Jetzt ist einer der großen Wiedergänger der kirchlichen Konfliktthemen auch beim Interdiözesanen Datenschutzgericht (IDSG) angekommen: Die Frage, ob man lediglich aus der Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts austreten und trotzdem Teil der Kirche bleiben kann – sei’s als Kirchensteuersparmodell, sei’s aus Opposition gegen das, was mit Kirchensteuern finanziert wird.
Zu der Frage wurde schon viel geschrieben und dekretiert; die am Montag veröffentlichte Entscheidung mit dem Aktenzeichen IDSG 05/2019 vom 9. Dezember 2020 zeigt nun einen originellen Versuch, den Datenschutz für den Teilaustritt nutzbar zu machen. Spoiler: Ohne Erfolg.
Die datenschutzrechtliche Prüfung der Eintragung eines Kirchenaustritts im Taufregister ist beschränkt auf die formelle Richtigkeit. Das Datenschutzgericht prüft nicht die materiellen innerkirchlichen Wirkungen einer Austrittserklärung.
Leitsatz zum Urteil IDSG 05/2019
(Nachtrag, 21. Januar 2022: Auch die Rechtsmittel blieben ohne Erfolg, das DSG-DBK hat in seiner Entscheidung 05/2020 vom 16. September 2021 die erste Instanz bestätigt.)
Auf dem Standesamt erklärte der Kläger seinen Austritt aus der als »römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts« bezeichneten Religionsgemeinschaft. (Am nicht anonymisierten Austrittsdatum lässt sich erkennen, dass der Vorgang zu den Hochzeiten der von Hartmut Zapp eskalierten Diskussion stattfand.) Aus dem Eintrag im Taufbuch »Austritt am 03.07.2012 in XX« sollte nach dem Willen des Klägers ein »Austritt aus der Katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts, am 03.07.2012 in XX« werden – und zwar aufgrund des Rechtes auf Berichtigung aus § 18 KDG; auch ein Recht auf Löschung aus § 19 KDG scheint auszuüben versucht worden zu sein, jedenfalls geht die Aufsicht darauf ein. Indes: Alles erfolglos, die angerufene Datenschutzaufsicht spielte da nicht mit. Der Eintrag sei nicht unrichtig. Dagegen wehrte sich der Kläger vor dem Interdiözesanen Datenschutzgericht.
Erfolg hatte die Klage nicht: Der Bescheid der Datenschutzaufsicht war formell und materiell rechtmäßig, der Taufbucheintrag korrekt und nicht im datenschutzrechtlichen Sinn falsch und daher auch nicht zu berichtigen. Überhaupt stellt das Gericht klar, dass der clevere Umweg, das alte Fass »Austritt nur aus der Körperschaft« über den Datenschutz wieder aufzumachen, schon aus ganz grundsätzlichen Erwägungen nicht funktionieren kann: »Die statusrechtliche Prüfung der Kirchengliedschaft liegt außerhalb der Kompetenz des beschließenden Gerichts. Das beschließende Gericht darf weder als unmittelbarer Streitgegenstand noch inzidenter im Rahmen eines datenschutzrechtlichen Verfahrens eine grundlegende Statusfrage wie die des Status als Kirchenglied prüfen und entscheiden.« Das gelte jedenfalls dann, wenn die »Statusfrage nicht offensichtlich zu beantworten ist«, wird noch nachgeschoben.
Verschiedene Ansichten im Gericht zu den eigenen Kompetenzen
Das Gericht macht sich die Mühe, diese selbstverständlich klingende Aussage ausführlich (und schlüssig) auf mehreren Seiten zu begründen (Nr. 42–46, ab Nr. 47 folgt dann aber doch ein für die Entscheidung unerheblicher Exkurs in die möglichen Folgen des Austritts).
Das könnte eine Reaktion auf eine andere, ebenfalls veröffentlichte Entscheidung des Gerichts sein, das es allerdings in anderer Besetzung getroffen hat. Im Fall eines rückkehrwilligen konvertierten alt-katholischen Priesters hatte das IDSG noch recht locker den Übertritt des Klägers zur alt-katholischen Kirche als »Häresie oder zumindest Schisma« bewertet, »wodurch sich der Antragsteller nach can. 1364 § 1 CIC die Exkommunikation als Tatstrafe zugezogen hat. Infolge der Begehung dieser Straftat ist der Antragsteller irregulär für den Empfang der Priesterweihe ( can. 1041 Nr. 2 CIC) bzw. – wenn man die altkatholische Priesterweihe als gültig ansähe – für die Ausübung der Weihe (can. 1044 § 1 Nr. 2 CIC) und es wäre eine Dispens von dieser Irregularität erforderlich.« (IDSG 02/2018, Nr. 31.) Nach den Maßstäben im aktuellen Urteil ist eine derartige Aussage des Datenschutzgerichts wohl eine deutliche Überreizung der eigenen Kompetenzen. (Oder ist das eine »Statusfrage, die offensichtlich zu beantworten ist«? Angesichts der Tragweite von Fragen nach Häresie oder Schisma wäre es jedenfalls doch angebracht, das den zuständigen Instanzen und nicht einem Datenschutzgericht zur Klärung zu überlassen.)
Weitere Beobachtungen
- Wieder zeigt sich die Benutzer*innenfreundlichkeit des Gerichts: Obwohl die Klage an das falsche Gericht (nämlich das der zweiten Instanz, und dazu noch in fragwürdiger Formulierung in der Sache) adressiert war, wurde sie ohne Probleme angenommen.
- Der Fall geht auf 2012 zurück und wurde erst 2018, nach Inkrafttreten des KDG vorgebracht, und ist trotzdem nicht verwirkt: »Wenn er den Erlass des KDG und der KDSGO zum Anlass nimmt, sich erstmals im Mai 2018 an die Beteiligte und anschließend im Juli 2018 an die Antragsgegnerin zu wenden, steht dies angesichts der neuen Rechtslage der Annahme einer Verwirkung entgegen.«
- Gleich auf dem Deckblatt wird angekündigt, dass uns der Fall weiter verfolgen wird: Rechtsmittel wurden eingelegt, es geht noch eine Runde über das Datenschutzgericht der DBK – damit ist das der zweite bekannte Fall; der andere betrifft besagten alt-katholischen rückkehrwilligen Priester. Vielleicht löst das DSG-DBK also auch den Disput um die Kompetenz des IDSG auf.