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Die Woche im kirchlichen Datenschutz
In der aktuellen Zeitschrift für Datenschutz (ZD 2023, 199–204) hat Thomas Hoeren einen Beitrag mit dem Titel »Kirchlicher Datenschutz nach der DS-GVO« veröffentlicht. Der Münsteraner IT- und Medienrechtler (und Richter am Datenschutzgericht der DBK) rekapituliert noch einmal die europa- und verfassungsrechtlichen Grundlagen des kirchlichen Datenschutzes. Dabei prägt oder übernimmt Hoeren einige gelungen Formulierungen zu Art. 91 DSGVO: Der Artikel wird als »Öffnungsklausel sui generis« verstanden, die sich an die Religionsgemeinschaften selbst wendet. Bei der Frage nach den umfassenden Regeln bestehe ein »ein Verhältnis exklusiver Alternativität (Grundsatz des ›Ganz oder gar nicht‹)« statt einem Ergänzungsverhältnis zwischen DSGVO und kirchlichen Regeln. Der Einklang sei so zu verstehen, dass sich die »Gestaltungsspielraum an den strukturellen Leitideen und Grundsätzen der DS-GVO orientieren« müssen. Der eigentliche Kern sind die Ausführungen zur Frage nach der Stichtagsregelung: Können tatsächlich nur Religionsgemeinschaften, die schon vor Inkrafttreten der DSGVO eigenes Datenschutzrecht hatten, auch welches anwenden? Hoeren wendet sich pointiert gegen die Position, die die DSK ebenso wie das LG Hannover vertreten. Die vermeintliche Stichtagsregelung wolle lediglich klarstellen, »dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der DS-GVO bereits bestehende (umfassende) Datenschutzregeln von Religionsgemeinschaften nicht wie bisher weiter angewandt werden durften, sondern an die Anforderungen der DS-GVO bis zu deren Geltungsbeginn anzupassen waren«. Der lesenswerte Beitrag ist sicher als Wink Richtung zweite Instanz gedacht.
Im Juni geht’s nach Nürnberg
Das Katholische Datenschutzzentrum Bayern nimmt langsam Gestalt an. Noch hat der neue Diözesandatenschutzbeauftragte Dominikus Zettl sein Büro im Münchner Ordinariat, das Bayerische Ministerialblatt verkündete noch nicht die Errichtung der KdÖR, und die Webseite ist immer noch die alte. (Immerhin wurde nach meiner unbeantwortet gebliebenen Nachfrage an die Pressestelle der Freisinger Bischofskonferenz der Name und die Kontaktdaten des DDSB ausgetauscht.) Nach Nürnberg zieht die Behörde voraussichtlich zum 1. Juni um, und zwar in die Vordere Sterngasse ins Haus der Katholischen Stadtkirche, wie mittlerweile auch auf der Webseite steht. Dort firmiert die Behörde auch schon als KdÖR.
Fall Weißenfels: Datenschutzbeschwerden per Arbeitsgericht abräumen?
Der Fall der Offenlegung des Pseudonyms der in der Öffentlichkeit als »Karin Weißenfels« bekannten Frau durch den Trierer Bischof Stephan Ackermann beschäftigt das Trierer Arbeitsgericht. Weißenfels, die beim Bistum angestellt ist, klagt dort auf Schmerzensgeld. Die Güteverhandlung verlief ohne Einigung (mehr dazu bei katholisch.de). Daneben läuft auch noch eine Beschwerde bei der zuständigen kirchlichen Datenschutzaufsicht in dieser Sache, eine weitere wegen eines Auskunftsbegehrens (dazu ausführlich hier). Laut dem Anwalt von Weißenfels will die Diözese in einem Vergleichsangebot im arbeitsrechtlichen Verfahren auch gleich diese Beschwerden abräumen, die er dabei als »über Jahre vom Bistum Trier praktizierte schwerste Datenschutzverstöße zu Lasten der Klägerin bezeichnet«. Von einem Abräumen per Vergleich will die Klägerinnenseite nichts wissen, teilte der Anwalt in einer Pressemitteilung mit: »Der Vergleichsvorschlag der Beklagten legt Zeugnis darüber ab, dass sich die Beklagten immer noch mit Geld Schweigen über eklatante Rechtsverstöße erkaufen möchten. Das darf (und wird) ihnen nicht gelingen.« Das Bistum äußert sich nicht zu laufenden Verfahren.
Social-Media-Regeln für polnische Kleriker und Ordensleute
Die polnische Bischofskonferenz hat ein Allgemeines Dekret erlassen mit Regeln für Medienauftritte und Social-Media-Nutzung von Klerikern, Ordensleuten und Laien in Kirchenämtern und Führungsfunktionen. Der Schwerpunkt ist darauf, einerseits zu klären, wer tatsächlich für die Kirche spricht, andererseits die Gesetzesadressaten auf die Lehre der Kirche und angemessene Kommunikation zu verpflichten. Eine eigene Norm schärft die Einhaltung staatlicher Regelungen zum Jugendschutz, Urheberrecht sowie Datenschutz und Persönlichkeitsrecht ein. Bei persönlichen Social-Media-Accounts gilt künftig, dass Kleriker und Ordensleute als solche erkennbar sein müssen – auch optisch. Die Pflicht zum Tragen geistlicher Kleidung gilt also auch für Profilbilder. (Bei katholisch.de habe ich noch mehr zum Inhalt des Dekrets aufgeschrieben.)
Hermes rezensiert
In der aktuellen Ausgabe der ZMV rezensiert Matthias Ullrich die Dissertation von Michaela Hermes zum kirchlichen Datenschutzrecht, die ich hier auch schon besprochen habe. Vor allem zum letzten Teil, der sich mit den kirchlichen Datenschutzinstitutionen befasst, hat er – wie grundsätzlich ich auch – Kritikpunkte. Die Feststellungen dort ließen sich aus Sicht einer Aufsicht nicht immer nachvollziehen. Ullrich nennt etwa die Forderung nach einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform, die Zahl von 80 Prozent an kirchlichen Stellen, gegen die kein Bußgeld verhängt werden könne, und die Behauptung, die kirchlichen Aufsichten hätten weniger Abhilfebefugnisse als ihre staatlichen Pendants. »Durch die nicht in jedem Fall nachvollziehbaren Ausführungen ist im Zusammenhang mit der zuvor aufgeworfenen Frage der Sinnhaftigkeit eines eigenen kirchlichen Datenschutzes eine politische Brisanz in dieses Buch geraten, die in der praktischen Umsetzung des Gesetze bislang nicht auftritt«, schließt Ullrich.
Auf Artikel 91
Aus der Welt
- Wann sind Daten personenbezogene Daten? Die Frage beantwortet Michael Mrak mit einem Schaubild.
- Neuerdings verarbeitet Facebook manche Daten zur Profilbildung nicht mehr über die Rechtsgrundlage Vertrag, sondern über berechtigte Interessen. Und dagegen gibt es ein Widerspruchsrecht. Um den Widerspruch geltend zu machen, hat NOYB ein praktisches Tool eingerichtet.
Kirchenamtliches
- Bistum Fulda: Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Einsichts- und Auskunftsrechten der Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener
- BfD EKD
- KDSA Ost: Bundesarbeitsgericht (BAG) legt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erneut Fragen zur Vorabentscheidung vor
- Bistum Magdeburg: Musterordnung zur Regelung von Einsichtsund Auskunftsrechten für die Kommissionen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs Minder-jähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener, für Forschungszwecke und für Rechtsanwaltskanzleien in Bezug auf Sachakten, Verfahrensakten, Registraturakten und vergleichbare Aktenbestände der laufenden Schriftgutverwaltung
- KDSZ Dortmund: Beschluss der DSK: Zugriffsmöglichkeiten öffentlicher Stellen von Drittländern