Die katholische Kirche steht nicht erst seit Aktionen wie „Out In Church“ immer wieder in der Kritik für das kircheneigene Arbeitsrecht. Mit der Änderung der Grundordnung des Kirchlichen Dienstes (nachfolgend Grundordnung) im vergangenen November und die neue Musterordnung für die Erteilung der Missio canonica zeigt die Bischofskonferenz, dass sie diese Kritik verstanden hat.
Trotzdem bleibt ein Unbehagen beim Gedanken daran zurück, dass Mitarbeitende von kirchlichen Einrichtungen ganz legal gekündigt werden konnten, wenn der Dienstgeber mitbekommt, dass diese Mitarbeitenden homosexuell sind. Im weltlichen Bereich würde ein solches Vorgehen einen Skandal und einen Verstoß sowohl gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als auch den Datenschutz darstellen. An dieser Stelle soll deshalb die Frage aufgeworfen werden, weshalb das kirchliche Datenschutzrecht solche Handlungen und die zugrundeliegende Datenverarbeitung überhaupt erlaubt hat.
Ein Gastbeitrag von Ines Bock
Loyalitätsobliegenheiten
Für die Beantwortung dieser Frage ist ein Begriff ganz zentral: Loyalitätsobliegenheiten. Mitarbeitende in kirchlichen Einrichtungen müssen loyal gegenüber der katholischen Kirche sein, gerade auch in ihrer persönlichen Lebensführung. So stand es in der nun abgelösten Grundordnung. Darunter ließen sich eine ganze Menge an (vermeintlichen) Fehlverhalten zusammenfassen, darunter homosexuelle Beziehungen und Wiederheirat nach Scheidung.
Angaben zur Sexualität sind aus datenschutzrechtlicher Sicht jedoch als besondere Kategorien personenbezogener Daten und damit als besonders schützenswert einzuordnen. Die Verarbeitung dieser Daten ist grundsätzlich verboten, sofern nicht eine der Ausnahmen aus § 11 Abs. 2 KDG einschlägig ist. Eine dieser Ausnahmen erlaubt die Verarbeitung von besonderen Kategorien personenbezogener Daten für die Ausübung von arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten, denen der Dienstgeber unterliegt. An dieser Stelle kommt dann wiederum die ehemalige Grundordnung ins Spiel, die im Rahmen der Loyalitätsobliegenheiten eben dieses Recht zur Verarbeitung sensibler Daten enthält.
Zusätzlich ist ein Blick in § 53 Abs. 1 KDG erforderlich, der speziellere Vorschriften für die Datenverarbeitung von Beschäftigten enthält. Hier heißt es eindeutig, dass „Daten eines Beschäftigten einschließlich der Daten über die Religionszugehörigkeit, die religiöse Überzeugung und die Erfüllung von Loyalitätsobliegenheiten“ verarbeitet werden dürfen. Auch hier findet sich also eine explizite Ausnahme für die Loyalitätsobliegenheiten.
Die katholische Kirche hat also nicht nur mit ihrem kirchlichen Arbeitsrecht, sondern auch mit ihrem eigenen Datenschutzgesetz dafür gesorgt, dass die Verarbeitung von höchst sensiblen Daten ihrer Beschäftigten rechtskonform erfolgen kann. Außerhalb der Kirche wären diese Datenverarbeitungen höchst problematisch, diskriminierend und rechtswidrig.
Paradigmenwechsel im kirchlichen Arbeitsrecht
Ein solch diskriminierendes Verhalten gegenüber den Beschäftigten soll mit der neuen Grundordnung verhindert werden. Dort heißt es:
1Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen ist eine Bereicherung. 2Alle Mitarbeitenden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein. 3Vorausgesetzt werden eine positive Grundhaltung und Offenheit gegenüber der Botschaft des Evangeliums und die Bereitschaft, den christlichen Charakter der Einrichtung zu achten und dazu beizutragen, ihn im eigenen Aufgabenfeld zur Geltung zu bringen.
Grundordnung (2022), Art. 3 Abs. 2
Der christliche Charakter von katholischen Einrichtungen soll nun durch die Institutionen selbst dargestellt und gepflegt werden. Der private Lebensbereich der Mitarbeitenden wird dafür nicht mehr betrachtet. Es wird lediglich verlangt, dass die Mitarbeitenden sich mit den Zielen und Werten der Einrichtung identifizieren (Art. 6 Abs. 2 Grundordnung).
Es besteht jedoch weiterhin ein Beschäftigungsverbot für Personen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, bestimmte Positionen können nur von katholischen Beschäftigten bekleidet werden.
Beschäftigtendaten
Für kirchliche Einrichtungen bedeutet dies, dass Bewerber*innen und Beschäftigte nicht mehr zu ihrem Privatleben befragt werden dürfen. Sollten hierzu noch Daten vorhanden sind, müssen diese gelöscht werden. Mit dem Wegfall der Loyalitätsobliegenheiten entspricht das Fragerecht des Arbeitgebers weitestgehend dem weltlichen Bereich. Ausnahmen stellen lediglich die Fragen zur Kirchenzugehörigkeit dar. Hier ist ohnehin die Besonderheit zu beachten, dass die Kirchenzugehörigkeit vom KDG, anders als nach der DSGVO, nicht als besondere Kategorie personenbezogener Daten, und damit nicht als besonders sensibel, angesehen wird.
Diskriminierungsfreie Kirche?
Mit der neuen Grundordnung ist die Kirche für ihre Mitarbeitenden also ein ganz Stück weniger diskriminierend geworden. Letztlich wird damit auch der Datenschutz gestärkt. Gleichzeitig wird damit aber ein anderes Problem ganz deutlich: Der Datenschutz ist ein stumpfes Schwert, wenn es neben den Datenschutzgesetzen weitere Regelungen gibt, die eine diskriminierende Datenverarbeitung erlauben.
Pingback: Paradigmenwechsel im kirchlichen Beschäftigtendatenschutz?