Französischer Staatsrat verneint Löschrecht für Taufbucheinträge

Auch in Frankreich müssen Kirchen Einträge aus Taufbüchern nicht löschen. Der französische Conseil d’État hat in seiner Funktion als oberstes Verwaltungsgericht am Freitag einen Einspruch gegen eine Entscheidung der Datenschutzaufsicht CNIL zurückgewiesen. Schon die Aufsicht hatte die Beschwerde eines ehemaligen Katholiken abgelehnt, seinen Taufeintrag zu löschen.

Die Südfassade des Palais Royal in Paris mit der goldenen Aufschrift »Conseil d'État« auf dem Architrav, die Flaggen Frankreichs und der EU flattern im Wind vor bewölktem Himmel.
(Bildquelle: Chabe01, CC BY-SA 4.0, bearbeitet und zugeschnitten.)

Der Staatsrat folgt mit Entscheidung dem europäischen Trend, dass das Interesse der Kirche das Interesse von Betroffenen bei der Führung von Taufbüchern überwiegt. In den vergangenen Jahren hatten europaweit Aufsichten und Gerichte diese Rechtsauffassung vertreten, zuletzt die irische Aufsicht. Die jüngst veröffentlichte gegenteilige Auffassung der belgischen Aufsicht ist weiterhin deutlich in der Minderheit. Die sehr kurz gefasste französische Entscheidung zeigt auf kleinem Raum die Argumentation für eine Ablehnung von Löschrechten im Taufbuch.

Die Entscheidung im Volltext: Conseil d’État, Beschluss vom 4. Februar 2024, Az. 461093 (ECLI:FR:CECHR:2024:461093.20240202).

Der Fall

Im Februar 2020 hatte ein Mann bei der CNIL Beschwerde gegen die Diözese Angers eingereicht, um die Löschung seines Taufbucheintrags durchzusetzen. Im Dezember 2021 stellte die CNIL das Verfahren ein und stellte fest, dass keine Löschrechte gemäß Art. 17 DSGVO bestünden und der Vermerk über die Distanzierung von der Kirche im Taufbuch eine ausreichende Reaktion auf den Widerspruch gemäß Art. 21 DSGVO darstelle. Dagegen klagte der Mann.

Das Gericht übernimmt die Darstellung der CNIL des Sachverhalts zum Taufregister. Diese hatte festgestellt, dass die Taufdaten von der Kirche verarbeitet werden, um die Nicht-Wiederholbarkeit der Taufe zu sichern und den kirchenrechtlichen Status einer Person, etwa in Ehesachen, zu dokumentieren. Die fraglichen Taufbücher seien nicht digitalisiert, Zugriff haben nur die betroffenen Personen, die zuständigen Geistlichen und von ihnen beauftragte Mitarbeiter*innen, und das auch nur zur Prüfung des Personenstands und zur Ausstellung von Urkunden. Die Daten werden gesichert aufbewahrt und nach 120 Jahren in das historische Archiv der Diözese überführt.

Die Entscheidung

Nach Ansicht des Gerichts ist die so gestaltete Führung von Taufbüchern mit Art. 9 Abs. 2 lit. d) DSGVO vereinbar. Dieser Ausnahmetatbestand ermöglicht es unter anderem Religionsgemeinschaften, besondere Kategorien personenbezogener Daten von gegenwärtigen und ehemaligen Mitgliedern zu verarbeiten. Die Aufbewahrung auch über den Tod der betroffenen Person hinaus sei zum Zweck der Verarbeitung erforderlich. Damit fällt eine Löschung aufgrund weggefallener Erforderlichkeit oder unrechtmäßiger Verarbeitung (Art. 17 Abs. 1 lit. a), d) DSGVO) aus. Da die Verarbeitung nicht auf Einwilligung beruht, kann auch keine Einwilligung widerrufen werden.

Es bleibt die Frage, ob eine Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. c) DSGVO mit einem Widerspruch gegen die Verarbeitung erwirkt werden kann. Der Widerspruch muss von der Person »aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben« (Art. 21 Abs. 1 DSGVO) eingelegt werden. Gelöscht werden muss dann, wenn »keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung« für die Verarbeitung vorliegen. Nach Ansicht des Conseil d’État überwiegt das Interesse der Kirche an den Taufbuchdaten die Interessen der betroffenen Person an der Löschung. In die Interessensabwägung fließen die Zwecke der Taufbuchdaten, ihre Sicherung und die Möglichkeit eines Vermerks über die Distanzierung zugunsten der Kirche ein.

Damit hat die CNIL zurecht die Beschwerde zurückgewiesen, der Einspruch wird abgewiesen.

Fazit

Die erste bekannte französische Entscheidung zum Löschen von Taufbucheinträgen nach Kirchenaustritt unter Geltung der DSGVO bleibt auf der zuvor schon zu erwartenden Linie – schon 2014 gab es eine ähnliche Entscheidung des Kassationshofs. Die die Entscheidung tragenden Gründe geben komprimiert wieder, was man wie die irische Aufsicht auf deutlich mehr Raum ausführen kann.

Mit der Entscheidung liegt nun auch aus Frankreich ein höchstrichterlicher Beschluss vor (in einem ähnlichen Fall gibt es eine Entscheidung aus Spanien). Das Gericht sah keine Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens. Das ist nachvollziehbar: Die Entscheidung kommt durchweg mit einer Auslegung der Normen der DSGVO am Wortlaut entlang aus. Es braucht insbesondere keine Abwägung zwischen Datenschutzgrundrecht und dem Recht auf kollektive Religionsfreiheit, die die Entscheidung komplizierter gemacht hätte. Wieder einmal zeigt sich, dass die DSGVO allein – ohne eigenes kirchliches Datenschutzrecht – durchaus in der Lage ist, die für kirchliche Belange besonders kritischen Datenverarbeitungen angemessen zu gestalten.

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