Abonnent*innen des Artikel-91-Newsletters haben den Wochenrückblick und exklusive Newsletter-Inhalte schon vor Veröffentlichung im Blog erhalten – hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung.

Die Woche im kirchlichen Datenschutz
Verfassungsbeschwerde wegen Akteneinsicht in Gemeinderatsprotokoll
Seit Jahren zieht sich der Streit zwischen einer Kirchenmusikerin und einer Stuttgarter Gemeinde hin: Die Gemeinde will keine Einsicht in das Protokoll einer Gemeinderatssitzung gewähren, in der es um arbeitsrechtliche Maßnahmen ging. Die Kirchenmusikerin hat im vergangenen Jahr vom Bundesarbeitsgericht Recht bekommen: Das Gemeinderatsprotokoll sei Teil der materiellen Personalakte, damit bestehe ein Auskunftsanspruch. (Das Urteil des BAG hatte ich mir im Dezember näher angeschaut.)
Trotz des Erfolgs der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hat sie das Protokoll noch nicht: Die Gemeinde hat Verfassungsbeschwerde eingelegt, teilte mir der Stadtdekan von Stuttgart mit: »Da wir in der Grundsatzfrage des Umgangs mit nichtöffentlichen Protokollen die Entscheidung des BAG für falsch halten, hat die Kirchengemeinde gegen das Urteil inzwischen Verfassungsbeschwerde eingelegt.« Bis zum Abschluss des Rechtswegs könne eine Herausgabe des Protokolls nicht erfolgen. »Es geht uns nicht um eine Eskalation im vorliegenden Einzelfall, sondern um eine für uns wesentliche juristische Klärung des Umgangs mit nichtöffentlichen Protokollen«, so der Dekan weiter. Eine Verfassungsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung; ob ein Eilantrag gestellt wurde, ist noch nicht bekannt.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte auf Anfrage, dass die Verfassungsbeschwerde bereits eingegangen sei. Die Landeskirche Württemberg gab auf Anfrage an, dass sie mit der Verfassungsbeschwerde nichts zu tun habe.
Sicherheitsmaßnahmen in jüdischen Gemeinden
Während Datenschutz in christlichen Kirchen oft als nachrangig und hinderlich betrachtet wird, ist er in anderen Religionsgemeinschaften viel existentieller. Die Jüdische Allgemeine berichtet von verstärkten Sicherheitsmaßnahmen in jüdischen Gemeinden. In der Gemeindezeitung »Jüdisches Berlin« werden die Nachnamen bei der Anzeige von Geburtstagen, Bar- und Batmizwa-Feiern seit geraumer Zeit abgekürzt. »Die Gefährdung jüdischen Lebens scheint eine neue Dimension erreicht zu haben, was zu einer großen Verunsicherung unter unseren Gemeindemitgliedern geführt hat. Die Anonymisierung der Nachnamen soll die Wahrscheinlichkeit von Anfeindungen gegen unsere Gemeindemitglieder reduzieren«, wird der Pressesprecher der Gemeinde zitiert. Andere Gemeinden berichten davon, dass Briefe ohne ersichtlich jüdischen Absender verschickt werden.
Datenschutz bei der MAV-Wahl
In vielen kirchlichen Einrichtungen stehen in diesem Jahr die Wahlen zur Mitarbeitervertretung an. In einem ersten Schritt wird die Wahl vorbereitet. Was dabei durch Wahlausschüsse und Wahlvorstände zu beachten ist, hat Ines Bock für die Datenschutz-Notizen aufgeschrieben. Insbesondere beim Auslegen der Wählerliste muss strikt auf die Erforderlichkeit geachtet werden.
Cyberangriff auf die Deutsche Bischofskonferenz
Jetzt hat’s die Deutsche Bischofskonferenz getroffen: Am Montag sind die IT-Systeme Ziel eines professionellen Cyberangriffs geworden, wie es in der am Dienstag veröffentlichten Information heißt: »Zu dem Angriff hat sich eine Gruppierung bekannt, die der organisierten Cyberkriminalität zugerechnet wird.« In der Mitteilung wird auch das Vorgehen skizziert – das klingt alles nach einer guten Notfallvorbereitung: »Nach Feststellung des Angriffs am späten Montagnachmittag wurden sofort die hierfür vorgesehenen Notfallpläne aktiviert, die IT-Systeme vom Internet getrennt, die zuständigen Ermittlungsbehörden und auch der Beauftragte für Datenschutz informiert.«
Religionsbezogene Daten in der Google Cloud identifizieren
In der Google Cloud kann man große Datenmengen nach sensiblen Daten durchsuchen, um ihre Verarbeitung einzuschränken, zu verhindern oder sie zu anonymisieren. Dazu definiert Google eine Reihe von »Type detectors«. In dieser Woche wurde der Type detector RELIGIOUS_TERM
für alle definierten Regionen freigeschaltet. Laut der Dokumentation umfasst der Selektor Suchbegriffe »that commonly refer to religious beliefs, religious leaders, religious organizations, and religious practices« – leider scheint nicht transparent zu sein, wie Google diese Begriffe definiert, mit denen sich Clouddaten auf religionsbezogene Inhalte analysieren lassen. (Rückmeldungen, gerne auch anonym, wie dieser Filter in der Praxis funktioniert, nehme ich gerne an.)
In eigener Sache
- Für JHD|Bildung biete ich wieder Online-Seminare an. Schon fest steht das Seminar zu Bildrechten am 8. Oktober 2025, 16.30–19 Uhr. (20 Euro, Anmeldeschluss 24. September 2025.)
Auf Artikel 91
Aus der Welt
- »Soziale Netzwerke als demokratische Kraft retten« – das will die Initiative Save Social, die unter anderem durch den ehemaligen BfDI Ulrich Kelber unterstützt wird. Die Initiative schlägt mehrere Maßnahmen vor, um den digitalen Raum demokratisch und freiheitlich zu regulieren. Dazu gehört auch, alternative Netzwerke wie das Fediverse mit Inhalten und strukturell zu stärken. Das wäre ein Ansatz, den sich Kirchen und Gemeinden zu Herzen nehmen sollten: »Mit öffentlichen Mitteln finanzierte Inhalte müssen vollständig zumindest auch auf diesen Plattformen verfügbar sein, denen offene und anerkannte Standards und Protokolle zu Grunde liegen. Politik, Behörden, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Bibliotheken, aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk werden verpflichtet, alle Inhalte ausnahmslos zumindest auch auf diesen Plattformen zur Verfügung zu stellen. Sie müssen eigene Angebote wie Mediatheken über Protokolle für diese Plattformen öffnen.«
Kirchenamtliches
- Der Datenschutzbeauftragte des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden: Datenschutzbericht für 2022/2023 vorgestellt
- Bistum Eichstätt: Gesetz zur Regelung des Rechtsinstruments nach § 29 des Gesetzes über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) im Bereich der Diözese Eichstätt (§ 29-KDG-Gesetz), Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung des Rechts- instruments nach § 29 Gesetz über den kirchlichen Datenschutz (KDG) im Bereich der Diözese Eichstätt vom 01.12.2024 – (§ 29-KDG-DVO)