Interessante Verfahren – Wochenrückblick KW 24/2024

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Wochenrückblick Kirchlicher Datenschutz KW 24/2024
(Bildquelle: ali syaaban on Unsplash)

Die Woche im kirchlichen Datenschutz

Mainz zeigt, wie kirchliches Interesse geht

Für die Veröffentlichung von Sakramentsspendungen, Jubiläen, Geburten und Sterbefällen hat das Bistum Mainz ein allgemeines Ausführungsdekret erlassen. Die Regelungen sind – so auch die Präambel – ans Bundesmeldegesetz angelehnt und ermöglichen die Veröffentlichung auch auf Pfarreiwebseiten. So weit, so unspektakulär. Bemerkenswert ist die Art, wie das Dekret rechtssystematisch vorgeht: Es wird nämlich kein Gesetz erlassen, so dass das Dekret die Erlaubnis nicht auf die Rechtsgrundlage § 6 Abs. 1 lit. a) KDG (Anordnung oder Erlaubnis durch eine Rechtsvorschrift) stellt, sondern eben ein allgemeines Ausführungsdekret für die Rechtsgrundlage § 6 Abs. 1 lit. f) KDG, also die ominöse Wahrnehmung einer Aufgabe im kirchlichen Interesse. Allgemeine Ausführungsdekrete schaffen kein neues Recht, sondern »beziehen sich stets auf geltende Gesetze, die sie anwenden, konkretisieren und interpretieren, ohne ihnen neue verpflichtende Inhalte hinzuzufügen« (Socha in MKCIC 31, 3).

Das ist nicht nur rechtssystematisch stringent und erfreulich elegant, sondern hilft auch über das Dekret hinaus dabei, mehr darüber zu erfahren, wie die Rechtsgrundlage kirchliches Interesse funktioniert. In der Präambel wird nämlich ausgeführt, warum die genannten Veröffentlichungen im kirchlichen Interesse sind: »Es gehört zu den Aufgaben der Kirche und liegt zugleich im kirchlichen Interesse, die Gläubigen über die Spendung von Sakramenten, festlich begangene Jahrestage und Jubiläen sowie über freudige und schmerzliche Ereignisse zu informieren, um dadurch einerseits die Gemeinschaft der Gläubigen zu stärken und die Anteilnahme am Leben der Gläubigen in den Pfarreien, Gemeinden und weiteren Orten kirchlichen Lebens zu fördern, andererseits die Dienstgemeinschaft zu stärken und den Dienstnehmern, Priestern und Ordensleuten Wertschätzung entgegen zu bringen.« Wer sich selbst auf die Rechtsgrundlage beziehen will, kann sich an dieser Art der Argumentation orientieren.

Das Fax hat meine Antragsschrift gefressen …

… ist jetzt nicht die beste Ausrede, um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bekommen. Das musste eine Anwaltskanzlei feststellen, deren Fax-Drama die Hauptrolle in einem frisch veröffentlichten Beschluss des Interdiözesanen Datenschutzgerichts spielt (IDSG 05/2023, Beschluss vom 26. Juni 2023). Das hohe Gericht war sichtlich genervt von der exzessiven Faxerei: »Am 15. Februar 2023 ist beim beschließenden Gericht ein sieben Seiten umfassendes Fax eingegangen; bei zwei Seiten davon handelt es sich um das Schreiben des Rechtsanwalts XX vom 9. April 2021. Fünf Seiten enthalten den Gesetzestext von § 6 Abs. 3 bis § 18 KDSGO. Die Paginierung ist fortlaufend von 015/021 bis 021/021.« Dass die Seiten 1 bis 14 nicht ankamen, hat die Kanzlei leider zu spät bemerkt. Die Einsetzung in den vorigen Stand wurde verweigert.

Neben den lustigen Aspekten (kein Mitleid für Fax!) betont die Entscheidung auch noch einmal, dass für das IDSG sicher feststeht, dass im Zweifel alle Verfahrensfragen aus dem VwGO ergänzt werden, nicht aus dem kirchlichen Prozessrecht: »die entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 60 VwGO folgt aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, wie er in der Präambel der KDSGO Ausdruck gefunden hat.« Ob das die Bischöfe wohl wussten, als sie die KDSGO beschlossen haben? (Sydow hat das etwas ausführlicher verargumentiert.)

Keine Berufungen im Arbeitsrecht am kirchlichen Höchstgericht

In der aktuellen Ausgabe von »De processibus matrimonialibus« ist ein Dekret der Apostolischen Signatur (Prot. n. 54864/20 VT vom 12. Juni 2020), des obersten Kirchengerichts, abgedruckt. Darin geht es um die Frage nach dem Berufungsrecht vor kirchlichen Arbeitsgerichten. Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage ab, die zweite Instanz stellte fest, dass eine Berufung gemäß den Bestimmungen der KAGO nicht möglich sei. Dagegen hat der Kläger beim Apostolischen Stuhl Berufung eingelegt und beantragt, die Entscheidung der zweiten Instanz aufzuheben und die Berufung zuzulassen. Außerdem wollte er durch eine authentische Interpretation klären lassen, ob das Berufungsrecht durch Partikularrecht ausgeschlossen werden kann. (Mit authentischen Interpretationen stellt die zuständige Autorität verbindlich fest, wie ein Gesetz auszulegen ist. Hier ging es darum: Dürfen Bischöfe ein Gesetz erlassen, das das universalkirchlich in c. 1628 festgelegte Berufungsrecht ausschließt?)

Das Gericht wies die Klage umfassend ab: Es bestehe kein Recht, Berufung beim Apostolischen Stuhl einzulegen, und die Rechtslage sei klar, so dass es keine authentische Interpretation brauche. Das begründete die Signatur damit, dass die KAGO eine solche Berufung nicht vorsieht und die KAGO mit einem Mandat des Heiligen Vaters erlassen und genehmigt wurde. Diese Entscheidung ist auch für den kirchlichen Datenschutz hochgradig relevant: Die KDSGO ist nämlich auf dieselbe Weise wie die KAGO entstanden und regelt keine Berufung gegen Entscheidungen der zweiten Instanz. Damit dürfte jetzt klar sein: Mit dem DSG-DBK ist der Rechtsweg ausgeschöpft, eine Berufung an der Signatur ist fruchtlos. Bisher ging die wenige Literatur (= 1 Aufsatz) davon aus, dass der Rechtsweg nach Rom offensteht.

Weiterhin nur anwaltliche Vertretung durch Christ*innen vor evangelischen Gerichten

Die Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen hatte in einem Verfahren im Datenschutzkontext die Frage zu klären, ob man sich vor kirchlichen Gerichten wirklich nur von Mitgliedern einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft christlichen Kirche als Beistand oder Bevollmächtigte vertreten lassen kann (VK 4/23, Beschluss vom 15. Januar 2024, nicht rechtskräftig). Wenig überraschend: So ist es. Die Kammer begründet auch, warum das evangelische Recht das so vorsieht: »Innerkirchlich liegt der Regelung der Gedanke zugrunde, die Taufe und die hieraus folgende Ansprechbarkeit auf die der Kirche geltende Verheißung seien elementare Bedingungen gemeinschaftlich verantworteten kirchlichen Handelns, das mit seinem Fokus auch auf Schrift und Bekenntnis in besonderer Weise Raum für einvernehmliche Lösungen – etwa im Rahmen eines Vorverfahrens – lässt, damit der Vertreter oder Beistand bei aller Parteinahme auch das in jeder Entscheidungssituation geistlich Angezeigte erkennen kann.« (Das katholische Prozessrecht sieht in c. 1483 CIC eigentlich vor, dass Anwält*innen, nicht aber Prozessbevollmächtigte, grundsätzlich katholisch sind. Da die katholischen Datenschutzgerichte aber die VwGO und nicht das kanonische Prozessrecht anwenden, besteht vor ihnen dieses Erfordernis wohl nicht.)

Möglich und verfassungsrechtlich unproblematisch sei das im Bereich des Datenschutzrechts, erläutert die Kammer, weil Datenschutz als innere Angelegenheit zu betrachten sei, die von der Kirche selbst geregelt werden könne: »Das Datenschutzrecht ist bezogen auf die von kirchlichen Stellen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform gemäß § 2 Abs. 1 DSG-EKD, also auch von kirchlichen Krankenhäusern, selbst im Rahmen ihrer Tätigkeit oder in ihrem Auftrag verarbeiteten personenbezogenen Daten (§ 2 Abs. 3 DSG-EKD) im Sinne von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV nach dem maßgeblichen kirchlichen Selbstverständnis „eigene Angelegenheit“ der Evangelischen Kirche «

Woelki zum Digitaltag

Zum fünften bundesweiten Digitaltag am 7. Juni hat Kardinal Rainer Maria Woelki, der Vorsitzende der Wissenschafts- und Kulturkommission der Deutschen Bischofskonferenz, ein Statement veröffentlichen lassen und ruft dazu auf, den Einsatz von KI in Wissenschaft und Kultur an ethischen Standards auszurichten. Datenschutz kommt nur in der Aufzählung von wertebasierten Qualitätsanforderungen vor: »Menschenwürde und Verantwortung, Fairness und Inklusion, Autonomie und Kontrolle, Transparenz, Erklärbarkeit, Sicherheit und Datenschutz. Es ist notwendig, dass wir das alles öffentlich diskutieren – damit der Einsatz von KI human bleiben kann.«

In eigener Sache

  • Bei den Praxistagen Datenschutz & Informationssicherheit von Althammer & Kill vom 4. bis 6. September bin ich wieder als Referent dabei, dieses Mal voraussichtlich zum neuen DSG-EKD. (Anmeldung bei Althammer & Kill, 850 Euro)

Auf Artikel 91

  • Auf Mastodon läuft der 1. Merch Contest der Datenschutzaufsichten. Ein Fest für alle Freund*innen von Kugelschreibern und Stoffbeuteln. Das KDSZ Bayern (bisher die einzige kirchliche Aufsicht im Fediverse) ist (noch) nicht im Wettbewerb.

Kirchenamtliches

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