Eingewilligt aufgeboten – Wochenrückblick KW 16/2023

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Wochenrückblick Kirchlicher Datenschutz KW 16/2023
(Bildquelle: ali syaaban on Unsplash)

Die Woche im kirchlichen Datenschutz

Aufgebot nur mit Einwilligung

Die KDSA Ost widmet sich der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Aufgeboten. Anders als im staatlichen Recht ist das Aufgebot vor einer Eheschließung im Kirchenrecht noch vorgesehen und in Deutschland mit einer Partikularnorm der DBK geregelt. Die Aufsicht stellt sich nun die Frage, ob die Vermeldung einer anstehenden Trauung im Sonntagsgottesdienst oder durch Aushang weiterhin zulässig ist. Die Partikularnorm ist klar und scheint eine Rechtsgrundlage zu bieten. Die Aufsicht geht trotzdem davon aus, dass diese Norm eine kirchliche Rechtsvorschrift darstellt, die den Regelungen des KDG nur dann vorgeht, wenn sie das Datenschutzniveau des KDG nicht unterschreitet – das sei aber der Fall. Die Aufsicht sieht eine Pflicht für Pfarrer, vom Aufgebot zu dispensieren, wenn die Eheleute nicht einwilligen: »Soweit die Partikularnorm für Geistliche die Möglichkeit vorsieht, aus gerechtem Grund vom Aufgebot zu dispensieren, ist ein solcher gerechte Grund in der Einhaltung des kirchlichen Datenschutzgesetzes zu sehen.« Eine Pflicht zur Dispens, die ja ein Gnadenakt ist, scheint etwas unintuitiv – in der Kommentarliteratur scheint die Möglichkeit eines Rechtsanspruchs auf Dispensierung mehrheitlich bejaht zu werden. (vgl. Socha in MKCIC, 85, 18.)

Genuin kirchenrechtliche Fragen im engeren Sinn werden von den katholischen Aufsichten selten thematisiert. Dass die KDSA Ost das jetzt doch tut und damit auch noch die schwierige Frage des Verhältnisses des KDG zu anderem kirchlichen Recht angeht, dürfte über den konkreten Sachverhalt hinaus sehr hilfreich sein: Gewählt wird der Einstieg über § 2 Abs. 2 KDG, der die Schranke des Datenschutzniveaus hat; der europarechtlich schwierige (da wohl nicht im Einklang mit Art. 6 DSGVO stehende) Einstieg über die Rechtsgrundlage § 6 Abs. 1 lit. a) (Erlaubnis oder Anordnung durch ein anderes Gesetz) wird gar nicht erst geprüft.

Kirchlicher Beschäftigtendatenschutz nicht durch EuGH-Entscheidung berührt

Nach der EuGH-Entscheidung zu § 23 Abs. 1 des Hessischen Datenschutzgesetzes steht auch der § 26 BDSG im Zwielicht, der ähnlich gelagert ist: Auch im BDSG findet sich keine »spezifischere Vorschrift« als ohnehin in der DSGVO. Das wirft die Frage nach dem kirchlichen Datenschutzrecht auf, das sich in § 53 KDG eng ans BDSG anlehnt. Die KDSA Ost kommt zu dem Schluss, dass trotz sehr ähnlicher Formulierung die EuGH-Entscheidung keine Auswirkung hat: Anders als im staatlichen Recht geht sie nicht auf die Öffnungsklausel zum Beschäftigtendatenschutz (Art. 88 DSGVO) zurück, sondern auf Art. 91 DSGVO, die Einklang zwischen kirchlichem Datenschutzrecht und DSGVO verlangt: »Dies ist im Hinblick auf diese Vorschrift der Fall, da die Regelungen des § 53 KDG den Wertungen der DS-GVO, wie sie sich aus Art. 6 DS-GVO ergeben entsprechen.«

Mehr Beschwerden in Hessen über Religionsgemeinschaften

Der Tätigkeitsbericht des Hessischen Landesdatenschutzbeauftragten schlüsselt die Fälle nach Sachgebieten auf. Im Vergleich zum Vorjahr sind im aktuellen Tätigkeitsbericht für 2022 die Beschwerden im Fachgebiet Religionsgemeinschaften deutlich von 5 auf 12 gestiegen.

Digitale Privatsphäre für Priester

Haben Priester ein Recht auf Privatsphäre? Aus Sicht des Kirchenrechts ist die Antwort klar: Ja, wie alle Menschen gemäß c. 220 CIC. In der Diskussion der Jagd nach queeren Priestern durch die Auswertung von Standortdaten von Dating-Apps spielt dieses kirchliche Grundrecht bislang keine Rolle. Schon beim letzten Mal hatte ich das angemerkt mit Verweis auf die US-amerikanische Rechtskultur. Wie damals vermutet, bringt nun die Juristin und Theologin Cathleen Kaveny in einem Beitrag für Commonweal nicht den kanonischen Intimsphärenschutz an, sondern Beweisverwertungsverbote: »The government is thereby dis-incentivized from conducting searches without a warrant, except in certain extreme circumstances. The bishops should adopt similar disincentives for lay sleuths. They should strongly condemn any violation of priestly privacy, and they should declare that they will not allow priests whose activities were discovered in an unethical manner to be targeted or punished.« Für die Zulässigkeit solcher Gesetzgebung wäre c. 220 CIC ein Argument.

KDSZ ist KdÖR

Im Bayerischen Ministerialblatt steht’s noch nicht, aus dem Bamberger Amtsblatt aber erfährt man, dass die neue bayerische Aufsicht von Anfang an Körperschaft war: Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat demnach durch Schreiben vom 8. März 2023 dem Katholischen Datenschutzzentrum Bayern den Körperschaftsstatus verliehen. Damit bleiben die Überlegungen, was bei einer verspäteten Anerkennung passieren würde, akademisch.

In eigener Sache: Mastodon-Fortbildung

Ist Mastodon eine Twitter-Alternative in der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit? Was sind die Unterschiede, was ist zu beachten, wie steigt man ein? Darum geht’s in einer Fortbildung von JHD|Bildung am 11. Mai von 19 bis 21 Uhr, die ich leite. Informationen und Anmeldung (10 Euro) beim Jugendhaus Düsseldorf. Einen ersten Ausblick aus dem Archiv gibt ein Interview mit den Machern der Mastodon-Instanz kirche.social.

Auf Artikel 91

  • Bei der taz kommentiert Kaija Kutter staatliche Facebook-Fanpages und den dadurch beförderten Stil der Kommunikation: »Aber auch dann, wenn die rein datenschutzrechtlichen Bedenken eines Tages geklärt wären, stellt sich die Frage, ob dieser Facebook-Auftritt politisch angemessen ist – oder auch ein bisschen Bürgerverblödung?«

Kirchenamtliches

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