Publizieren über Kirchenrecht – das Kreuz mit der Öffentlichkeit

Die kanonistische Open-Access-Zeitschrift »Nomokanon« wird 25. Anlässlich des Jubiläums gab es eine Podiumsdiskussion zu kirchenrechtlichem Publizieren heute. Auf dem Podium vertrat ich den Journalismus.

Plakat der Podiumsdiskussion »Kirchenrechtliches Publizieren heute«

Schon in der Festschrift habe ich kurz den Stellenwert der Öffentlichkeit für eine Kirche des Rechts betont. In meinem hier etwas erweitert ausformulierten Eingangsstatement habe ich diese Gedanken noch etwas ausgeführt und einige Problembereiche benannt, wo Kirchenrecht und Öffentlichkeit über Kreuz liegen. (»Kirche« bezieht sich im folgenden dem Anlass geschuldet allein auf die katholische Kirche). Das Podium soll bald online verfügbar sein.

Kirchenrecht als Chance

Kirchenrecht hat in der Öffentlichkeit einen schlechten Ruf. Manchmal zurecht: Die pastoral verbrämte Übergriffigkeit von Ehenichtigkeitsprozessen beispielsweise steht aus guten Gründen in der Kritik. Manches ist aber auch unberechtigt und beruht auf Vorurteilen: dass Recht – die alte Sohm-These – der Gegensatz des Geistlichen sei und deshalb mit dem Wesen der Kirche nicht vereinbar sei.

Ich sehe Recht in der Kirche vor allem als Chance für die Kirche und für die Gemeinschaft der Gläubigen. Davon bin ich als Christ überzeugt, und deshalb habe ich dieses Thema zu einem meiner journalistischen Schwerpunkte gemacht. Recht ist eine Chance dafür, Anschluss an eine freiheitliche Gesellschaft zu finden, und damit auch für eine tatsächlich gangbare Reform der Kirche: Anders als die Sprachspiele der Demokratie und der Politik beherrscht die Kirche nämlich die Sprachspiele des Rechts und der Gerechtigkeit – und nimmt durchweg positiv auf sie Bezug.

Geordnete, rechtsförmige und überprüfbare Verfahren sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Wenn Augustinus sagt, dass der Staat ohne Recht nur eine Räuberbande ist, dann gilt das ebenso für die Kirche. Über das Recht als Ordnungsinstrument kann das Recht als Freiheitsinstrument in die Kirche einziehen. Dazu braucht es aber eine Öffentlichkeit des kirchlichen Rechts. Und das ist oft ein enormer Schwachpunkt.

Beobachtungen aus der journalistischen Praxis

Es ist oft schwierig, ohne Fachbibliotheken überhaupt den Rechtsstand zu ermitteln. Immer noch gibt es Bistümer, deren Amtsblätter nicht online verfügbar sind, wenn auch zum Glück immer weniger (es fehlen derzeit noch Mainz, Augsburg und der Militärbischof). Das ist auch eine Frage der Rechtskultur: Berichterstattung über das, was im Amtsblatt steht, ist erstaunlich produktiv und erstaunlich oft von allgemeinem Interesse. Über diözesane Gesetzgebung kann man Einblicke in das Wirken und Arbeiten von Bistümern und Bistumsverwaltungen bekommen, die durch ihre Rechtsförmigkeit eine wichtige Perspektive zu den von anderem Interesse geleiteten Darstellungen in Pressemitteilungen sind.

Kirchliche Rechtsprechung und kirchliche Verwaltung sind weitgehend eine black box. Ein Öffentlichkeitsgrundsatz für kirchliche Verfahren wie im staatlichen Prozessrecht wäre ein wesentlicher Beitrag für eine Kirche des Rechts – nicht umsonst sind grundsätzlich öffentliche Verfahren nicht nur eine Verfahrensfrage, sondern eine Sache der Menschenrechte. Leider spielt gegen eine Öffnung der kirchlichen Gerichtssäle wohl eine Mentalität der Vertraulichkeit unter den das kirchliche Rechtssystem Gestaltenden, die durch das totale Übergewicht an Ehenichtigkeitsprozessen erzeugt wird. Immerhin gibt es durch die Veröffentlichung von Urteilen der kirchlichen Arbeitsgerichte eine partielle Kultur der Öffentlichkeit, die auch auf die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit ausgestrahlt hat. Dort werden Urteile veröffentlicht, obwohl in der Gerichtsordnung anders als bei den Arbeitsgerichten eine Veröffentlichung nicht vorgesehen ist. Eine Ausgestaltung des in Inter Mirifica grundgelegten Rechts auf Information (dazu auch Martina Tollkühn) ähnlich staatlichen Informationsfreiheitsgesetzen dürfte wohl ein frommer Wunsch bleiben.

Symptomatisch ist auch die fehlende Öffentlichkeit bei kirchlichen Gesetzgebungsverfahren. Dabei gab es mit dem Prozess der Reform der Grundordnung des kirchlichen Dienstes eigentlich ein positives Beispiel einer offenen Beteiligung, im Zuge derer der Gesetzesentwurf durch die öffentliche Diskussion wesentlich qualifiziert wurde. Die 2022 in Kraft gesetzte Ordnung über das Zustandekommen von arbeitsrechtlichen Regelungen auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz fällt leider dahinter zurück und sieht keine öffentliche Anhörungsphase mehr vor.

Dass sich Journalist*innen für kirchliches Recht interessieren, ist die Ausnahme. Kirchliche Pressestellen haben in der Regel rechtliche Fragen weniger präsent als andere: Presseanfragen zu Fragen der Diözesangesetzgebung dauern erfahrungsgemäß deutlich länger, als wenn man nach pastoralen Dingen fragt. Pressestellen sind oft überrascht, wenn ich als Amtsblatt lesender Journalist früher weiß als sie, was gerade in ihrem Bistum passiert.

Auch Rechtssubjekte kennen ihre Rechte nicht. Pfarrer wissen nicht, dass sie nicht willkürlich versetzt werden – bei Recherchen kam es bereits vor, dass ein Pfarrer erst durch meine Nachfrage zu einer Bistumspressemeldung auf die Idee kam, dass das Kirchenrecht ein formales Verfahren für seine Absetzung vorsieht. Eine kenntnisreiche Berichterstattung trägt also dazu bei, Menschen über ihre Rechte zu informieren. Kirchenrechtlich fundierte Berichterstattung ist dringend nötig bei vielen kontroversen Themen: Straf- und Prozessrecht bei der Missbrauchsberichterstattung, Verfassungsrecht bei der Analyse päpstlicher Reformgesetzgebung, Vermögensrecht in Köln und vieles mehr.

Kenntnis des Rechts trägt auch zu Reformdiskussionen bei. Es scheint aber wenig Bewusstsein für machbare Reformen des Rechts zu geben. Stattdessen herrscht in Reformdiskursen eher eine Sohm’sche Rechtskritik vor. Kirchenrecht gilt vor allem als Blockadeinstrument – als wäre es etwa eine Frage des Kirchenrechts und nicht der Dogmatik, ob Frauen geweiht werden können. Recht wird selten als Hebel gesehen, um Reformen einzuleiten, die tatsächlich eine Aussicht auf Machbarkeit haben. Die Gestaltung der Gerichtsordnungen für die geplante (und immer noch nicht verwirklichte) kirchliche Verwaltungs- und Strafgerichtsbarkeit haben die Laien kampflos den Bischöfen überlassen.

Unterstützung für journalistisches Publizieren über kirchenrechtliche Themen

Das sind Beobachtungen und Einschätzungen, die ich als Journalist mache, der über kirchliches Recht publiziert. Was brauche ich als Journalist?

  • Zugang zu Werkzeugen – die kanonistischen Online-Ressourcen in München, die CIC- und CCEO-Volltextausgaben der Gregoriana sind gute Beispiele, wie sich kirchliches Recht erschließen lässt.
  • Zugang zu Wissen und Fachdiskursen – Journalist*innen haben in der Regel keine Online-Unibibliotheks-Zugänge und wenig Zeit, um wissenschaftliche Bibliotheken aufzusuchen. Umso hilfreicher sind Open-Access-Zeitschriften wie seit 25 Jahren Nomokanon und ganz neu die Münsteraner Zeitschrift für Kanonisches Recht, die sogar die schnelle Form mit einem Blog pflegt, sowie Konferenzen, die auch online übertragen werden.
  • Und schließlich braucht es ansprechbare Kanonist*innen, die für Anfragen, Statements und Interviews zur Verfügung stehen, damit nicht immer dieselben Stimmen in den Medien sind und die Breite des Fachs deutlich wird.
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Über Felix Neumann

Felix Neumann ist Journalist und berichtet hauptsächlich über kirchliche Themen. Der Politikwissenschaftler hat die Qualifizierung zum Betrieblichen Datenschutzbeauftragten (IHK) absolviert und berät freiberuflich kirchliche Verbände und Institutionen zu praktischen Fragen des Datenschutzes und durch Datenschutzschulungen.

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