Das »Lexikon der MAV für katholische Kirche und Caritas von A bis Z« von Richard Geisen und Norbert Gescher liegt mittlerweile in der dritten Auflage vor. Die neue Auflage ist sichtlich von der Corona-Pandemie und den von ihr beschleunigten Entwicklungen geprägt: Neben der Pandemie selbst sind allein aus dem datenschutzrelevanten Bereich Stichworte zu virtuellen Sitzungen und Videokonferenzen, zu Messenger-Diensten, zu Homeoffice und mobiler Arbeit dazugekommen.
Die 199 Stichwörter sind durchweg sehr praxisrelevant und zugänglich formuliert. Zu Beginn stehen jeweils Grundlagen, gefolgt von einem Abschnitt dazu, was die MAV beachten muss, und Arbeitshilfen. Mit dem Buch kommt der Online-Zugang, über den alle Inhalte der gedruckten Ausgabe sowie zusätzliche Inhalte und Links verfügbar sind.
Stichwort Datenschutz
Das Stichwort Datenschutz gibt einen kompakten Überblick über Grundlagen und Grundprinzipien des EU-Datenschutzrechts, seiner Umsetzung in Deutschland und die kirchenspezifischen Regelungen. Dabei wird auch auf die Normen über das KDG hinaus hingewiesen, wenn auch ohne Aufschlüsselung der hier sehr unterschiedlichen diözesanen Rechtslagen. Interessant ist die Ansicht, dass der in § 2 Abs. 2 KDG normierte Vorrang anderer Gesetze auch auf das BDSG erstreckt wird, um Regelungslücken im KDG zu schließen: »Es lässt aber z. B. auch die Möglichkeit offen, dass Regelungen aus § 26 BDSG, die im KDG fehlen, im kirchlichen Bereich Anwendung finden.«
Auch die kirchlichen Datenschutz-Institutionen werden benannt. Bei der Datenschutzgerichtsbarkeit wird allerdings unter Bezug auf die Rechte auf wirksame gerichtliche Rechtsbehelfe aus Art. 78f. DSGVO die Ansicht vertreten, dass generell auch staatliche Gerichte anstatt der kirchlichen Fachgerichtsbarkeit angerufen werden können. Untermauert wird das mit der Entscheidung des LAG Nürnberg zu Schadensersatz im Arbeitsverhältnis. Während die Durchsetzung von Schadensersatz mangels Kompetenz der kirchlichen Gerichte tatsächlich auf staatliche Gerichte angewiesen ist, dürfte die vertretene Position allgemein nicht herrschende Meinung sein; eine erste einschlägige Entscheidung ist mittlerweile bekannt, in der das VG Frankfurt eine Zuständigkeit grundsätzlich verneinte, jedenfalls solange der kirchliche Rechtsweg nicht ausgeschöpft ist.
Sehr positiv fällt der hohe Praxisbezug auf. Nach der Lektüre des Stichworts ist ein Grundverständnis für die Funktionsprinzipien von Datenschutz vorhanden und ein Verständnis für die Pflichten der MAV hinsichtlich Datenschutz geweckt, sowohl was Sensibilität für die Datenschutzrechte von Beschäftigten angeht, als auch was relevante Mitbestimmungstatbestände sind: Genannt werden Personalfragebögen, Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die eine Verhaltens- und Leistungskontrolle ermöglichen, Auswahl von IT-Systemen und der hierfür beabsichtigten Vertragspartner sowie die Einführung der elektronischen Personalakte.
Tatsächlich sehr aus dem Leben gegriffene Beispielfragen aus der Praxis runden das Stichwort ab, etwa zum Nachhalten von Krankheiten in der Personalakte, zu Beschäftigtenfotos oder zur Kommunikation im Betrieb.
Weitere einschlägige Stichworte
Das Stichwort Datenschutz im MAV-Büro ist kompakter. Dort wird vor allem Wert auf eine angemessene Ausstattung mit Räumlichkeiten und IT-Infrastruktur gelegt, um angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zu ermöglichen. Unter dem Stichwort Internet, Intranet gibt es eine hilfreiche Auflistung von Punkten, die eine entsprechende Dienstvereinbarung enthalten sollte. Relativ ausführlich werden Messenger-Dienste und ihre Zulässigkeit erörtert – hier veralteten die Informationen schnell, was sich etwa am immer noch aufgeführten Dienst Ginlo zeigt, der auch in der Online-Version noch nicht entfernt wurde. Die grundsätzlichen Informationen unter dem Stichwort Social Media wirken etwas veraltet und gehen auf aktuelle datenschutzrechtliche Probleme kaum ein; die Hinweise zu Mitbestimmungstatbeständen und der Nutzung in der MAV-Arbeit dagegen sind hilfreich. Der alte Textbestand des Social-Media-Stichworts fällt vor allem im Vergleich zum neu aufgenommenen Stichwort Videokonferenzen auf, wo die datenschutzrechtliche Problematik deutlich besser aufgearbeitet wird. Erfreulich ist, dass unter dem Stichwort virtuelle Sitzungen auch die Position als vertretbar angesehen wird, dass auch ohne die neu eingefügte Regelung in der MAVO virtuelle MAV-Sitzungen zulässig sein dürften.
Fazit
Das »Lexikon der MAV« sollte ein Standardwerk in jeder (katholischen) MAV-Bibliothek sein. Der Aufbau nach Stichwörtern erschließt die Inhalte sehr zugänglich, die Auswahl der abgehandelten Themen ist umfassend. Gut gelungen ist der Spagat zwischen rechtlichen Grundlagen und leicht verständlichen Handlungsempfehlungen für die Praxis. Das ist ein deutlicher Mehrwert gegenüber den üblicherweise im MAV-Büro verfügbaren MAV-Kommentaren, die eine höhere Einstiegshürde darstellen.
Mit Blick auf den Datenschutz sind die relevanten Themen sowohl in den eigentlichen Stichwörtern dazu abgehandelt wie in anderen Stichwörtern mitbedacht. Gerade die neu hinzugekommenen Abschnitte sind sehr gelungen und lassen den etwas veralteten Stand im Social-Media-Stichwort verschmerzen.
Ausgesprochen erfreulich ist die Entscheidung, alle Inhalte angereichert um weiteres Material selbstverständlich und ohne Aufpreis online zur Verfügung zu stellen – das ist eine große Hilfe gerade für MAVen in auf mehrere Betriebsstätten verteilte Einrichtungen und sollte auch bei anderen Verlagen Schule machen.
(Für MAVen in evangelischen Einrichtungen ist in derselben Reihe im Mai 2020 die fünfte Auflage des ähnlich aufgebauten Lexikons »Praxis der Mitarbeitervertretung von A bis Z«(Affiliate Link) erschienen.)