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Die Woche im kirchlichen Datenschutz
Landeskirche Westfalen vernichtet keine Hinweise auf Sexualdelikte in Personakten mehr
Die Evangelische Kirche von Westfalen hat ihre Personalaktenrichtlinie angepasst, um die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt zu erleichtern. Die alte Regelung sah vor, Mitteilungen in Strafsachen, soweit sie nicht Bestandteil einer Disziplinarakte sind, sowie Auskünfte aus dem Bundeszentralregister grundsätzlich nach drei Jahren aus der Personalakte zu entfernen, sofern sie nicht Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung betreffen.
Der Katalog der dauerhaft aufzubewahrenden Unterlagen umfasst nun erweiterte Führungszeugnisse, die eine Verurteilung aufweisen, die zum Ausschluss von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe führt, Mitteilungen über Verurteilungen in Sexualdelikten sowie weitere Vorgänge, die sexualisierte Gewalt enthalten, soweit sich zugrundeliegende Behauptungen nicht als falsch erwiesen haben. Die Mitteilungen über Sexualdelikte werden herausgenommen, sobald sie auch nicht mehr im Führungszeugnis erscheinen darf, die weiteren Vorgänge, wenn eine weitere Klärung des Vorgangs zunächst nicht möglich ist, spätestens aber nach drei Jahren. Die Entfernung aus der Personalakte stellt keine komplette Vernichtung dar: Sie werden in eine vertraulich zu behandelnde Sachakte oder ein Archiv zum Zweck der institutionellen und individuellen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt überführt. Zuvor war ausdrücklich von einer Pflicht zur Vernichtung die Rede.
Binnenmarkt für Religionen
Im Blog des Dresdner Instituts für Datenschutz beginnt Ralph Wagner einen ambitionierten Spaziergang durch alle Artikel der DSGVO. Folge 1 zu Artikel 1 ist schon online und sehr lesenswert. Unter anderem geht es um die Frage der Regelungskompetenz der EU. Wagner (Herausgeber des hoffentlich in diesem Monat erscheinenden DSG-EKD-Kommentars) verweist auch gleich auf die nicht vorhandene Zuständigkeit der EU für Religionsgemeinschaften: »Religiöse Betätigung z.B. hat mit dem Binnenmarkt nichts zu tun. Wohl gemerkt: Gemeint sind Gottesdienste etc., nicht wirtschaftliche Betätigungen der Kirchen wie Brauereien, Krankenhäuser und Verlage. Art. 91 DS-GVO ist deshalb in weiten Teilen überflüssig.« Ähnlich kritisch zur Zuständigkeit hat sich hier auch der Münsteraner Europarechtler Gernot Sydow geäußert.
Wissenschaftliche Dienste sehen Spitzen-Schutzniveau
Die Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags und der Datenschutz sind so eine Sache. Nach dem höflich formuliert ausbaubaren Papier zum kirchlichen Datenschutz wurde nun ein Sachstand »Zum Schutzniveau des deutschen und des europäischen Datenschutzrechts« veröffentlicht. Wieder lässt die Qualität zu wünschen übrig. Im ersten Satz wird festgestellt, dass das deutsche Datenschutzrecht in »einigen« Vorschriften über das Datenschutzniveau der DSGVO hinausgehe. Nur diese (grundsätzlich zutreffende) These wird im folgenden ausgeführt. Dass etwa bei den Betroffenenrechten im BDSG das Schutzniveau der DSGVO durch Ausnahmen für Verantwortliche erheblich und wohl europarechtswidrig gesenkt wird, kommt nicht vor. Das hatte die DSK 2021 in ihrer Stellungnahme zur Evaluierung neben anderen Problemen beklagt.
In einem eigenen Abschnitt widmet sich die Ausarbeitung ausschließlich dem katholischen Datenschutzrecht. Dort werden nur zwei Aspekte benannt, wo das KDG höhere Anforderungen als die DSGVO aufstellt: das in diesem Kontext immer angeführt grundsätzliche Schriftformerfordernis bei der Einwilligung sowie spezifischere Anforderungen bei Verarbeitungen zu wissenschaftlichen, historischen oder statistischen Zwecken. Dass tatsächlich das kirchliche Datenschutzrecht das Schutzniveau der DSGVO an deutlich mehr Stellen unter- als überschreitet, wird nicht thematisiert.
Kritik an der Nennung von Täternamen
Die Entscheidung des Bistums Aachen, Täternamen zu nennen, trifft auf Ablehnung und bisher keine Nachahmer. Die Bistümer Hamburg, Münster und Paderborn haben einer Nennung schon eine Absage erteilt. Für die KNA hat Simon Kajan überwiegend ablehnende Stimmen von Expert*innen aus den Bereichen Missbrauchsaufarbeitung und -prävention sowie der Rechtswissenschaft gesammelt.
In eigener Sache: Kirchenrecht und Bildrechte
- Am 8. November 2023, 18–20 Uhr, diskutiere ich bei dem Podium »Kirchenrechtliches Publizieren heute« mit. Die Diskussion findet digital statt, eine Anmeldung per Mail (in der Ausschreibung) ist bis zum 5. November möglich.
- Am 12. Dezember, 16.30 bis 18 Uhr, findet bei JHD|Bildung ein Webinar zu Bild- und Persönlichkeitsrechten in der katholischen Jugendarbeit statt. Die Anmeldung ist bis zum 28. November möglich. (Teilnahmebeitrag 10 Euro.)
Auf Artikel 91
Aus der Welt
- Das neue indische Datenschutzgesetz wird in den Medien intensiv diskutiert. In Business Today weist Krishnanand Bhat darauf hin, dass Datenschutz als Ordnungsrecht für eine digitale Gesellschaft nicht nur die Anwendung eines Rechtstextes erfordert, sondern kulturelles Verständnis: »Privacy means different things to different people. In some communities, sharing personal information is a communal activity; in others, it’s a closely guarded secret. A vital first step is fostering cultural sensitivity and understanding. Recognizing that privacy is culturally contingent enables us to appreciate the variations in how individuals and communities approach it. This acknowledgment sets the stage for respectful dialogue and compromise.«
Kirchenamtliches
- Nordkirche:
- Bistum Aachen:
- Ordnung zur Regelung von Einsichts- und Auskunftsrechten für die Kommissionen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener, für Forschungszwecke und für Rechtsanwaltskanzleien in Bezug auf Sachakten, Verfahrensakten, Registraturakten und vergleichbare Aktenbestände der laufenden Schriftgutverwaltung
- Änderung Ausführungsbestimmungen zur Rahmenordnung über die Führung von Personalakten und Verarbeitung von Personalaktendaten
- Bistum Fulda: Kirchlicher Datenschutz – Veröffentlichung von Weihejubiläen
- Evangelische Kirche von Westfalen: Erste Änderung der Richtlinie über den Inhalt und die Führung von Personalakten der Pfarrerinnen und Pfarrer, Predigerinnen und Prediger sowie den Inhalt und die Führung von Personalakten der Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten und privatrechtlich angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landeskirche (Personalaktenrichtlinie – PARi)