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Die Woche im kirchlichen Datenschutz
Kirchliche Archive und Missbrauchsaufarbeitung
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat den Tagungsband zu der im letzten Jahr schon erwähnten Tagung »Aufarbeitung, Akten, Archive – Zum Umgang mit sensiblen Dokumenten« veröffentlicht. Darin befasst sich der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller in einem Aufsatz mit kirchlichen Archiven: »Kirchliche Archive als Orte kirchlichen Gedächtnisses, aber auch der Vertuschung von sexualisierter Gewalt« ist der Titel. Schüller behandelt auch die kirchliche Gesetzgebung zu Personalakten und plädiert für eine kritische Evaluation der mit Hürden verbundenen Auskunftsrechte zu Personalakten, auch mit Blick auf den staatlichen Gesetzgeber: »Die nähere Zukunft wird zeigen, ob dies ein für die Betroffenen gangbarer Weg ist oder weitere Erleichterungen zu bedenken sind, sofern nicht der deutsche Gesetzgeber selbst ein Gesetz erlässt, das die Kirchen verpflichtet, Akteneinsicht zu gewähren.« Zur umfassenden Paderborner Auskunfts- und Einsichtsordnung wirft er die Frage auf, ob von der Normierung der Auskunftsmodalitäten für Kanzleien nicht nur mit Aufarbeitung durch Bistümer beauftragte Rechtsanwält*innen gemeint sind: »Ob zukünftig darunter auch Rechtsanwaltskanzleien fallen, die Mandantinnen und Mandanten vertreten, die Betroffene sexualisierter Gewalt sind, ist nach dem Wortlaut dieses Gesetzes unklar und im Grunde nicht geregelt.«
Schüller schließt seinen lesenswerten Aufsatz, der auch einen guten Überblick über die den verschiedenen kirchlichen Archiven zugrundeliegenden Regelungen gibt, mit einem wenn auch wenig hoffnungsvollen Plädoyer für staatliches Handeln: »Es wäre an der Zeit, wenn der Deutsche Bundestag alle Institutionen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, verpflichten würde, Betroffenen nicht nur ein Auskunftsrecht, sondern auch ein Recht zur Einsicht in die Akten zu gewähren – sicher unter Beachtung des Datenschutzes. Bei dem offenkundigen Desinteresse der Berliner Politik am Themenkomplex der sexualisierten Gewalt in der Gesellschaft scheint es bis dahin noch ein langer Weg zu sein.«
SELK vs. LfD Niedersachsen geht in die zweite Instanz
Im aktuellen Tätigkeitsbericht für 2022 berichtet die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte wieder über ihren Rechtsstreit mit der Selbständigen Evangelisch-Lutherische Kirche, bei dem die Aufsicht auf voller Linie recht bekommen hat. Für die SELK würde die Entscheidung bedeuten, so sie denn rechtskräftig wird, dass sie kein eigenes kirchliches Datenschutzrecht anwenden dürfte. Die Landesdatenschutzbeauftragte erwartet eine Ausstrahlung des Urteils: »Aus meiner Sicht ist es sehr zu begrüßen, dass diese Vielzahl an wichtigen Auslegungsfragen zu Art. 91 DS-GVO nun erstmals gerichtlich entschieden wurde. Ich gehe davon aus, dass dieses Urteil über den konkreten Einzelfall hinaus auch für andere (Frei-)Kirchen oder Religionsgemeinschaften in anderen Bundesländern Bedeutung haben könnte.«
Wenig überraschend geht der Streit in die zweite Runde, heißt es weiter: »Allerdings bleibt zunächst noch die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. Die SELK hat zwischenzeitlich Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt.« Auf Anfrage teilte das OLG mit, dass es noch keinen Termin für die mündliche Verhandlung gebe. Ein Vertreter der SELK sagte auf Anfrage, dass die am 9. Januar 2023 eingelegte Berufung »in den Grundzügen gleich geblieben ist, aber auch noch zusätzlich ›untermauert‹ wurde«. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 11 LC 13/23 (10 A 1195/21) geführt.
Prüfungen des KDSZ Dortmund dokumentiert
Das KDSZ Dortmund informiert jetzt transparent und aktuell über Prüfungen. Bisher musste man in der Regel auf die Tätigkeitsberichte warten, um Details zu erfahren. »Damit auch Einrichtungen, die nicht Teil der einzelnen Untersuchungen waren, die Prüfungen nachvollziehen oder die Fragenkataloge als Grundlage für interne Audits nutzen können, veröffentlicht das Katholische Datenschutzzentrum auf seiner Internetseite Informationen zu abgeschlossenen oder aktuell laufenden Prüfungen«, teilt die NRW-Aufsicht nun mit. Auf der Übersichtsseite werden zwei abgeschlossene (Kitas und Exchange-Schwachstelle Hafnium) und vier laufende (E-Mail, betriebliche Datenschutzbeauftragte, Datenschutzerklärungen auf Webseiten und TLS-Verschlüsselung) Prüfungen dokumentiert. Die hier schon erwähnten Anschreiben und Fragebögen zu den ersten beiden Prüfungen können eingesehen werden.
Auf Artikel 91
Aus der Welt
- Der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski steht für einen konsequenten menschenrechtlichen Kurs im Datenschutz. Wie schon zum Europäischen Datenschutztag hat er nun auch zum Weltflüchtlingstag eine deutliche Botschaft veröffentlicht: »Effectiveness of EU law requires that irrespective of the examples of the instrumentalisation or unfavourable political realities, the EU should continuously strive to uphold its values and principles at its borders. It is not a question of generosity, but a legal obligation – the EU law is applicable in the same way in Brussels as it is in the furthest corners of the EU. Refugees do have fundamental rights provided by the EU Charter of Fundamental Rights.«
- Die LfD Niedersachsen hat eine neue Arbeitshilfe für Datenschutz im Verein veröffentlicht. Bei der Veröffentlichung von Bildern zeigt sie sich rigoros: Nur in gedruckten Vereinszeitungen will sie eine Interessensabwägung für die Veröffentlichung von Fotos gelten lassen, online brauche es stets eine Einwilligung. Das ist unnötig streng und vernachlässigt völlig Mediennutzungsverhalten und den geringeren Schutzbedarf, der in der Sozialsphäre besteht, also auch im Verein. Hilfreich ist ein eigenes Kapitel zur Organisation im Verein – ein Thema, das oft vernachlässigt wird.
Kirchenamtliches
- Bistum Speyer: Änderung der Durchführungsverordnung (DVO-IT-Gesetz) zum Gesetz über den Einsatz elektronischer Informationstechnik im Bistum Speyer
- KIOD: Sprawozdanie z działalności Kościelnego Inspektora Ochrony Danych za okres 2022-2023 (Bericht über die Tätigkeit des [polnischen] kirchlichen Datenschutzbeauftragten für den Zeitraum 2022/2023)
- Bistum Münster: Von Missbrauch betroffene Person rügt erfolgreich Datenschutzverletzung
- KDSA Ost: Sommer, Sonne, Datenschutz 2.0