Nichts tun ist keine Lösung – Wochenrückblick KW 23/2025

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Wochenrückblick Kirchlicher Datenschutz KW 23/2025
(Bildquelle: ali syaaban on Unsplash)

Die Woche im kirchlichen Datenschutz

Schulwebseiten-Prüfung ohne viele Konsequenzen

Ein guter Tipp für den Umgang mit Datenschutzaufsichten: Wenn sich die Aufsicht meldet, sollte man vor allem nicht nichts tun. Wer kritische Hinweise ignoriert, ist selber schuld. Da verwundert es dann doch, wenn das KDSZ Frankfurt nach der angekündigten erneuten Prüfung von Schulwebseiten das hier vermelden muss: »Hierbei konnten keine wesentlichen Veränderungen im Vergleich zu den im Herbst 2024 durchgeführten Prüfungen festgestellt werden, d. h. dass die seinerzeit festgestellten datenschutzrechtlich problematischen Auffälligkeiten im überwiegenden Teil der Schul-Websites nach wie vor vorhanden sind.«

Die Aufsicht kündigt Tiefenprüfungen einzelner Webseiten und mehr Sensibilisierung an. Von den Verantwortlichen verlangt die Aufsicht nichts Unleistbares. Eine aus dem Ergebnisbericht abgeleitete Checkliste sieht eigentlich ganz machbar aus. Wenn man nicht nichts tut.

Kritik am Vatikan-Verbot von Namensnennung verstorbener Beschuldigter

Der Vatikan sieht es als nicht zulässig an, die Namen verstorbenener Beschuldigter zu nennen, wenn es keine rechtskräftige Verurteilung gab (darüber habe ich bereits im Februar berichtet). Die Rechtsposition des Dikasteriums für die Gesetzestexte wurde zwar international wahrgenommen, von Seiten der Diözesen war es aber recht still. Auf Feinschwarz meldet sich nun Jan-Luca Helbig zu Wort, Jurist und Referent für Aufarbeitung beim Erzbistum Köln. Der Rechtshistoriker ordnet nicht nur kundig den Stellenwert des guten Rufs im kanonischen Recht und in der Theologie ein, sondern macht auch das Aufarbeitungsinteresse gegen die einseitige Stellungnahme des Gesetzestextedikasteriums stark:

»Es ist zu begrüßen, dass Rom das Persönlichkeitsrecht gegen pauschale Anschuldigungen schützen will. Doch die kirchenrechtliche Prüfung eines Aufrufs sollte nicht bloß davon abhängen, ob ein Beschuldigter zu Lebzeiten verurteilt wurde. Eine solch einseitige Perspektive versperrt den Blick auf andere beweisrelevante Umstände, die für die Schuld eines Täters sprechen – beispielsweise ein Geständnis nach Eintritt der Verjährung, glaubhafte Zeugenaussagen oder Bild- und Videomaterial. Wie im weltlichen Äußerungsrecht muss es auch im kirchlichen Bereich auf alle Umstände des Einzelfalls ankommen. Anstatt Aufrufe durch starre Kriterien zu verhindern, sollte man stärker als bisher an die Klugheit der Rechtsanwender appellieren.«

Digitale Souveränität in der konfessionellen Sozialwirtschaft

Digitale Souveränität hat durch die politischen Entwicklungen in den USA eine neue Bedeutung gewonnen. Die Abhängigkeit von US-Diensten scheint nicht mehr nur theoretisch. Auch bei religiösen Wohlfahrtsorganisationen ist das zunehmend Thema: Das zeigt eine Veranstaltungsreihe des Digitalverbands Sozialwirtschaft, bei der das Caritas-Netzwerk IT und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland zwei konfessionelle Dachverbände sowie mit Althammer & Kill und Connext Vivendi zwei mit dem kirchlichen Bereich vertraute Dienstleister zu den Veranstaltenden gehört. Zur digitalen Auftaktveranstaltung am 16. Juni kann man sich noch bis zum 13. Juni anmelden. (Offenlegung: Mit Althammer & Kill arbeite ich in der Regel einmal im Jahr zusammen, siehe unten, der Veranstaltungshinweis ist keine bezahlte Werbung.)

Orthodoxe Kirche Griechenlands protestiert gegen digitale Personalauweise

Personalausweise sind ein heikles Thema in Griechenland. Vor 25 Jahren gingen Tausende unter der Führung von Erzbischof Christodoulos auf die Straße, um gegen die Abschaffung des Religionseintrags im Ausweis zu protestieren. Ein Vierteljahrhundert später gibt es wieder Proteste. Dieses Mal geht es um die Einführung eines elektronischen Personalausweises. Im vergangenen August hatte sich die Synaxis, die Versammlung der zwanzig Äbte des Bergs Athos, an die Regierung gewandt und in einem Brief gefordert, die Ausgabe einer persönlichen Identifikationsnummer freiwillig zu machen. Interessant ist, dass die Mönche rein bürgerrechtlich argumentieren: »We express our serious concern and worry about the protection of citizens’ personal data, given that the Personal Identification Number can link a multitude of personal information in a common system.« (Übersetzungen von OrthoChristian.) Schon 2016 hatten sich die Mönche an Protesten gegen das Vorhaben beteiligt.

Vor zwei Wochen hat Metropolit Nektarios von Korfu vor den Plänen gewarnt unter Verweis auf Gefahren einer »Gesundheitsdiktatur«: »Our era is characterized by a dramatic and rapid transition from the health dictatorship—as established during the pandemic—to a form of electronic totalitarianism, where the human person is threatened with complete depersonalization.«

Auch wenn Nektarios wie andere gegen die Ausweise Protestierende einen verschwörungsmythischen Zungenschlag pflegt, erinnert abseits davon seine Argumentation durchaus ans Volkszählungsurteil des BVerfG und das Datenschutzverständnis des katholischen Lehramts:

»The so-called ›digital state‹ does not come to serve the citizen; it comes to define, analyze, monitor, and ultimately manipulate him. The human is transformed into a number, into data, into statistics. He loses his personhood. And this is the most tragic of all.«

Jetzt hat der griechische Digitalminister darauf reagiert und das Vorhaben verteidigt. Die Datensicherheit sei gewährleistet, wie auch ein Gutachten der Datenschutzaufsicht festgestellt habe, außerdem sei das Vorhaben notwendig für Effizienz und Bürokratieabbau.

Dass Ausweise für die Kirche in Griechenland so ein großes Thema sind, hat weniger mit einer besonderen Sensibilität für Freiheitsrechte zu tun. Stattdessen hat bereits im 20. Jahrhundert der heilige Paisios vom Berg Athos (1924–1994) in neu eingeführten Personalausweisen das Malzeichen des Tieres aus der Offenbarung gesehen, da er – wie viele Verschwörungsideologen – im Barcode »666« kodiert sah.

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