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In Polen geht die Kontroverse um die Vernichtung von Akten in kirchlichen Missbrauchsverfahren weiter. Während die staatliche Missbrauchskommission weiterhin darüber klagt, dass Akten des bischöflichen Geheimarchivs entsprechend der kirchenrechtlichen Regeln nach dem Tod des Angeklagten oder zehn Jahre nach der Verurteilung vernichtet werden und so eine Aufarbeitung erschwert ist, sieht die Polnische Bischofskonferenz keine Probleme mit der Praxis und sieht im Zusammenspiel von polnischer Justiz und Heiligem Stuhl die Regierung am Zug, angemessene Vereinbarungen und gesetzliche Grundlagen zu schaffen.
Wolfgang Huber wagt den großen Aufschlag und hat eine »Ethik der Digitalisierung« unter dem Titel »Menschen, Götter und Maschinen«(Affiliate link) vorgelegt. Der ehemalige Berliner Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende befasst sich darin natürlich auch mit Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung. Die Überschrift des vierten Kapitels, »Grenzüberschreitungen«, ist dabei programmatisch: Es wird ein grundsätzlich pessimistisches Bild gezeichnet, eine »Erosion des Privaten« festgestellt. Huber schlägt mit Hans Jonas eine »Heuristik der Furcht« als ethische Regel zum Umgang mit den eigenen Daten vor: »Es ist ein Gebot der Selbstachtung, Anbieter mit transparentem Datenschutz zu bevorzugen, Suchanfragen auf das Notwendige zu beschränken und Informationen über sich selbst nicht leichtfertig preiszugeben.« Dazu brauche es Selbstverpflichtungen der Digitalfirmen und eine Verschärfung der internationalen Rechtsregeln für den Umgang mit persönlichen Daten im Netz. Wie solche Regeln gestaltet sein können, fehlt allerdings. Allzu oft bleibt Huber bei einer pessimistischen Diagnose. Daten gibt es nur im gesellschaftlichen Verfallsmodus. Informationelle Selbstbestimmung wird zwar hochgehalten, dabei aber so interpretiert, dass selbstbestimmt nur das ist, was Hubers ethische Reflexionen für gut halten. »Dem digitalen Freiheitsgewinn wird ein erheblicher Teil der persönlichen Freiheit geopfert«, klagt er. Dass persönliche Freiheit auch in digitalem Freiheitsgewinn bestehen kann, ist nicht vorgesehen. Stattdessen wird wieder einmal Jaron Lanier und sein Social-Media-Ausstieg als Goldstandard dargestellt. Die DSGVO wird zwar erwähnt, aber ohne große Kenntnis und analytische Tiefe. Sie verfolge »erkennbar das Ziel, die umfangreiche Nutzung privater Daten mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar zu machen und zugleich eine Nutzung dieser Daten in möglichst hohem Umfang zu ermöglichen«. Woran sich das zeige, ist keiner Erläuterung wert. Huber beschränkt sich weitgehend auf die von ihm als zentral ausgemachten Instrumente der Pseudonymisierung und Anonymisierung. »Aus ethischer Perspektive ist es jedoch keineswegs unproblematisch, die Daten einer Person dann als frei verfügbar anzusehen, wenn sie statt unter dem authentischen Herkunftsnamen unter einem Pseudonym genutzt werden«, urteilt Huber. Nur: Wer vertritt diese Position? Die DSGVO jedenfalls nicht. Den Datenschutzdiskurs bringt Huber mangels Substanz so jedenfalls nicht weiter. »Theologisch interessierte Oberstudienräte finden gelehrte Einwände gegen die in den Feuilletons dieser Republik erhobenen Großthesen über die Chancen der Digitalisierung«, schließt die lesenswerte Rezension des Buchs in der Eule.
Auf Artikel 91
- Richtlinienkompetenz – Rezension Wolff/Brink, Datenschutzrecht
- Betroffenenrechte sind Kinderrechte, keine Elternrechte – Interview mit Kerstin Fuchs
Aus der Welt
- Hendrik vom Lehn schreibt bei vereint.digital und in den BvD-News zu Datenschutz im Verein und den vielen Unklarheiten. Eindrücklich ist die Karte mit den unterschiedlichen Auslegungen der Aufsichten, ob Übungsleiter*innen beim Schwellenwert für die Bestellung von Datenschutzbeauftragten mitzählen. Auch ansonsten ist der Beitrag reich an Beispielen und guten Reformansätzen.
- Der EuGH hat in einem Urteil den Anwendungsbereich des Art. 9 DSGVO besonders weit gefasst – und plötzlich könnten sehr viele Daten unter die besonderen Kategorien fallen. Carlo Piltz hat die Entscheidung systematisiert und erste Überlegungen angestellt, was das für die Praxis heißen könnte.
- Der LfDI Rheinland-Pfalz hat eine FAQ-Liste zu Microsoft 365, die Datenschutz-Notizen haben Einschätzungen und Erläuterungen dazu.
- In dieser Woche haben sich die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und der BfDI getroffen und auf Twitter ein gemeinsames Projekt angekündigt. »Thema war natürlich der Kampf gegen den Kindesmissbrauch«, erfährt man – wahrscheinlich ging es auch um die Chatkontrolle. UBSKM Kerstin Claus hatte schon zuvor angekündigt, hier das Gespräch mit Ulrich Kelber zu suchen.
Kirchenamtliches
Keine Veröffentlichungen.