Jetzt ist wieder die Zeit der Zeltlager und Ferienfreizeiten – und damit wird eine Klassikerfrage des Datenschutzes wieder sehr aktuell: Was ist eigentlich erlaubt bei Fotos, auf denen Kinder und Jugendliche zu sehen sind? Unter welchen Bedingungen darf was fotografiert werden, und wo und wie dürfen diese Bilder dann veröffentlicht werden?
Immer noch ist es oft Standard, einfach ein Ankreuzfeld auf eine Anmeldung zu packen, mit dem die Eltern in alles einwilligen, was mit Fotos zu tun hat, und dann zu glauben, dass damit auch der Datenschutz abgehakt ist. Tatsächlich braucht es etwas mehr – vor allem ein Verständnis dafür, dass das Thema kein Selbstzweck ist und im besten Fall sogar eine medienpädagogische Chance darstellt. Daher liefert dieser Artikel auch keine fertigen Formulare – sondern Grundlagen für das Lagerteam für eine Beschäftigung mit dem Thema Datenschutz bei Fotos: Datenschutz als Haltung aus Verantwortung vor den anvertrauten Kindern und Jugendlichen – nicht als bürokratische Übung.
(Der Artikel aktualisiert meinen 2018 im BDKJ-Blog »Digitale Lebenswelten« veröffentlichten Beitrag.)
Grundsätzliches Vorgehen
Am besten wird schon vor der Ferienfreizeit geklärt, was für Bilder angefertigt werden sollen und wie sie verwendet werden – einfach detailliert aufschreiben, wer fotografiert, was fotografiert wird, wie die Fotos veröffentlicht werden: Nur intern bei der Diashow beim Nachtreffen, in einer Cloud für Eltern und Teilnehmende, in einem gedruckten Jahresrückblick, auf der Webseite, in Social Media …
Mit diesen Notizen kann dann geklärt werden, wie man die jeweiligen Verwendungen rechtlich gestaltet. Jede Datenverarbeitung braucht eine Rechtsgrundlage: Insbesondere muss entschieden werden, wo man eine Einwilligung braucht und wo eine Interessenabwägung genügt – wie man das macht und was das bedeutet, steht unten. Entscheidet man sich für eine Interessenabwägung, muss die dokumentiert werden – im einfachsten Fall in Form einer Pro-und-contra-Aufstellung, warum es okay ist oder nicht, dass das Fotografieren oder Veröffentlichen kein Problem darstellt.
Zur Anmeldung zum Lager kommt dann ein Formular fürs Fotografieren: Darin werden die Ergebnisse des ersten (was wird von wem wann wie fotografiert und veröffentlicht) und des zweiten Schritts (für diese Situationen greift eine Interessenabwägung, die wie folgt aussieht, für andere wird eine Einwilligung eingeholt) mitgeteilt. Für die Punkte, die einer Einwilligung bedürfen, werden diese mit klaren Erklärungen (ja oder nein ankreuzen, keine vorausgefüllten Optionen) eingeholt, ggf. in verschiedenen Kategorien (»ich stimme der Veröffentlichung zu: in internen gedruckten Publikationen; auf der Webseite der Jugendgruppe; auf den Social-Media-Kanälen der Jugendgruppe; in Werbematerial für künftige Veranstaltungen …«, jeweils mit Ja-Nein-Auswahlmöglichkeit). Die Einwilligungen müssen freiwillig und unabhängig von der Anmeldung sein: Es ist nicht zulässig, die Anmeldung mit der Einwilligung ins Fotografieren zu koppeln, d. h. nur Teilnehmende zuzulassen, die auch ins Fotografieren einwilligen. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann – in diesem Fall müssen die entsprechenden Bilder dann gelöscht werden.
Zum Formular, entweder direkt darauf oder mit einem direkten Link auf die entsprechende Unterseite der Webseite, gehören Datenschutzhinweise. Bei diesen Informationen sollte nicht nur auf das Juristische abgehoben werden. Es schafft viel Vertrauen und spart Ärger, wenn den Eltern vermittelt wird, dass der Umgang mit Fotos von pädagogischen Überlegungen und Verantwortungsbewusstsein getragen wird. Ein gutes Beispiel für einen solchen Elternbrief verwendet beispielsweise die KjG Rheinbach. Dennoch gehören einige rechtlich vorgesehene Informationen hinein: unter anderem, welche Daten warum und auf welcher Rechtsgrundlage erhoben werden, welche Informations-, Auskunfts- und Betroffenenrechte bestehen, und wo man sich beschweren kann. (Der ganze Katalog steht in §§ 16f. DSG-EKD oder §§ 14f. KDG.)
Dann sollte man sich überlegen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen man ergreift, damit mit den Daten gut umgegangen wird – das Accountmanagement für die Online-Bildergalerie, ein Konzept für die Datensicherung, damit nicht alles weg ist, wenn die Kamera am vorletzten Tag ins Wasser fällt, Methoden, wie man sicherstellt, dass nur Kinder auf Fotos landen, die auch fotografiert werden dürfen (hier bitte auf stigmatisierende Markierungen verzichten!). (Wie man generell mit personenbezogenen Daten umgeht, steht im Crashkurs Datenschutz.)
Zum Datenschutzkonzept braucht es auch die Sensibilisierung von Lagerleiter*innen und Teilnehmenden. In der Planung muss allen Leiter*innen klar sein, was erlaubt ist und was nicht. Mit den Teilnehmenden – die oft auch eigene Smartphones dabei haben – sollte man im Rahmen der Verständigung über die Lagerregeln auch über ihren persönlichen Privatsphärebedarf sprechen und über die nichtverhandelbaren Regeln hinaus (keine Fotos aus Klo und Waschraum, keine von entwürdigenden Situationen …) auch bedürfnisorientierte Regeln festlegen – z. B. fotofreie Rückzugszonen definieren, Signale vereinbaren, wenn jemand nicht aufs Foto will, Vereinbarungen zur Sichtung der Fotos durch die Abgebildeten treffen. (Weitere pädagogische Tipps gibt es auch im BDKJ-Blog Digitale Lebenswelten.)
Rechtsgrundlagen klären
Offizielle Aussagen zu Fotos von Minderjährigen
Seit Inkrafttreten der neuen Datenschutzgesetze 2018 war gerade im Umgang mit Fotos einiges im Fluss. Handhabten zu Beginn die Aufsichten Fotos von Minderjährigen so restriktiv, dass Fotos auf Ferienfreizeiten fast unmöglich schienen, sind die neuesten Empfehlungen einfacher umsetzbar.
Sowohl die EKD-Aufsicht wie die Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten haben dazu Handreichungen veröffentlicht:
- BfD EKD: Entschließung zur Veröffentlichung von Fotos von Kindern im Internet und Datenschutz bei der Anfertigung und Veröffentlichung von Fotos
- Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten: Umgang mit Bildern von Kindern und Jugendlichen und Rechtswirksamer Verzicht auf Einwilligungen bei Fotoaufnahmen
Auch wenn diese sich im Detail unterscheiden, sind die grundsätzlichen Wertungen doch recht ähnlich. Die Stellungnahmen sind zwar trocken, aber doch gut nachvollziehbar.
Fotos machen
Schon das Fotografieren selbst ist eine Datenverarbeitung – und damit braucht es eine Rechtsgrundlage. Die Aufsichten beider Kirchen vertreten hier die Position, dass die Aufnahmen auf Grundlage einer Interessenabwägung grundsätzlich zulässig sein kann, es also nicht immer eine Einwilligung braucht: Dafür muss abgewogen werden, ob die Interessen des Verantwortlichen (des Veranstalters) am Fotografieren die der betroffenen Person (die Lagerteilnehmenden) überwiegen – das wird oft der Fall sein. Sich auf eine Interessenabwägung berufen ist praktisch: Dann ist der Default »fotografieren zulässig«, während es bei einer Einwilligung anders herum ist. Aber Achtung: Umswitchen von Einwilligung zu Interessenabwägung geht nicht – sobald eine Einwilligung eingeholt wurde, ist die zu beachten. (Mehr zu den Rechtsgrundlagen gibt’s hier im Crashkurs Datenschutz.)
Erinnerungsfotografien von Sommerlagern sind sozialadäquat, die Teilnehmenden und ihre Eltern haben selbst ein Interesse an Erinnerungsstücken, vom bloßen Fotografieren geht kaum ein Risiko aus, selbst wenn die Speicherkarte abhanden kommen sollte – schließlich achtet eine verantwortliche Lagerleitung darauf, dass peinliche und entwürdigende Situationen erst gar nicht passieren und beim Fotografieren die Intimsphäre und der höchstpersönliche Lebensbereich aller geachtet wird – und wenn eine Person sagt, dass sie nicht fotografiert werden will, wird das akzeptiert. Das alles spricht dafür, dass eine Interessenabwägung für das Fotografieren ausfällt.
In die Interessenabwägung muss aber auch einfließen, ob für manche oder alle Teilnehmenden ein besonderes Risiko durch Fotografieren bestehen könnte – Sorgerechtsfragen, Aufenthaltsstatus, besondere Schutzbedürftigkeit beispielsweise von Kindern mit Behinderung, vulnerable Zielgruppen, bei denen das Faktum der Teilnahme schon eine besonders schützenswerte Information darstellt (Freizeiten im Rahmen von Therapien und Kuren, für Kinder von Strafgefangenen …) könnten ein derartiges Risiko begründen. In diesem Fall sollte dann doch besser auch fürs Fotografieren auf eine Einwilligung zurückgegriffen werden.
Fotos veröffentlichen
Interne Veröffentlichung
Geschützte, mit personalisierten Zugangsdaten versehene Bildergalerien, die Diaschau beim Lagernachtreffen der Teilnehmenden mit ihren Eltern und die Fotocollage im Gruppenraum sollten ohne Einwilligung möglich sein – mit denselben Einschränkungen wie bereits oben beim Fotografieren selbst. Wichtig ist dabei: Sobald eine größere Öffentlichkeit erreicht wird – und schon mit der Fotowand beim Pfarrfest könnte das der Fall sein – wird die Rechtfertigung über eine Interessenabwägung immer schwieriger.
Veröffentlichung für einen größeren Kreis
Spätestens wenn Bilder über den Kreis der Teilnehmenden und ihrer Eltern hinaus veröffentlicht werden, kommt man kaum um eine Einwilligung herum – und streng genommen sowohl aller Personensorgeberechtigten wie bei einsichtsfähigen Jugendlichen der Abgebildeten selbst. Grundsätzlich können nach KDG und DSG-EKD auch die Kriterien des Kunsturhebergesetzes herangezogen werden, um auf die Einwilligung zu verzichten – also wenn es sich beispielsweise um Bilder öffentlicher Versammlungen und Aufzüge, Personen und Ereignisse der Zeitgeschichte oder um bloßes »Beiwerk« handelt. Bei Sommerfreizeiten ist von diesen Kriterien aber in der Regel höchstens das Beiwerk-Kriterium relevant (das Bild soll die Jurtenburg zeigen, im Hintergrund ist aber ein Kind erkennbar) – eine öffentliche Versammlung ist eine Ferienfreizeit nicht, und Situationen, in denen eine Ferienfreizeit zum Ereignis der Zeitgeschichte wird, sind oft nicht sonderlich erstrebenswert.
Die katholische Datenschutzkonferenz sieht grundsätzlich auch Einwilligungen für einen bestimmten Zeitraum als zulässig an (explizit genannt: Kindergartenjahr; wohl auch plausibel: eine Ferienfreizeit) – es sollte aber möglichst detailliert abgefragt werden, in welche Veröffentlichungen man einwilligt. Internet-Veröffentlichungen sind besonders heikel; die evangelische Aufsicht empfiehlt hier den expliziten Hinweis auf Risiken einer Veröffentlichung im Internet (weltweite Zugriffs- und Downloadmöglichkeit, Missbrauchsgefahr, kein tatsächliches und rechtssicheres Löschen möglich). Im Konfliktfall könnte eine vorab eingeholte Einwilligung zur Veröffentlichung problematisch werden, weil sich Einwilligungen eigentlich immer auf den konkreten Fall und damit nach strenger Interpretation auf das konkrete einzelne Bild beziehen. Gerade bei der Verwendung in Werbematerialien oder in Social Media sollte zur Sicherheit hinterher für das konkrete Bild für die konkrete Verwendung abgeklärt werden.
Besonders schwierig wird damit eine Live-Berichterstattung über Social Media – selbst mit expliziter Einwilligung dafür ist nicht sicher, ob im Konfliktfall das als einwilligungsfähig gesehen wird. Es kommt nämlich alles zusammen: Minderjährige im Internet auf unkontrollierbaren sharingfreundlichen Social-Media-Plattformen, die Daten in Drittländern ohne DSGVO-Geltung verarbeiten. Hier gilt es daher, kreativ zu sein und zu überlegen, wie man eine Freizeit live darstellen kann, ohne identifizierbare Kinder und Jugendliche abzubilden. (Ein hervorragendes Beispiel dafür ist der Instagram-Account der Messdiener*innen St. Katharina Hackenbroich.)
To-do-Liste
Die Interessenabwägung muss dokumentiert werden: Warum sprechen die Interessen der Fotografierten nicht dagegen, dass fotografiert wird? Eine Kontrollfrage kann sein: Wenn die Speicherkarte geklaut wird – ist das nur ärgerlich, oder bringt das Abgebildete potentiell in Schwierigkeiten? Wenn es nicht nur ärgerlich ist, dann sollte man besser auch für das Fotografieren selbst eine Einwilligung einholen. Auch eine Einwilligung muss dokumentiert werden: Im Nachhinein muss es beweisbar sein, dass sie wirklich erteilt wurde, und beim Widerruf muss sichergestellt sein, dass er auch umgesetzt wird.
Sich auf eine Interessenabwägung zu berufen ist praktisch, weil man sich dabei das komplizierte und fehleranfällige Einwilligungsmanagement spart – es hat aber auch einen großen Nachteil: Man muss abwägen und diese Abwägung dokumentieren – und im Konfliktfall kann es passieren, dass die Aufsichtsbehörde oder das Gericht dieser Abwägung nicht folgt. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, sollte auch das Fotografieren selbst über Einwilligung regeln – dann allerdings sehr genau sicherstellen, dass auch wirklich eine Einwilligung nach allen Regeln der Kunst eingeholt und dancah verfahren wird.
Die Informationspflichten sind zu erfüllen – nach KDG vorab, beim DSG-EKD auf Anfrage (klug ist es trotzdem, das vorab zu tun – das schafft Transparenz und Vertrauen). Dazu sind die Informationen gemäß §§ 16f. DSG-EKD oder §§ 14f. KDG zur Verfügung zu stellen: In einfacher Sprache gut verständlich darstellen, wer wie welche Daten auf welcher Rechtsgrundlage und wie lang verarbeitet.
Dabei ist auch auf das Recht auf Widerspruch (für die Interessenabwägung) und Widerruf (für die Einwilligung) hinzuweisen – das Widerspruchsrecht ist anders als das auf Widerruf zwar nicht bedingungslos (es gibt Fälle, in denen man sich darauf berufen kann, dass ein den Widerspruch überwiegendes Interesse besteht), klug ist aber, es bedingungslos zu akzeptieren, wenn Eltern wollen, dass Teilnehmende gar nicht fotografiert werden. Ebenso sollte man auch nicht mit rechtlichen Argumentationen kommen, wie alt Kinder sein müssen, um selbst widersprechen zu können, sondern das bedingungslos akzeptieren und dafür sorgen, dass alle Betreuer*innen das so handhaben. (Mehr zu Informationspflichten und Betroffenenrechten gibt es im Crashkurs Datenschutz.)
Fazit
Ja, das ist ziemlich viel Arbeit, und dabei kommt man kaum um eine etwas vertieftere Beschäftigung mit dem Thema Datenschutz herum. Es lohnt sich aber dann, wenn man den Eltern und den Lagerteilnehmenden gegenüber vermitteln kann, dass man achtsam und verantwortungsvoll vorgeht, Grenzen respektiert und Kinder und Jugendliche darin bestärkt, sich mit ihrer eigenen informationellen Selbstbestimmung zu beschäftigen.
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