Religionspolitik und Akten – Wochenrückblick KW 26/2022

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Bei der Berliner Tagung zu religionspolitischen Reformperspektiven für die Kirchen äußerte der Leiter des Instituts für Staatskirchenrecht Ansgar Hense sich auf dem Panel zu inneren Angelegenheiten zum formativen und regulativen Einwirken der weltlichen Rechtsordnung auf kirchliche Normen. Ein (knappes) Beispiel war dabei das Datenschutzrecht. Hense äußerte sich zur kirchlichen Rechtswirklichkeit vor und nach Inkrafttreten der DSGVO: »Ich glaube, dass bis zum Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung zwar ein kircheneigenes Datenschutzrecht reklamiert wurde, es aber nicht praktiziert wurde. Für die Zeit nach dem Inkrafttreten würde ich eine andere Auffassung vertreten«, so Hense. (Jacob Joussen widersprach in der Diskussion für den evangelischen Bereich, aber eine weitgehende Nichtrezeption des Datenschutzrechts vor der DSGVO dürfte ein allgemeines Problem sein.) Dabei hob er auch die mit Mandat des Heiligen Stuhls errichtete kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit und die Unabhängigkeit der kirchlichen Datenschutzaufsicht hervor, die staatlich vorformatiert erstmals echte rechtliche Kontrollinstanzen ins kirchliche Recht brachten. (Auf die formative Wirkung staatlichen Rechts ging Hense auch in seinem Beitrag zum jüngsten Sammelband des KDSZ Dortmund ein.) Später habe ich den Berliner Generalvikar Manfred Kollig nach der 2019 getätigten Ankündigung gefragt, dass der damals neu eingerichtete VDD-Verbandsrat klären wollte, »in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Kirche in Deutschland die grundgesetzlich zugestandenen Autonomiebereiche eigenständig ausfüllen kann und will (etwa im Bereich des Arbeits- und Datenschutzrechts)«. Kolligs knappe Antwort: »Meine Einschätzung ist: Wir werden nicht verzichten auf eigenes Arbeitsrecht und andere Rechte wie Datenschutz.«

Und noch eine Tagung: Am Donnerstag fand die von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs organisierte Tagung »Aufarbeitung, Akten, Archive – Zum Umgang mit sensiblen Dokumenten« statt. Dabei wurden auch einige Themen des Persönlichkeitsrechtsschutzes angesprochen. Einen allgemeinen Überblicksbericht von der Tagung gibt es bei katholisch.de. Die Videos der Panels werden in den nächsten Tagen in die Mediathek der Kommission eingestellt; besonders interessant für die Zielgruppe hier dürfte das letzte Podium zum Thema »Wer hat die Macht über die Quellen?« sein, bei der unter anderem der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller interessante Einblicke in die Praxis und Rechtsgrundlagen kirchlicher Archive gab.

Bei Reichert und Reichert befasst sich Matthias Herkert mit der aktualisierten Arbeitshilfe zum Einsatz von Microsoft 365 des KDSZ Frankfurt. Im Vergleich zur ersten Version aus 2019 ist die Einschätzung der Aufsicht harscher geworden: »Während das KDSZ-FFM im Februar 2019 die datenschutzkonforme Nutzung der Microsoft-Cloud-Angebote zumindest als „aktuell zwar möglich“ bezeichnete und Verantwortliche lediglich darauf hinwies, dass diese „ein hohes Risiko“ eingingen, dass die Konformität zu KDG und DSGVO kurzfristig entfallen könne, geht sie inzwischen davon aus, dass ein datenschutzkonformer Betrieb von Microsoft 365 „erwartungsgemäß“ nur in Ausnahmefällen möglich sei.«

Auf Artikel 91

  • Wenn sich die Rechtsauffassung der NRW-Aufsicht durchsetzt, dürfte das eine erhebliche Erleichterung mit sich bringen: Videokonferenzdienste seien als Telekommunikationsdienste einzuordnen, heißt es im aktuellen Tätigkeitsbericht: »Das führt unter anderem dazu, dass Stellen, die Videokonferenzdienste einsetzen, keinen Auftragsverarbeitungsvertrag mehr mit den Videokonferenzanbieter*innen abschließen müssen und für die aufgrund der Übertragung des Videochats verarbeiteten personenbezogenen Daten nicht mehr verantwortlich sind.« Anfragen an die Position gibt es beim Datenschutz-Guru.
  • Droht vom Periodentracker mit dem Ende von Roe v. Wade Gefahr? Die Rechtslage in einigen US-Bundesstaaten legt das nah. Julia Kloiber bei Heise: »Die Debatten aus Polen und den USA machen eines deutlich: So banal manche Daten scheinen mögen, so brisant können sie werden, wenn sich das politische Klima dreht.«
  • Bei Slate argumentiert Danielle Keats Citron aus demselben Anlass für einen rechtlichen Schutz der Intimsphäre: »We want, expect, and deserve privacy for our intimate lives, yet we do not have it. The privacy of our intimate lives is under assault, and we need to fight to get it back. We need legislation that makes clear that intimate privacy must be protected and prioritized rather than destroyed or ignored. We need a civil right to intimate privacy now.«

Kirchenamtliches

Ein Gedanke zu „Religionspolitik und Akten – Wochenrückblick KW 26/2022

  1. Erich Sczepanski

    (Zitat)
    Das Grundgesetz verbietet dem Staat einer Religionsgesellschaft hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen zu verleihen, die keiner Religionsgesellschaft angehören.
    (Zitat Ende) gemeint ist – dieser Religionsgesellschaft nicht angehören (BVerfG, Urteil vom 14.12.1965 – 1 BvR 413/60)

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