Das Bundesarbeitsgericht hat eine evangelische Kirchengemeinde zur Herausgabe eines Kirchengemeinderats-Protokolls verurteilt – einen Beitrag zur Diskussion, ob das DSG-EKD in seiner noch geltenden Fassung ein Recht auf Kopie enthält, ist die Entscheidung aber – anders als zunächst erwartet – nicht: Der Anspruch wurde allein aus dem Arbeitsrecht begründet.
![Schild vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt (Foto: Christoph Hoffmann)](https://artikel91.eu/wp-content/uploads/2024/12/christoph-hoffmann-ccbysa-BAG_Erfurt_001-1024x538.jpg)
Mittlerweile liegen mir die Entscheidungsgründe zum Urteil 8 AZR 42/24 vom 17. Oktober 2024 vor. (Die Entscheidung wurde am 20. Dezember vom Gericht selbst veröffentlicht.) Darin wird das evangelische Datenschutzrecht zwar erwähnt, war aber letzten Endes nicht relevant für die Entscheidung.
Der Fall
Eine Kirchenmusikerin will von der Stuttgarter Kirchengemeinde, bei der sie angestellt war, Einsicht in das Protokoll einer nichtöffentlichen Sitzung des Kirchengemeinderats, bei der arbeitsrechtliche Maßnahmen ihr gegenüber besprochen wurden. Alle Versuche, in das Protokoll der Sitzung vom 15. Mai 2006 Einsicht zu erlangen, scheiterten.
Nach Inkrafttreten des neuen DSG-EKD, am 12. Januar 2021, stellte die Kläering einen neuen Antrag auf Einsichtnahme – erfolglos. Der BfD EKD hatte die Gemeinde zunächst im April 2021 angewiesen, das Protokoll geschwärzt zur Verfügung zu stellen, zog aber die Anordnung wieder zurück.
Im August 2022 klagte die Kirchenmusikerin auf Herausgabe und stützte ihren Anspruch auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO, also das Recht auf Kopie, das es bekanntlich im DSG-EKD erst mit der 2025 in Kraft tretenden Novelle ausdrücklich gibt. Die Klägerin hatte vorgebracht, dass das DSG-EKD insofern nicht mit der DSGVO in Einkallang stehe und daher die DSGVO anzuwenden sei. Die Klage wurden vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht abgewiesen, die Revision wurde vom BAG bezüglich der Auskunftsansprüche zugelassen.
Die Entscheidung
Auf eine datenschutzrechtliche Prüfung des Falles ließ sich das BAG nicht ein. Darüber nachgedacht hat das Gericht aber – zumindest wird die Entscheidung des EKD-Kirchengerichtshofs zum Recht auf Kopie erwähnt, der gleich das ganze DSG-EKD mangels Einklang kippen wollte.
Anstatt auf das Datenschutzrecht stützt sich das BAG auf das kirchliche Arbeitsrecht, und zwar die in der Landeskirche Württemberg geltende Kirchliche Anstellungsordnung (KAO). Der Rechtsweg über die staatliche Arbeitsgerichtsbarkeit ist – wie üblich bei Individualarbeitsstreitigkeiten im kirchlichen Arbeitsrecht – eröffnet. Die bereits ergangenen Entscheidungen der evangelischen Verwaltungsgerichtsbarkeit stehen der Entscheidung durch die staatliche Gerichtsbarkeit nicht entgegen, schon deshalb, weil sie einen anderen Streitgegenstand hatten als jetzt vom BAG verhandelt.
Grund für die nun doch gewährte Überlassung des Protokolls ist § 3 Abs. 5 KAO, wo ein Recht auf Einsicht in die vollständigen Personalakten sowie ein Recht auf Auszüge und Kopie normiert wird. Das Protokoll, um den sich der Streit drehe, sei Teil der materiellen Personalakte und damit von diesem Anspruch umfasst: »Ausschließliches Thema der Sitzung waren arbeitsrechtliche Maßnahmen gegenüber der Klägerin aus Gründen, die ihr nicht mitgeteilt worden sind. Damit bezieht sich das Protokoll auf eine Sitzung, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse der Klägerin betrifft und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht«.
Nicht relevant war für das BAG, dass die Sitzung nichtöffentlich war und die Personalabteilung damit auch keinen Zugriff darauf habe. Es bestehe ausdrücklich ein Recht auf Einblick in die vollständige Personalakte: »Dem Arbeitnehmer soll das Gefühl genommen werden, Objekt undurchsichtiger fremder Beurteilung zu sein, und ihm soll die Möglichkeit gegeben werden, sich gegen unzutreffende Angaben zur Wehr setzen zu können. Das setzt die Offenlegung aller Vorgänge voraus, die einen bestimmten Arbeitnehmer in Bezug auf sein Arbeitsverhältnis betreffen«.
Die Nichtöffentlichkeit und Verschwiegenheitspflicht stehe der Einsicht schon deshalb nicht entgegen, weil ihr Zweck der Schutz der Person sei, deren Angelegenheiten betroffen sind: »Dagegen ist eine Geheimhaltung gegenüber der betroffenen Person selbst in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden nicht erforderlich. Die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer den Inhalt der über sie geführten materiellen Personalakten zur Kenntnis nehmen können, dient gerade dem Zweck, dass sie nicht zum Objekt undurchsichtiger fremder Beurteilung werden, ohne sich gegen unzutreffende Angaben in der Personalakte wehren zu können«. Die vertrauliche Beratung im Kirchengemeinderat werde nicht beeinträchtigt, sind im Protokoll doch ohnehin nur die Ergebnisse der Abstimmung, nicht aber das individuelle Abstimmungsverhalten notiert.
Fazit
Die Frage, ob das DSG-EKD in seiner noch geltenden Fassung in Einklang mit der DSGVO steht, bleibt ungeklärt. Für die Klägerin ist das positiv: Das BAG hätte zur Klärung die Frage wohl dem EuGH vorliegen müssen. Insofern ist die Lösung rein übers Arbeitsrecht deutlich effizienter. Hilfreich für ähnliche Streitigkeiten ist die absolut klare Feststellung, dass derartige Protokolle Teil der materiellen Personalakte und somit von arbeitsrechtlichen Auskunftsansprüchen erfasst sind.
Naturgemäß kann das aber nur dann greifen, wenn es auch um Arbeitsverhältnisse geht. Bei ähnlich gelagerten Konflikte etwa im Ehrenamt hilft das BAG-Urteil nicht weiter – hier bleibt nur, doch auf ein datenschutzrechtliches Recht auf Auskunft und Kopie zu setzen. Mit der Novelle des DSG-EKD gibt es dann ab 1. Mai 2025 auch ein ausdrücklich eingeräumtes Recht auf Kopie.