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Die Woche im kirchlichen Datenschutz
Versehentlich religiöse Daten verarbeiten
Besondere Kategorien hat man schneller am Bein, als einem das lieb ist. Im Tätigkeitsbericht für 2024 berichtet die Berliner Landesdatenschutzbeauftragte von einer Vor-Ort-Prüfung zur Übernahme eines Wohnungsbestands. Bei Stichproben wurden umfangreiche Datenbestände von gefunden, die für die Begründung und Durchführung von Mietverhältnissen nicht erforderlich sind. Darin: »Daten über die religiöse Überzeugung der Mieter:innen in der Form, dass diese keine Kirchensteuer bezahlen« (wie genau diese Daten vorhanden waren, steht nicht im Bericht, aber bereits Lohnzettel als Gehaltsnachweise genügen) – Datensparsamkeit und der Erforderlichkeitsgrundsatz hätten hier verhindern können, dass man als Wohnungsunternehmen sensible Daten verarbeitet.
Beichtgeheimnis im US-Recht
Im US-Bundesstaat Washington müssen Geistliche Missbrauch staatlichen Behörden melden – das Beicht- und Seelsorgegeheimnis wird in solchen Fällen ausgesetzt. Das hat schon zu Protest der Kirche geführt. Der Religionsrechtler Mark Movsesian ordnet bei »Volokh Conspiracy« den Schutz des Beichtgeheimnisses in die US-Rechtsgeschichte ein. Schon 1813 habe ein Gericht das Aussageverweigerungsrecht über in der Beichte erlangte Informationen über Straftaten festgestellt. Zentral für die rechtliche Würdigung des Washingtoner Gesetzes sei die Ungleichbehandlung von Beichtgeheimnis und Anwaltsgeheimnis:
»Under cases like Fulton v. City of Philadelphia and Tandon v. Newsom […] laws that provide exemptions for secular conduct but not analogous religious conduct must survive strict scrutiny. That means the government must show that the law advances a compelling state interest and that it uses the least restrictive means of doing so. Punishing child abuse is undoubtedly a compelling state interest, but if the law allows attorneys to withhold relevant information while requiring clergy to disclose it, the state will have difficulty justifying its choice.«
Kirche in Kolumbien muss Presseanfragen zu Missbrauch beantworten
Das kolumbianische Verfassungsgericht hat die katholische Kirche dazu verpflichtet, Presseanfragen zu Missbrauchsbeschuldigten zu beantworten. Die Entscheidung SU-184/25 ist noch nicht veröffentlicht, aber eine ausführliche Pressemitteilung. Die Kirche muss den klagenden Journalisten Auskunft geben über Kleriker, gegen die wegen mutmaßlicher Sexualverbrechen an Kindern und Jugendlichen ermittelt wurden. Darüber hinaus muss sie Informationen über alle Geistliche bereitstellen, die in der Seelsorge und allgemein in der Gemeindearbeit tätig waren.
Das Gericht nimmt Bezug auf zwei ältere Entscheidungen. 2020 und 2022 wurde die Erzdiözese Medellín verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Diese Entscheidungen sind veröffentlicht (T-091/20 vom 3. März 2020 und SU191/22 vom 2. Juni 2022). Aus diesen Entscheidungen nimmt das Gericht die Maßstäbe, anhand derer es die Abwägung von Datenschutz und Informationsrecht der Presse vornimmt:
»Demnach stellen die Informationen über die Beschwerden, die religiöse Organisationen möglicherweise erhalten haben, ihre Kenntnis des Strafverfahrens sowie die Maßnahmen, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem gemeldeten Verhalten ergriffen wurden, einen geringfügigen Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Personen dar, verglichen mit dem berechtigten Interesse der Gesellschaft an dieser Information.«
Die kolumbianische Bischofskonferenz kündigte an, sich nach Veröffentlichung der ganzen Entscheidung im Detail zu äußern und verwies auf die in der Pressemitteilung veröffentlichen Minderheitenvoten:
»[Der Fall gibt] Anlass zur Sorge, dass gemäß den […] geäußerten abweichenden Meinungen ›die Forderung unverhältnismäßig ist‹, da sie sich auf einen zu langen Zeitraum bezieht und ›die Forderung, die Lebensläufe aller lebenden oder verstorbenen Priester der Diözesen, Erzdiözesen und Institutionen der katholischen Kirche in ihrer gesamten Geschichte zu übermitteln, und nicht nur die derjenigen, gegen die derzeit wegen mutmaßlicher sexueller Missbrauchshandlungen an Minderjährigen ermittelt wird oder die aus diesem Grund verurteilt wurden, auf einer allgemeinen Vermutung der Bösgläubigkeit beruht, die der Unschuldsvermutung entgegensteht die ein Stereotyp darstellt, das an sich schon eine Diskriminierung darstellt‹.«
Bislang hat die Kirche laut Medienberichten nur 13 Prozent der Anfragen beantwortet; allein dadurch konnten die Journalist*innen aber 600 Beschuldigte identifizieren. In Deutschland wäre ein derartiges Urteil wohl nicht möglich; nichtstaatliche Organisationen zu Presseauskünften zu verpflichten, in in der deutschen Rechtsordnung nicht vorgesehen.
In eigener Sache
- Bei den Praxistagen Datenschutz & Informationssicherheit in Gesundheits- und Sozialwesen, Kirche & Non-Profits von Althammer & Kill bin ich wieder mit einem Workshop zu den Novellen der kirchlichen Datenschutzgesetze dabei. (10. bis 12. September 2025 in Hannover, ab 890 Euro)
- Für JHD|Bildung biete ich wieder Online-Seminare an. Am 9. Juli 2025, 9.30–11.30 Uhr, geht es um KI-Kompetenz (15 Euro, Anmeldeschluss 25. Juni 2025), am 8. Oktober 2025, 16.30–19 Uhr gibt es das Seminar zu Bildrechten (20 Euro, Anmeldeschluss 24. September 2025).
Auf Artikel 91
Aus der Welt
- Nicht von Microsoft abhängig sein ist ist möglich – braucht aber den Willen und eine Strategie für die technische Umsetzung und noch mehr: die Fähigkeit, alle Beteiligten mitzunehmen. Wie das geht, wird im Blog von a.s.k. Datenschutz anhand des eigenen Beispiels sehr gut dargestellt.
- Die BfDI hat einen KI-Fragenkatalog veröffentlicht, mit dem die Einführung von KI-Systemen begleitet werden kann. Der Katalog ist sehr umfangreich, wirkt aber ganz praxistauglich – auch wenn natürlich bei vielen Systemen von der Stange es gar nicht so einfach ist, Fragen zu Daten in den Modellen zu beantworten.
Kirchenamtliches
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