Wer in Fragen des kirchlichen Datenschutzes den Rechtsweg beschreiten tun, muss das erst über die kirchliche Gerichtsbarkeit tun. Direkt die staatlichen Gerichte anrufen geht nicht. Von einem entsprechenden Versuch berichtet das Katholische Datenschutzzentrum Frankfurt in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht, wie hier bereits berichtet wurde.
Nach der ersten Antwort des Vorsitzenden Richters der entscheidenden Kammer liegt mir nun die vollständige Entscheidung vor, nämlich ein Beschluss zur Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 1. Juli 2020 – Z 5 K 1077/20.F). Weiterhin ist das Ergebnis – dass staatliche Gerichte nicht für kirchlichen Datenschutz zuständig sind – wenig überraschend, der ausführliche Beschluss gibt aber Hinweise darauf, wann doch einmal eine kirchliche Datenschutzsache vor einem weltlichen Gericht landen könnte.
Sachverhalt
Aus dem Beschluss erfährt man mehr über den Sachverhalt: Die Klägerin hatte die Datenschutzaufsicht angerufen, um Einblick in ihre Krankenakte zu erhalten. Der Aufsicht wirft sie Untätigkeit vor, da sie innerhalb von drei Monaten keine Antwort erhalten hat. Wenn das so war, ist das zwar nicht schön und entspricht nicht der Frist aus § 49 Abs. 1 KDG, in diesem Fall ist aber explizit der kirchliche Rechtsweg offen. Die Klägerin hat sich aber dennoch direkt an das VG Frankfurt gewandt und zudem Prozesskostenhilfe beantragt.
Entscheidung
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe der Klägerin wurde abgelehnt, da keine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage bestand. Das VG Frankfurt weist auf den Rechtsweg hin, den das KDG beschreibt, also der Gang vors Interdiözesane Datenschutzgericht. Der ist einzuhalten: »Demgegenüber kommt eine nur eingeschränkt mögliche (vgl. zum Maßstab BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 2017 – 2 B 23/16 –, Rn. 13, juris; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 – 2 C 19/12 –, juris Rn. 23; BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 – 2 BvR 1500/97 – juris) verwaltungsgerichtliche Überprüfung erst in Betracht, sofern der innergerichtlich vorgegebene Rechtsweg ausgeschöpft ist.« (Verlinkungen nicht im Original.)
Zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gehöre es, »innerkirchlich einen Rechtsweg mit dem Ziel zu öffnen, in der Religionsgesellschaft aufgetretene Rechtsstreitigkeiten durch eigene Spruchkörper mit qualifizierten Richtern zu entscheiden«. Staatliche Gerichte können erst dann angerufen werden, wenn der innerkirchliche Rechtsweg ausgeschöpft ist.
Die angeführten Entscheidungen präzisieren diesen Grundsatz noch weiter: Gemeint ist damit nicht, dass nach dem kirchlichen Rechtsweg der staatliche in der Sache alles noch einmal aufrollen kann; das BVerwG betonte in dem angeführten arbeitsrechtlichen Fall von 2017, dass eine inhaltliche Überprüfung nur eingeschränkt zulässig sei: »Dabei beschränkt sich die inhaltliche Prüfung darauf, ob die kirchendienstrechtliche Entscheidung mit den in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten grundlegenden Verfassungsprinzipien, dem Willkürverbot und elementaren Verfassungsgarantien vereinbar ist.« (RN 13)
Fazit
Die Entscheidung ist gut nachvollziehbar – die kirchlichen Gerichte können so arbeiten, wie vom kirchlichen Gesetzgeber beabsichtigt. Der vorliegende Fall ist gleich zu Beginn des Rechtswegs falsch abgebogen; insofern war es trivial zu prüfen, ob der kirchliche Rechtsweg ausgeschöpft ist. Spannend wird es, wenn gegen eine Entscheidung des Datenschutzgerichts der DBK versucht wird, vor einem staatlichen Gericht vorzugehen: Die KDSGO normiert keine Rechtsmittel gegen Entscheidungen des DSG-DBK (und das Gericht verzichtet auch auf Rechtsbehelfsbelehrungen bei seinen Entscheidungen); der kirchliche Rechtsweg zum Apostolischen Stuhl dürfte aber trotzdem durch außerordentliche Rechtsmittel eröffnet sein, wie auch Matthias Ambros argumentiert. Und selbst wenn diese Frage geklärt ist (die nur für die katholische Kirche kompliziert ist, im evangelischen Kirchenrecht funkt weder Papst noch Apostolischer Stuhl dazwischen)) und ein staatliches Gericht tätig wird: Die Beschränkung der inhaltlichen Prüfung dürfte es jedenfalls nicht wahrscheinlich machen, dass unliebsame kirchliche Entscheidungen durch die staatliche Justiz revidiert werden. Zu überlegen wäre aber, ob die Vermutung einer Europarechtswidrigkeit der kirchlichen Normen oder ihrer Auslegung so schwer wiegt, dass sich staatliche Gerichte kirchlichen Entscheidungen annehmen: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass eine unterlassene EuGH-Frage eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter darstellt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19), macht das plausibel.