Schlagwort-Archive: Rechtsgrundlagen

Grundrechte für Kirchen, Personalakten für Aufarbeitung – Wochenrückblick KW 2/2022

Abonnent*innen des Artikel-91-Newsletters haben den Wochenrückblick und exklusive Newsletter-Inhalte schon vor Veröffentlichung im Blog erhalten – hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung.

In der aktuellen »Zeitschrift für Arbeitsrecht und Tarifpolitik in kirchlichen Unternehmen« (ZAT 6/2021, S. 198–203) hat Thomas Ritter einen Aufsatz zur Grundrechtsberechtigung der Kirchen und ihrer Einrichtungen im Bereich des Datenschutzes veröffentlicht. Der Aufsatz arbeitet heraus, ob und auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage von Kirchen Grundrechte und insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht werden können. Das klingt zunächst sehr akademisch, im allerletzten Punkt zeigt sich, warum die theoretischen Überlegungen gerade jetzt mit Blick auf den Streit kleinerer Religionsgemeinschaften mit Datenschutzaufsichten sehr hohe praktische Relevanz haben: »In seiner Ausprägung als Abwehrrecht wirken kann das Grundrecht der Kirchen auf informationelle Selbstbestimmung wegen grundrechtstypischer Gefährdungslage zB im Rahmen des Art. 91 DS-GVO im Falle von Versuchen, das Recht der Kirchen auf Errichtung einer eigenen Datenschutzaufsicht, auf Errichtung einer eigenen Datenschutzgerichtsbarkeit oder des Erlasses eigener Datenschutzgesetze oder -ordnungen wie zB dem KDG, der KDG-DVO oder der KDSGO zu beschneiden«, schließt Ritter.

Bei katholisch.de habe ich mich in dieser Woche noch einmal intensiv mit der Personalaktenordnung befasst. Neben den hier schon angeführten Einschätzungen von Martin Rehak und Rüdiger Althaus liegt ein Schwerpunkt auf der Betroffenenperspektive: Johannes Norpoth aus dem Sprecherteam des DBK-Betroffenenbeirats hat mir einige Einschätzungen gegeben – Norpoth ist selbst als betrieblicher Datenschutzbeauftragter tätig und daher mit der Materie und den Grenzen der Regelungsmöglichkeiten vertraut. Sein Fazit: »Ich hoffe, dass es keine Diskrepanz gibt zwischen dem, was im kirchlichen Amtsblatt steht, und dem, was eine bischöfliche Personalverwaltung tatsächlich macht. Wenn die Personalaktenordnung nicht umgesetzt wird, bringt sie nichts. Es besteht aber die Chance, dass diese Regelung zur Initialzündung für eine professionelle Personalarbeit wird.«

Auf Twitter wurde eine weitere Entscheidung eines staatlichen Gerichts angekündigt, die mit kirchlichem Datenschutz zu tun hat: Im Urteil des AG Pankow vom 10. Januar 2022, Az. 4C27/21, soll es um Auskunftsansprüche gegen kirchliche Träger gehen. Viele Details sind noch nicht bekannt, die Entscheidung ist noch nicht veröffentlicht. Laut den beiden Tweets eines Verfahrensbeteiligten scheint es um die altbekannte Frage danach zu gehen, ob das Datenschutzrecht die Kostenerstattungspflicht für die Abschriften von Patient*innenakten aus § 630g BGB aushebelt.

Weiterlesen

IDSG: Konkludente Einwilligung als Rechtsgrundlage für Korrespondenz?

In der jüngsten veröffentlichten Entscheidung des Interdiözesanen Datenschutzgerichts (IDSG 08/2021) geht es wieder einmal um Streit mit einem Pfarrer. Das Verfahren entzündete sich um einen Beschwerdebrief an einen »persönlich« adressierten Ordinariatsrat – der hat die Sache ans Justitiariat weitergegeben, und das findet der Kläger nicht in Ordnung.

Ein roter Briefkasten steht vor einer Hecke
(Symbolbild, Quelle: Bundo Kim/Unsplash)

Das Ergebnis überrascht kaum: Selbstverständlich darf innerhalb des Ordinariats Schriftverkehr an eine zuständige Abteilung wie das Justitiariat weitergegeben werden, und zwar schon deshalb, weil das Ordinariat als Behörde eine verantwortliche Stelle ist. Interessant und überraschend ist die Rechtsgrundlage, auf die das Gericht die Verarbeitung der Korrespondenz stützt: Nämlich die Einwilligung – und das auch noch konkludent.

Weiterlesen

Katholische Personalaktenordnung veröffentlicht

Die lange erwartete kirchliche Personalaktenordnung ist da. Schon im September wurde bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz angekündigt, dass sie zum 1. Januar 2022 in Kraft treten soll, wieder im Rahmen einer parallelen Gesetzgebung der deutschen Diözesanbischöfe.

Ein geöffneter Aktenschrank mit Karteikärtchen
So dürfen Personalakten gemäß PAO sicher nicht gelagert werden. (Symbolbild, Photo by Maksym Kaharlytskyi on Unsplash)

Den Auftakt hat nun der DBK-Vorsitzende in seinem Bistum gemacht: Im aktuellen Amtsblatt (November) ist die „Ordnung über die Führung von Personalakten und Verarbeitung von Personalaktendaten von Klerikern und Kirchenbeamten“ veröffentlicht. Einen allgemeinen Überblick habe ich auf katholisch.de veröffentlicht; interessant sind darüber hinaus auch einige Besonderheiten im Kontext des kirchlichen Datenschutzes.

Weiterlesen

Katholischer Datenschutz in Italien – das Datenschutzdekret der italienischen Bischofskonferenz

Kirchlicher Datenschutz ist keine deutsche Spezialität. Dass Art. 91 DSGVO, der Religionsgemeinschaften unter bestimmten Bedingungen erlaubt, eigenes Datenschutzrecht anzuwenden, ein deutscher Sonderwunsch war, wird oft vermutet – und die Lobbytätigkeit des Katholischen Büros in Berlin scheint darauf hinzudeuten. Tatsächlich gibt es aber auch in anderen europäischen Ländern kirchliche Datenschutzgesetze – und das schon lange vor Inkrafttreten der DSGVO.

Römische Kirchen, italienische Flaggen
Bildquelle: Photo by Renata Rodrigues on Unsplash

Mindestens seit 1999 hat die italienische Bischofskonferenz eigene Regeln zum Datenschutz, die wie von der DSGVO vorgesehen 2018 in Einklang mit der DSGVO gebracht wurde. Ein Blick in das Generaldekret »Disposizioni per la tutela del diritto alla buona fama e alla riservatezza«Bestimmungen über den Schutz des Rechts auf einen guten Ruf und der Vertraulichkeit«) zeigt ein Gesetz, aus dem weitaus mehr als aus den deutschen Kirchengesetzen der kirchliche Charakter deutlich wird – es wirft aber auch einige Fragen auf, ob das alles europarechtlich so möglich ist.

(Einen Überblick über kirchliches Datenschutzrecht in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten gibt es in der Rechtssammlung, Artikel sind erschienen zu Italien, Österreich und Polen sowie zur Lage im Drittland Vatikanstaat.)

Weiterlesen