Fünf Jahre DSG-EKD – Interview mit BfD EKD Michael Jacob

Am 24. Mai gilt das Datenschutzgesetz der EKD seit fünf Jahren. Was hat sich bewährt? Wo gibt es Reformbedarf? Im Interview berichtet der Beauftragte für den Datenschutz der EKD, Michael Jacob, von seinen Erfahrungen als Leiter der größten evangelischen Datenschutzaufsicht. Datenschutz ist für ihn keine Bremse, sondern ein Qualitätsmerkmal.

Porträtfoto Michael Jacob
Michael Jacob ist seit 2014 BfD EKD, 2022 trat er seine zweite achtjährige Amtszeit an. Der westfälische Jurist hat in seiner ersten Amtszeit den Übergang vom alten aufs neue, an die DSGVO angelehnte Datenschutzgesetz der EKD begleitet. Bildquelle: BfD EKD/Michael Jacob

Nach fünf Jahren steht die Evaluation des DSG-EKD an. Bei der Aufsichtstätigkeit haben sich einige Punkte ergeben, an denen es zu schrauben gilt – und auch die Entscheidungen von Gerichten sind zu berücksichtigen.

Frage: Das DSG-EKD wird fünf Jahre alt. Was hat sich bewährt? Wo gibt es Reformbedarf?

Jacob: Ganz grundsätzlich hat sich das Gesetz bewährt. Wenn man die fünf Jahre Revue passieren lässt, sind wir ohne größere Skandale, ohne größere Vorkommnisse durchgekommen. Der Gesetzgeber hat seinen Spielraum auch gut ausgenutzt. Ich denke dabei an die klare Regelung der Übertragung von kirchlichen Veranstaltungen – das hat den evangelischen Verantwortlichen gerade in der Corona-Zeit die Arbeit sehr vereinfacht. Die kleineren Schwächen, die es gibt, können jetzt bei der Evaluation ausgemerzt werden. 

Frage: Wo sehen Sie die Schwächen?

Jacob: Zum Beispiel im Bereich von § 6, wo es um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung geht. Beim berechtigten Interesse fehlt im DSG-EKD im Vergleich zur DSGVO die Berücksichtigung der Interessen des Verantwortlichen. Wir behelfen uns damit, dass wir die Regelung aus der Datenschutzgrundverordnung nachbauen, indem wir die Nummern 4 und 8, also kirchliches und berechtigtes Interesse, hilfsweise zusammenführen. Das ist aber nur ein Behelf. Da wäre es schon gut, wenn der Gesetzgeber nachbessert.

Frage: Im Vergleich zum KDG, das meist Formulierungen aus der DSGVO und dem BDSG übernimmt, scheint der evangelische Gesetzgeber etwas ambitionierter gewesen zu sein: Die Abweichungen vom Wortlaut der DSGVO sind größer, die Formulierungen eigenständiger. Würden Sie sich im Wortlaut mehr Anlehnung an die säkularen Gesetze wünschen?

Jacob: Das ist ambivalent. Es schärft unser evangelisches Profil, den Rahmen von Art. 91 eigenständig auszuloten und nicht nur weltliche Gesetze abzuschreiben. Die andere Seite der Medaille ist die des Praktikers: Der wünscht sich natürlich eine möglichst große Nähe zur DSGVO. Mit Blick auf die Rechtsprechung ist mittlerweile klar, dass Abweichungen von der DSGVO zulässig sind – nämlich dann, wenn diese Abweichungen durch das kirchliche Proprium begründet sind, sei es theologisch, sei es organisatorisch. Hier sollte der Gesetzgeber sich im Rahmen der Evaluierung in die Pflicht nehmen lassen und alle Abweichungen, die es gibt, möglichst gut begründen. Da hat es in der Vergangenheit Schwächen gegeben.

Frage: Eine Abweichung, die zu gewisser Prominenz gekommen ist, ist das im DSG-EKD fehlende Recht auf Kopie. Die EKD-Kirchengerichte haben darin eine unzulässige Abweichung vom Einklang mit der DSGVO gesehen. Unabhängig von dem Rechtsstreit. Sehen Sie irgendein kirchliches Spezifikum, das dafür spricht, auf die Normierung eines Rechts auf Kopie zu verzichten?

Jacob: Nein.

Frage: Der Verwaltungssenat beim EKD-Kirchengerichtshof ist in seinem Urteil zum Recht auf Kopie so weit gegangen, dem DSG-EKD insgesamt seine Geltung abzusprechen. Wie gehen Sie als Aufsicht mit diesem Urteil um?

Jacob: Ich versuche, das Urteil so zu nehmen wie andere Urteile, die in der Zwischenzeit im evangelischen Bereich ergangen sind. Das Urteil wirkt zwischen den Parteien. Selbstverständlich haben wir das erfüllt, was das Kirchengericht uns aufgegeben hat. Bei aller Kritik kann man aus dem Urteil doch sehr deutlich herauslesen, dass auch der Verwaltungssenat betont, dass Abweichungen von der DSGVO möglich sind. Es muss nicht eins zu eins Datenschutzgrundverordnung sein – nur müssen Abweichungen gut begründet sein. In dieser Hinsicht wird der Gesetzgeber sicher auch das Urteil bei seiner Evaluierung des DSG-EKD berücksichtigen.

Frage: Wie weit ist die Evaluierung? Mit dem fünften Jahrestag ist die gesetzliche Evaluierungsfrist erreicht.

Jacob: Die Evaluierung ist in vollem Gange und nach meinem Kenntnisstand ist beabsichtigt, der EKD-Synode 2024 einen evaluierten Gesetzentwurf vorzulegen.

Frage: In den letzten Jahren ist Ihr Zuständigkeitsbereich immer größer geworden, zuletzt kam die Aufsicht über die Landeskirche und die Diakonie der Pfalz zu Ihnen. Sind die Ressourcen auch angemessen mitgewachsen?

Jacob: Mehr und besser geht bekanntlich immer. Aber ich bin zufrieden mit der personellen Ausstattung und mit den Ressourcen. In den letzten zehn Jahren haben wir diese kleine Behörde sukzessive aufgebaut. Ich habe mehr oder weniger als One Man Show angefangen, dann kamen schnell weitere Kolleginnen und Kollegen dazu, und heute haben wir 23 Planstellen, die alle besetzt sind – und zwar gut besetzt: Wir haben eine tolle Truppe an vier Standorten mit einem interdisziplinären Team aus Juristen, IT-Experten, Teamassistenzen und Sachbearbeitung. Ich kann nicht klagen.

Frage: Sind Sie auch zufrieden mit der Zusammenarbeit mit staatlichen Datenschutzbehörden? Die DSK scheint nicht übermäßig motiviert zu sein, den spezifischen Aufsichten mehr Mitwirkungsrechte einzuräumen.

Jacob: Da möchte ich widersprechen. Wir haben in den letzten zehn Jahren einiges erreicht. Wir sitzen in fünf Arbeitskreisen der Datenschutzkonferenz, und ich persönlich habe sehr gute Kontakte zum Bundesdatenschutzbeauftragten und allen Landesdatenschutzbeauftragten. In der DSK selbst haben wir keinen Sitz, das stimmt, dafür gibt es zwei-, dreimal jährlich das Vernetzungstreffen von DSK und spezifischen Aufsichten. Ich fühle mich wahrgenommen und wertgeschätzt.

Frage: Die großen Aufregerthemen der Anfangsphase des neuen Datenschutzrechts scheinen nicht so relevant zu sein, wie am Anfang befürchtet. Die Aufregung bei den Themen Social Media und Messenger war groß, aber die großen Konflikte sind ausgeblieben, in Ihrem Tätigkeitsbericht kommen diese Themen kaum vor. Täuscht der Eindruck?

Jacob: Bei den Messengerdiensten hat es sich wirklich beruhigt. Da war der Gipfel etwa 2017, 2018, als es hieß, dass in der Jugendarbeit oder auch bei der Arbeit mit Geflüchteten ohne die großen US-Produkten nichts ginge. Unsere Stellungnahme dazu ist nach wie vor aktuell, und mittlerweile haben sich rechtskonforme Alternativen in den Dienststellen ganz gut etabliert. Ein viel größeres Thema als Messenger ist aktuell der Einsatz von Microsoft 365, und demnächst rechne ich noch mehr mit dem Thema Künstliche Intelligenz. Im Bereich der Diakonie sind oft schon Assistenzsysteme auf der Grundlage von KI im Einsatz.

Frage: In vielen Bereichen ist die mutmaßliche Rechtswidrigkeit von Standardlösungen mit guten Argumenten dokumentiert – Messengerdienste, Social Media, Microsoft 365. Das alles wird von kirchlichen Stellen eingesetzt. Hier gäbe es gute Gründe, Verarbeitungen zu untersagen. Kam das bei Ihnen schon vor?

Jacob: Die Rechtslage ist in der Tat recht eindeutig. Unsere Ressourcen sind aber am Ende doch überschaubar. Ich schaue mir an, was die staatlichen Behörden machen, und ziehe dann daraus meine Schlüsse. Da wurde in der Vergangenheit viel angekündigt, sei es in Baden-Württemberg mit Blick auf MS 365 in den Schulen, sei es mit Blick auf die Facebook-Fanpage der Bundesregierung durch den Bundesdatenschutzbeauftragten.  Wir schauen genau auf das, was die staatlichen Aufsichten tun und warten die Ergebnisse dort ab. Das sind keine spezifisch kirchlichen Themen, und da muss ich nicht an der Spitze der Bewegung stehen. Ich schließe aber nicht aus, dass meine Behörde in Zukunft tätig wird.

Frage: Spätestens auf eine Beschwerde hin müssen Sie aber jetzt schon tätig werden. Hat sich tatsächlich noch nie jemand über eine Facebook-Seite einer kirchlichen Stelle beschwert?

Jacob: Außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs gab es da bereits Vorgänge. Aber mit Blick auf Facebook-Fanpages ist bisher kaum etwas vorgefallen. Problematischer waren Videokonferenzsysteme, da gab es einige Beschwerden wegen eines sehr bekannten US-amerikanischen Produktes. Das konnten wir aber auch pragmatisch lösen durch Hinweise auf die Möglichkeit von zwischengeschalteten deutschen Dienstleistern, um die Probleme von Drittlandtransfers zu umgehen. Man muss nicht immer die ganze Klaviatur der möglichen Sanktionsmittel spielen. Wir versuchen lieber, im Gespräch über Beratung und Aufklärung Lösungen zu finden.

Frage: Das evangelische Datenschutzrecht wirkt von außen oft etwas intransparent: Bis vor kurzem waren keine Gerichtsurteile dazu bekannt, die wenigen Aufsichten berichten nur alle zwei Jahre, die juristische Fachdiskussion zum DSG-EKD ist auch kompakter als die zum KDG. Woran liegt das?

Jacob: Der Zwei-Jahres-Rhythmus steht im Gesetz, warum, müsste der Gesetzgeber beantworten. Es gibt einfach wenig aufregende Themen, deshalb können wir auch wenig Spektakuläres in die Berichte schreiben: Wir machen nüchtern und sachlich unsere Arbeit. Die großen Aufreger konnten wir sicher auch deshalb vermeiden, weil wir so einen großen Schwerpunkt auf Beratung und Schulung legen. In den letzten Jahren haben wir gut 1000 örtlich Beauftragte in den Grundlagenseminaren geschult, und noch einmal 500 in Aufbauseminaren. Dazu kommt der gute Austausch, so dass ein fast flächendeckendes Netz an engagierten und kompetenten örtlichen Beauftragten entstanden ist. Mit diesen zusammen gelingt es, ein gutes Datenschutzniveau in Kirche und Diakonie sicherzustellen – ohne Skandale, ohne großen Knall.

Frage: 2021 wurden Sie für weitere acht Jahre als BfD EKD berufen. Was begeistert Sie für diese Arbeit? Warum bleiben Sie beim Datenschutz?

Jacob: Ich blicke zurück auf zehn spannende Jahre. Der Datenschutz ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Die Themen, die wir bearbeiten, sind Zukunftsthemen – und deshalb arbeite ich auch weiter mit Herzblut daran. Mir ist es ein Anliegen, an der Mentalität zu arbeiten: Oft wird Datenschutz als Verhinderer gesehen. Das Gegenteil ist richtig! Datenschutz ist ein Qualitätsmerkmal! Das sollten wir gerade in der Kirche wissen, wo wir das Beicht- und Seelsorgegeheimnis zum Wohl der Menschen erfunden haben.

Frage: Was wollen Sie noch erreichen?

Jacob: Ich möchte die Kirchlichkeit des Datenschutzes stärker betonen – dass wir nicht nur alles rechtlich und technisch doppeln, was es im weltlichen Datenschutz gibt, sondern dass wir auch darüber hinaus etwas tun. Etwa, indem wir ethische Fragen in den Blick nehmen. Das erlebe ich auch im Kontakt mit staatlichen Stellen und der Politik, dass dort diese ethischen Fragen als originäre Aufgabe der Kirchen gesehen werden, und dass man da von uns Positionen erwartet. Da ist bei uns noch etwas Luft nach oben. Deswegen versuche ich, die Theologinnen und Theologen dafür zu begeistern, sich mit Fragen von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten stärker auseinanderzusetzen.

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