmigung einer bundesweiten kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch den Heiligen Stuhl eine vorläufige diözesane einzurichten. »Die Kirche darf in ihrem eigenen Rechtssystem nicht hinter Selbstverständlichkeiten des Rechtsstaats zurückbleiben, wenn sie Vertrauen zurückgewinnen will. Ungehinderte Gerichtsberichterstattung ist ein wesentliches Element jeder freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung«, sagt der GKP-Vorsitzende Joachim Frank. Gefordert sind öffentliche mündliche Verhandlungen und Urteilsverkündungen, die Veröffentlichung von Urteilen sowie Informations- und Auskunftsrechte für die Medien.

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Loyalitätspflichten praktisch: Angst vor der Arbeitgeberin Kirche

Heute erscheint das Buch von Andreas Sturm, in dem er seinen Rücktritt als Speyerer Generalvikar und den Übertritt von der römisch-katholischen in die alt-katholische Kirche begründet: »Ich muss raus aus dieser Kirche«(Affiliate link). In einem eindrücklichen Kapitel schildert er darin auch die Auswirkungen der Loyalitätspflichten, die die Kirche bislang ihren Beschäftigten aufnötigt.

Cover von Andreas Sturm, »Ich muss raus aus dieser Kirche«
Andreas Sturm: »Ich muss raus aus dieser Kirche – Weil ich Mensch bleiben will. Ein Generalvikar spricht Klartext«, Herder 2022, 192 Seiten, 18 Euro.(Affiliate link)

Sturm gehörte zu den Generalvikaren, die sich im Februar mit einem offenen Brief an den DBK-Vorsitzenden Bischof Georg Bätzing wandten und eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts forderten. In seinem Buch gibt es nun Hintergründe aus der Praxis dazu – und ein Beispiel, wie zu welcher Kultur der Angst und zu welcher Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten das noch geltende kirchliche Arbeitsrecht führt.

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Rezension: »Kirchlicher Datenschutz – gewachsener Baustein kirchlicher Selbstverwaltung«

Das KDSZ Dortmund blickt mit einer Veröffentlichung auf die ersten fünf Jahre seines Bestehens zurück: »Kirchlicher Datenschutz – gewachsener Baustein kirchlicher Selbstverwaltung« heißt der im Selbstverlag online veröffentlichte Band anlässlich des Geburtstages, der schon am 1. September 2021 gefeiert wurde.

Cover von »»Kirchlicher Datenschutz – gewachsener Baustein kirchlicher Selbstverwaltung«

Auf 120 Seiten gibt es Betrachtungen aus Kanonistik und Staatskirchenrecht, eine kompakte Rechtsgeschichte des kirchlichen Datenschutzes sowie einen Blick in die Praxis von Aufsicht, Gerichten und betrieblichem Datenschutz.

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Osterpausenende – Wochenrückblick KW 15/16/2022

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Das war eine ruhige Osterpause: Außer der Inkraftsetzung des §-29-KDG-Gesetzes für das Bistum Rottenburg-Stuttgart (spät und unspektakulär) gab’s nur die Ankündigung, dass die neue Ausgabe der kirchenrechtlichen Fachzeitschrift »De processibus matrimonialibus« demnächst im Volltext online gestellt wird. Das (hier schon besprochene) Referat von Elisabeth Kandler-Mayr zu Datenschutz in Verfahren kirchlicher Gerichte im Blick auf die zivilrechtliche Situation in Österreich wird darin zugänglich, außerdem ist eine Rezension des DSGVO-Kommentars von Sydow durch den Paderborner Kanonisten Rüdiger Althaus angekündigt (der Kommentar wurde hier schon rezensiert). Die neue Ausgabe soll im Laufe der nächsten Wochen beim Open-Access-Portal der Uni Augsburg veröffentlicht werden.

Aus Anlass der Offenlegung des echten Namens einer in der Öffentlichkeit nur unter Pseudonym auftretenden Missbrauchsbetroffenen durch den Trierer Bischof Stephan Ackermann blickt Raoul Löbbert in der Zeit auf das Wirken des Missbrauchsbeauftragten: »Die symbolische Wirkung des Vorgangs kann gar nicht überschätzt werden: Ausgerechnet der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz stellt ein Missbrauchsopfer bloß. […] Alles, was in der katholischen Kirche in Sachen Missbrauchsaufarbeitung und -prävention erreicht wurde in den letzten Jahren, droht entwertet zu werden, wenn den kirchlichen Verantwortungsträgern Anstand und Sensibilität fehlen.« Das sieht auch der Betroffenenbeirat bei der DBK so und fordert Konsequenzen: »Menschen, die von sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche betroffen sind, müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Persönlichkeitsrechte zu jedem Zeitpunkt unbedingt gewahrt bleiben, wenn sie sich der Institution Kirche gegenüber offenbaren. Dieser Schutz ihrer Persönlichkeit ist die unabdingbare Grundlage für jede Aufarbeitung. Der Bruch des Pseudonyms einer Betroffenen zieht daher einen eklatanten Vertrauensverlust auch im Betroffenenbeirat bei der DBK nach sich. Was auch immer den Bischof von Trier zu seinem Handeln bewegt haben mag: dieses Verhalten disqualifiziert den Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, weil es die Mindeststandards für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit verletzt«, heißt es in der Pressemitteilung des Beirats.

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Bischofs-Outing – Wochenrückblick KW 14/2022

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Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat in einer Videokonferenz vor Bistumsmitarbeitenden das Pseudonym der Missbrauchsbetroffenen Karin Weißenfels gebrochen. Laut dem Trierer Volksfreund, der zuerst darüber berichtete, habe Ackermann gesagt, wenn jetzt schon offen über Namen gesprochen werde, dann nenne er auch den Namen der beteiligten Person. Ackermann hat laut Volksfreund eine Unterlassungserklärung unterzeichnet. Christiane Florin begleitet den Fall Weißenfels im Deutschlandradio schon länger und fasst in einem Interview die Geschehnisse zusammen. Darin gibt es auch eine Stellungnahme der Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch Kerstin Claus, in dem sie auch auf den kirchlichen Datenschutz abhob:

»Persönlichkeitsrecht und datenschutzrechtliche Vorgaben werden oft von Institutionen angeführt, um die Namen von Tätern und Täterinnen nicht zu nennen. Umso wichtiger ist, dass auch der Personen- und Datenschutz Betroffener konsequent anerkannt und umgesetzt wird. Es muss sichergestellt werden, dass sensible Daten und Informationen von Betroffenen, und dazu gehört auch die Nennung des Klarnamens ohne Freigabe von Betroffenen, nicht weitergegeben werden. Durch den Verstoß wird die Integrität der betroffenen Person ein weiteres Mal schwer verletzt. In diesem Fall ist es besonders gravierend, weil viele im Bistum Trier die Betroffene als Kollegin dadurch identifizieren können. Die Einreichung einer Unterlassungsklage ist für Betroffene ein wichtiges Signal, weil sie zeigt, dass das Recht auf betroffenensensiblen Umgang und die Einhaltung von Rechtsnormen erfolgreich durchgesetzt werden kann. Die Kirchen sollten diesen Fall zum Anlass nehmen, ihre Regelungen zum Datenschutz und dem damit einhergehenden kirchlichen Verwaltungsverfahren eingehend zu prüfen. Dies sollte sich grundsätzlich orientieren an den berechtigten Belangen Betroffener, auch und gerade im Bereich Persönlichkeitsrecht und Datenschutz.«

(UBSKM Kerstin Claus im DLF; eigene Transkription auf Grundlage des DLF-Audios, Hervorhebung ergänzt.)

Mit Blick auf den vorliegenden Fall ist das kirchliche Datenschutzrecht wohl recht schwach aufgestellt: Ein immaterieller Schadenersatz wäre denkbar; leider ist der Rechtsweg unklar, auf dem dieser erstritten werden könnte – die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit ist jedenfalls nicht zuständig. Das mutmaßlich einschlägige Universalkirchenrecht kennt in can. 220 CIC (»Niemand darf […] das persönliche Recht eines jeden auf den Schutz der eigenen Intimsphäre verletzen«) keine Sanktionen. Auf Twitter äußert sich außerdem Doris Reisinger zum Machtungleichgewicht bei der Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten.

Mittlerweile haben 15 Bistümer Normen zur Einsicht in Personalakten zur Missbrauchsaufarbeitung erlassen. Erst jetzt erschien das Fuldaer Amtsblatt Nr. 2/2022 online, das unter dem Titel »Gesetz zur Regelung von Einsichts- und Auskunftsrechten der Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener« die bislang eigenständigste Umsetzung der DBK-Musternorm vorgenommen hat. Im Unterschied zur Musternorm, die mit der Bezeichnung »Bedienstete« wohl auf den Sprachgebrauch der Personalaktenordnung abhebt und lediglich die Personalakten von Klerikern und Kirchenbeamt*innen erfasst, erweitert das Fuldaer Gesetz die Reichweite des Begriffs auf alle Beschäftigte, gleich welcher Rechtsform, solange sie bei einem der bischöflichen Gewalt unterworfenen Rechtsträger beschäftigt sind. Anders als die Musternorm wird eine viel stärkere Verortung im Kirchen- wie im Beamtenrecht vorgenommen, Begriffsbestimmungen sorgen für mehr Klarheit, neben Personal- werden auch relevante Sachakten erfasst und die Aufarbeitungskommission darf Betroffenen in deren Fällen Akteneinsicht gewähren. Insgesamt wirkt das Fuldaer Gesetz erfreulich durchdacht und betroffenenorientiert, wenn hier auch lediglich die Übermittlung an die Kommission, nicht für Forschung und an Kanzleien geregelt wird. Allein schon, dass mit der klaren Bezeichnung »Gesetz« statt der schwammigen »Normen« die Rechtsqualität deutlich gemacht wird, muss man im Feld der tendentiell wurstigen bischöflichen Gesetzgebung schon positiv hervorheben.

Die Evaluierung des KDG findet bisher ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt. Dass es in der kirchlichen Gesetzgebung auch anders geht, zeigen die fünf nordrhein-westfälischen Bistümer mit ihrem Vorgehen bei der Ablösung des »Preußischen Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens« durch kirchliche Gesetze. Schon lange vor Inkraftsetzung durch die Gesetzgeber wird in allen Bistümern ein umfangreiches Beteiligungsverfahren gestartet auf der Grundlage eines ausführlich kommentierten Gesetzesentwurfs – das sollte Schule machen.

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