Kommunikation nach Kirchenaustritt – so geht’s datenschutzkonform

Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst würde aus der Kirche Ausgetretene gerne wie früher zu Gesprächen einladen. »Ob ich das noch einmal machen kann, weiß ich nicht. Dem steht heute der Datenschutz entgegen«, sagte er im Interview mit der Südwest-Presse, das auch hier schon Thema war.

Briefumschlag auf Notizbüchern
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Wie immer beim Argument »geht nicht wegen Datenschutz« lohnt sich ein zweiter Blick: Geht das wirklich nicht? Und wie könnte man Prozesse so gestalten, dass das eigene Kommunikationsinteresse mit der Wahrung des Grundrechts auf Datenschutz bei den Betroffenen in Einklang zu bringen ist?

Kommunikation nur mit Einwilligung?

Zunächst klingt die knapp dargestellte Position des Bischofs nachvollziehbar: Wer aus der Kirche ausgetreten ist, will ja gerade nichts mehr mit ihr zu tun haben. Und zieht man Rechtsprechung aus dem säkularen Bereich unreflektiert und sinngemäß heran, spricht auch viel gegen die Kontaktaufnahme nach Austritt. Das OLG Köln hat beispielsweise 2009 untersagt, »im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs ehemalige eigene Kunden zum Zwecke der Werbung anzuschreiben, wenn sie hierbei die Information nutzt, dass diese zur Antragstellerin gewechselt sind [und] eine Einwilligung der Verbraucher in die Nutzung dieser Information nicht vorliegt […]« (OLG Köln, Urteil vom 14.08.2009 – I-6 U 70/09). Mutatis mutandis also: Der Bischof darf zum Zwecke der Mitgliederrückgewinnung die Information, dass eine Person aus der Kirche ausgetreten ist, nicht ohne Einwilligung verwenden.

Dabei ist allerdings fraglich, ob man ganz anders geartete Fälle aus dem Wirtschaftsleben einfach so auf den kirchlichen Bereich übertragen sollte, zumal der Fall dann doch ziemlich umgebogen werden muss, um auf die kirchliche Situation zu passen. Klar ist aber: Es braucht eine Rechtsgrundlage für die Ansprache – und im Idealfall nicht die Einwilligung, weil die quasi nicht zu bekommen ist. Dazu müsste sie nämlich beim Amt, vor dem der Austritt erklärt wird, eingeholt werden. Und wer würde da schon zustimmen? Und warum sollte das Amt gegenüber der Kirche auch noch diese Dienstleistung übernehmen? Und würde man es nicht generell als ganz selbstverständlich legitim ansehen, wenn Organisationen bei Kündigung oder Austritt sich in der letzten Kommunikation lernwillig zeigen?

Rechtsgrundlagen gibt es schon

Die zuständige kirchliche Datenschutzaufsicht, das Katholische Datenschutzzentrum Frankfurt am Main, hat eine Rechtsgrundlage im Blick. »Wenn es sich um ein einmaliges Schreiben des Bischofs, des Pfarrers oder des Pastoralteams handeln würde, sehen wir eine Rechtsgrundlage für diese Art der Verarbeitung in § 6 Abs. 1 lit. f) KDG, also dem kirchlichen Interesse«, erläutert die Diözesandatenschutzbeauftragte Ursula Becker-Rathmair auf Anfrage.

Bleibt nur noch eine Frage: Wie kommen die Meldedaten über den Austritt eigentlich beim Bischof an? »Grundsätzlich gilt, was im Bundesmeldegesetz geregelt ist: Die Daten bleiben beim ursprünglichen Empfänger der Daten, und sie dürfen auch nur zu dem ursprünglichen Zweck im Meldeverfahren verwendet werden. Wenn also Daten von der Gemeinde an das Bistum weitergegeben werden, muss geprüft werden, ob das zulässig ist. Das hängt auch von der jeweiligen Organisation des Meldewesens in den einzelnen Bundesländern und Bistümern ab«, so Becker-Rathmair weiter. Ein Blick ins Gesetz erleichtert also wieder einmal die Rechtsfindung. Einschlägig ist in Rottenburg-Stuttgart die »Anordnung über das kirchliche Meldewesen«, fündig wird man in § 5 Abs. 1 S. 1: »Das Bistum kann die Daten aller Gemeindemitgliederverzeichnisse in seinem Bereich erheben, verarbeiten oder nutzen.« Es gibt also bereits eine Rechtsgrundlage, über die der Bischof an die Daten kommt, wenn er sie nicht eh schon hat, für die Einladung greift dann das kirchliche Interesse.

Auf Nachfrage teilt auch das Bistum mit, dass das Kommunikationsziel des Bischofs erreicht werden kann: »Dieser Zweck könnte mit einem persönlichen Anschreiben, direkt und unmittelbar nach beziehungsweise in zeitlicher Nähe zu dem Kirchenaustritt, datenschutzkonform erfüllt werden«, so der Bistumssprecher.

Wo ist dann eigentlich das Problem?

Also kein Dissens zwischen Bistum und Aufsicht. Nur: Was war dann das Problem, auf das Bischof Fürst im Interview aufmerksam machte? Auch hier erläutert der Bistumssprecher, was genau eigentlich laut der Stabsstelle Datenschutz der Diözese heute »nicht mehr datenschutzkonform« sei: nämlich »wenn mehrere der aus der Kirche ausgetretenen Personen ohne deren ausdrückliche Einwilligung zu einem gemeinsamen Gespräch mit dem Bischof versammelt beziehungsweise eingeladen würden«.

Dass es um ein Gruppengespräch geht, ging aus dem Interview nicht hervor. Unter diesen Bedingungen klingt die Bistums-Erläuterung dann auch nachvollziehbar: »In diesem Fall und ohne die ausdrückliche vorherige Einwilligung der Einzelnen würde nämlich die personenbezogene Information des Kirchenaustritts gegenüber den anderen Gesprächsteilnehmern offengelegt, ohne dass dies für die Erreichung des mit der persönlichen Ansprache durch den Bischof verfolgten Zwecks notwendig wäre.« Für ein derartiges Szenario wäre es dann auch wieder zumindest in der Umsetzung möglich, mit Einwilligungen zu arbeiten, nämlich bei der Anmeldung zur Veranstaltung – auch wenn sich die Frage stellt, ob das eine geeignete Rechtsgrundlage für Veranstaltungsanmeldungen ist. (Gegenprobe: Ohne diese Einwilligung wäre die Teilnahme nicht möglich, und was sollte ein jederzeit möglicher Widerruf bewirken, das nicht mit schlichtem Nicht-Besuchen oder Verlassen der Veranstaltung auch bewirkt würde?)

In jedem Fall ist es geboten, transparent zu machen, dass man bei der Veranstaltung noch andere aus der Kirche Ausgetretene treffen wird. Welche Elemente eines solchen Treffens überhaupt Verarbeitungen im datenschutzrechtlichen Sinn erfordern, könnte man auch hinterfragen; die wie gezeigt zulässige bloße persönlich adressierte Einladung im verschlossenen Umschlag, für die eine Verarbeitung nötig ist, legt jedenfalls keine Daten Dritter und Dritten gegenüber offen, und ein Treffen ohne Protokoll, Bild- und Tonaufnahmen löst nicht notwendig weitere Verarbeitungen aus, die eine weitere Rechtsgrundlage erfordern würden.

Fazit

Wieder einmal zeigt sich: »geht nicht wegen Datenschutz« ist schnell gesagt, schnell gedruckt und setzt sich dann in den Köpfen fest. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dann aber oft heraus, dass die gewünschten Ziele doch erreichbar sind – teilweise ganz unproblematisch, wie im Fall eines einfachen Brief auf der Rechtsgrundlage »kirchliches Interesse« mit der Datenbasis, die dank der kirchlichen Meldeanordnung verfügbar ist, teilweise mit ein wenig Nachdenken wie im Fall des Gruppentermins, den man so gestalten kann, dass alle wissen, um was es geht, und eine informierte freie Entscheidung treffen können, ob sie unter diesen Bedingungen kommen wollen oder nicht.

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