Kann man Einträge im Taufregister löschen lassen?

Taufregister sind für die Ewigkeit – wie das Taufsakrament. Auch nach einem Kirchenaustritt bleibt der Eintrag in den Kirchenbüchern erhalten. Das ist konfliktträchtig: Die Frage, ob das »Recht auf Vergessenwerden« auch für die kirchlichen Matrikel gilt, sorgt immer wieder für Konflikte und Unverständnis, wenn entsprechende Löschbegehren abgelehnt werden. Und das werden sie immer.

Kirchenbücher aus Stettin
Bildquelle: Clemens Schulz, Kirchenbücher, CC BY-SA 4.0

Tatsächlich findet sich in der Datenschutzgrundverordnung keine besondere Ausnahme für Kirchenbücher. Dennoch zieht sich durch die Rechtsprechung die Tendenz, dass nicht von einem Löschanspruch ausgegangen wird. Ein Blick in einschlägige Fälle aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten und zum theologischen Hintergrund zeigt, dass die Hoffnung, den eigenen Tauchbuch-Eintrag löschen zu lassen, wohl nicht erfüllt wird.

Warum halten Kirchen die dauerhafte Speicherung im Taufregister für erforderlich?

Die Taufe drückt in den christlichen Kirchen mehr aus als die bloße institutionelle Zugehörigkeit zur Organisation Kirche. Mit der Abkehr von der Kirchenzugehörigkeit erlischt die Taufe nicht; sie ist eines der Sakramente, die ein »untilgbares Prägemal« verleihen, das auch nach einem Kirchenaustritt erhalten bleibt und Konsequenzen hat. Für die Taufe ist das grundsätzlich ökumenischer Konsens.

Wer einmal getauft ist, kann und wird nicht ein zweites Mal getauft werden, auch bei einem Wiedereintritt nach Kirchenaustritt, sei es in derselben Kirche, sei es in verschiedenen Kirchen. Damit ist die Taufe auch konfessionsübergreifend relevant und von über den Kirchenaustritt hinaus bleibender Bedeutung in Gemeinschaften, in denen die Taufe wechselseitig anerkannt wird. (Das betrifft unter anderem die großen Konfessionen und Traditionen.)

Insbesondere in der katholischen Theologie ist die Taufe die Voraussetzung für den gültigen Empfang der übrigen Sakramente und damit für die Beurteilung von Ehen wichtig: Eine sakramentale Ehe gibt es nur unter Getauften, eine kirchliche Eheschließung ist nur möglich, wenn keine anderes Eheband besteht. Ohne im Detail auf kirchliches Eherecht einzugehen: Ob eine vorherige zivile Eheschließung aus kirchlicher Sicht gültig ist und damit ein Hindernis für eine kirchliche Trauung darstellt, wird neben anderen Faktoren vom Vorhandensein oder nicht der Taufe beeinflusst – gegebenenfalls ist damit für eine katholische Eheschließung sogar der Taufstatus von eigentlich unbeteiligten vormaligen Partnern relevant. (In aller absurden Konsequenz wird das etwas pietätlos, aber unterhaltsam anhand des Todes von Ivana Trump im Pillar-Podcast, Folge 78, durchexerziert.)

Fälle aus verschiedenen Ländern

  • Aus Deutschland sind Fälle vor der Geltung der DSGVO bekannt. Das Verwaltungsgericht München hat 2013 eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger eine Schwärzung seines Taufbucheintrags erreichen wollte. Eine staatliche Zuständigkeit gebe es bei dieser innerkirchlichen Angelegenheit nicht. Sogar der theologische Hintergrund wird in Rn. 18 erläutert. Noch etwas weiter ging ein Kläger vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der 2012 gleich die Taufe seiner Tochter für nichtig erklären lassen wollte. Absehbar ohne Erfolg. In einem Fall hat das AG Hagen 2012 tatsächlich eine Änderung in einem Taufregister angeordnet. Der Fall ist aber sehr besonders gelagert, da dabei festgestellt wurde, dass eine angebliche Nottaufe im Krankenhaus tatsächlich nicht stattgefunden hatte.
  • Ebenfalls vor Geltung der DSGVO hat in Frankreich René Lebouvier versucht, seinen Taufbucheintrag unter Verweis aufs Datenschutzrecht löschen zu lassen. Höchstrichterlich hat der französische Kassationshof 2014 das Ansinnen abgelehnt und bestätigte die Position des Appellationsgerichts, dass trotz formalem Kirchenaustritt das Taufdatum ein historischer Fakt bleibt und nicht gelöscht werden muss. Die Entscheidung wirkt bei der Durchsicht so, als hätte sie auch nach der DSGVO mit neuer Rechtsgrundlage Bestand. Auch eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte blieb erfolglos.
  • 2020 hat das Verwaltungsgericht in Slowenien eine Entscheidung der Datenschutzaufsicht bestätigt, dass eine Pfarrei einen Eintrag in einem Taufregister nicht löschen muss. Rechtsgrundlage dafür war die Ausnahme für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke (Art. 17 Abs. 3 lit. d) DSGVO und Art. 89 Abs. 1 DSGVO).
  • 2019 entschied die Datenschutzaufsicht in Österreich in einem Fall mit Bezug zu den Zeugen Jehovas, dass eine Unterlagensammlung zu einem Ex-Mitglied in einem verschlossenen Umschlag zu den grundrechtlich geschützten inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft gehört und daher kein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Löschung bestehe. Ein Widerspruch ist beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
  • 2021 hat der Oberste Gerichtshof in Spanien ebenfalls in einem Streit mit den Zeugen Jehovas entschieden, dass eine Datenspeicherung nach Austritt einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegt. Im vorliegenden Fall durften zwar der vollständige Name, das Ein- und das Austrittsdatum aus der Religionsgemeinschaft gespeichert werden, nicht aber Geschlecht, Gemeinde und Geburtsdatum. Dabei wurde auch die Religionsfreiheit mit dem Datenschutzgrundrecht abgewogen.
  • Noch keine Position gibt es aus Irland. Die irische Datenschutzaufsicht prüft seit Jahren – unter anderem auf eine Beschwerde von Marty Meany hin, die er sehr unterhaltsam in seinem Blog dokumentiert – die Rechtsgrundlage für eine unbegrenzte Datenspeicherung in Kirchenbüchern. 2019 berichtete die Aufsicht erstmals in ihrem Tätigkeitsbericht darüber, 2020 tauchte die Prüfung noch in einer Übersicht auf, im jüngsten Bericht nicht mehr. Aus den von der Aufsicht veröffentlichten Informationen geht keine rechtliche Position hervor.

Rechtsgrundlagen für die dauerhafte Speicherung

Aus der DSGVO

Die Fallsammlung zeigt, dass auch ohne einen Verweis auf religiöse Besonderheiten die Ausnahme für Archive im öffentlichen Interesse (Art. 17 Abs. 3 lit. d) DSGVO und Art. 89 Abs. 1 DSGVO) als einschlägig betrachtet werden kann. Das ist insofern plausibel, als dass Kirchenbücher eine relevante Quelle für Stammbaumforschung und Regionalgeschichte sind.

Hilfreich ist auch, dass Art. 9 Abs. 2 lit. d) DSGVO Religionsgemeinschaften die Verarbeitung von eigentlich unter die strengeren Regeln für besondere Kategorien von personenbezogenen Daten fallenden Mitgliederdaten auch nach deren Austritt erleichtert.

Der Europarechtler Gernot Sydow vertritt in seinem KDG-Kommentar die Position, dass Kirchenbücher gar nicht im Anwendungsbereich der DSGVO liegen: »Die Führung der Kirchenbücher (Taufbuch etc) verzeichnet kirchliche Amtshandlungen und hat somit zweifellos zwar einen Bezug zu personenbezogenen Daten, nicht aber einen Bezug zum Unionsrecht, was grundlegende Voraussetzung einer EU-Kompetenz für entsprechende Datenschutzregelungen wäre.« In ihrer Lobbytätigkeit zur DSGVO sieht die katholische Kirche das aber anscheinend nicht so und setzt lieber darauf, sich für eine explizite Ausnahme einzusetzen.

Aus einer Grundrechtsabwägung

Die DSGVO enthält keine spezielle Ausnahme beim Recht auf Vergessenwerden in Art. 17 Abs. 3 DSGVO. Dennoch ist die – in diesem Fall kollektive – Religionsfreiheit mit den Datenschutzgrundrechten in Einklang zu bringen und abzuwägen. Die oben skizzierte theologische Erforderlichkeit eines Taufregisters und die geringe Eingriffstiefe eines nichtöffentlichen Taufbucheintrags spricht dafür, dass diese Abwägung zugunsten der Aufbewahrung ausfallen dürfte. Im österreichischen und im deutschen Fall wurde damit argumentiert, dass Aufzeichnungen aus religiösen Erforderlichkeiten eine innere Angelegenheit darstellen, die von den Religionsgemeinschaften selbst geordnet werden und grundsätzlich der Regulierung des Staates entzogen sind.

Aus kirchlichem Recht

Religionsgemeinschaften, die gemäß Art. 91 DSGVO eigene Datenschutzregelungen anwenden, könnten in ihre Datenschutzgesetze entsprechende Ausnahmen schreiben. Das ist in einigen katholischen Datenschutzgesetzen wie in Spanien oder Polen auch geschehen, die beiden großen deutschen kirchlichen Datenschutzgesetze, das katholische KDG und das evangelische DSG-EKD, haben aber auf eine explizite Regelung von Kirchenbüchern verzichtet. Beide kennen aber die Rechtsgrundlage des »kirchlichen Interesses«, das für die Führung der Kirchenbücher herangezogen werden kann.

Das DSG-EKD und das KDG regeln eine Ausnahme beim Recht auf Löschung für im kirchlichen Interesse liegende Archivzwecke (§ 17 Abs. 3 Nr. 4 DSG-EKD, § 20 Abs. 3 lit. d) KDG), im DSG-EKD bleiben Vorschriften über das Archiv- und Kirchenbuchwesen vom Datenschutzrecht explizit unberührt (§ 17 Abs. 5 DSG-EKD). Auch ohne eine solche Regelung gehen die katholischen Kirchenbuchgesetze dem KDG grundsätzlich vor (§ 2 Abs. 2 KDG). Die speziellen Rechtsnormen der Kirchen für Kirchenbücher sehen vor, dass keine Löschungen zulässig sind und lediglich Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen werden. Außerdem stellen sie sicher, dass nur Berechtigte Einsicht in die Kirchenbücher nehmen können; der angemessene Zugriffsschutz spielte unter anderem in der französischen Entscheidung eine Rolle.

Entscheidungen der kirchlichen Gerichtsbarkeit und der kirchlichen Datenschutzaufsichten zu Löschbegehren in Kirchenbüchern sind nicht bekannt – angesichts der klaren Rechtslage sind hier aber auch keine Überraschungen zu erwarten. Zumindest von der evangelischen Aufsicht gibt es auch explizite Informationen dazu in einem Kurzpapier zum Löschen.

Fazit

Einmal getauft, immer getauft. Und einmal im Taufbuch, immer im Taufbuch – das dürfte sich auch mit der DSGVO nicht ändern. Bislang deuten alle bekannten Entscheidungen darauf hin, dass Religionsgemeinschaften ihre Taufbücher und vergleichbare Register dauerhaft führen dürfen. Anträge, das Recht auf Löschung auszuüben, dürften also alle scheitern.

Wer dennoch auf eine Löschung aus kirchlichen Matrikeln hofft, kann nach aktuellem Stand nur noch auf den EuGH setzen. Der ist für seine sehr betroffenenfreundlichen Entscheidungen im Datenschutzrecht so bekannt wie für seine restriktive Auslegung kollektiver Religionsfreiheit. Nur muss man dazu erst einmal eine Entscheidung vor den EuGH bringen – das dauert, und da, wo zunächst kirchliche Gerichte entscheiden, ist der Weg zum EuGH noch nie beschritten worden.

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