In welchen katholischen Vereinen gilt kirchliches Datenschutzrecht?

Für wen gilt eigentlich katholisches Datenschutzrecht? Schaut man ins KDG, findet man dort unter § 3 Abs. 1 eine sehr ausgreifende Antwort: Nicht nur in verfasster Kirche und Caritas, sondern auch für »die kirchlichen Körperschaften, Stiftungen, Anstalten, Werke, Einrichtungen und die sonstigen kirchlichen Rechtsträger ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform« soll es gelten.

Ein Schild weist mit der Aufschrift »Nur für Besucher der ›kirchlichen Einrichtung‹« auf einen Parkplatz an einer Kirche hin. (Foto: Sarah Helduser)
Diese Anführungszeichen sind unnötig: Das Schild markiert den Parkplatz einer katholischen Pfarrei, die ohne Zweifel kirchlich ist. Doch bei anderen Organisationen im kirchlichen Leben stellt sich in der Praxis oft die Frage, ob eine Einrichtung nur in Anführungszeichen oder im engen Sinn »kirchliche Einrichtung« ist – und was das für das für sie geltende Recht bedeutet. (Foto: Sarah Helduser)

Nur: Wann sind Rechtsträger so kirchlich, dass das kirchliche Datenschutzrecht wirklich und verbindlich gilt? Und insbesondere: Für welche kirchlichen Vereine und Verbände gilt das kirchliche Datenschutzrecht? Mit dieser Frage habe ich in meiner Masterarbeit im Studium des Vergleichenden kanonischen Rechts auseinandergesetzt: »Die Geltung kirchlichen Rechts in Vereinigungen von Gläubigen ohne kanonische Rechtsform am Beispiel des Gesetzes über den kirchlichen Datenschutz«.

Die Arbeit stelle ich vollständig online zum Download zur Verfügung. Im folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst – Begründungen und Erläuterungen dazu finden sich in der Arbeit. (Unter anderem eine ausführliche Rechtsvergleichung sowohl mit dem kirchlichen Arbeitsrecht als auch mit katholischen Datenschutznormen in anderen europäischen Staaten.)

In welchen kirchlichen Vereinigungen gilt kirchliches Recht?

Bischöfliches Recht gilt für die kanonischen Vereine von Gläubigen ohne weiteres, die unter der Aufsicht und Leitung des Diözesanbischofs stehen, und zwar für private wie öffentliche Vereine, einschließlich der nichtrechtsfähigen privaten Vereine. (Mehr zum kirchlichen Vereinsrecht und den verschiedenen Arten kanonischer Vereine findet sich im Vereinsleitfaden der DBK.)

In freien Zusammenschlüssen von Gläubigen gilt kirchliches Recht aufgrund der Vereinsautonomie dagegen nicht ohne weiteres, lediglich die einzelnen Mitglieder sind als natürliche Personen Rechtsunterworfene der zuständigen kirchlichen Autoritäten. »Freie Zusammenschlüsse« sind Vereinigungen von Gläubigen mit kirchlichen Zielen, die keine kanonische Rechtsform haben – vergleichbar mit nicht-eingetragenen Vereinen im weltlichen Recht. Aufgrund der historischen Entwicklung des katholichen Vereinswesens in Deutschland haben viele Vereine und Verbände keine kanonische Rechtsform – noch häufiger dürften kirchliche und caritative Einrichtungen in privatrechtlichen Organisationsformen keine kanonische Rechtsform haben; für sie gilt alles weitere analog.

Es steht sowohl freien Zusammenschlüssen von Gläubigen als auch juristischen Personen, die der Aufsicht und Leitung eines Diözesanbischofs nicht unterstehen, grundsätzlich frei, durch verbindliche Regelungen in den eigenen Statuten bischöfliches Recht zur Anwendung kommen zu lassen. Dazu braucht es aber nicht nur die Einräumung derartiger Mitwirkungsrechte der kirchlichen Autorität, sondern auch die Annahme der Einräumung durch die zuständige Autorität; diese Annahme lässt sich aber auch im voraus normieren wie in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (Art. 1 Abs. 6), so dass eine einseitige Übernahme ohne nachgängigen Anerkennungsakt zur Wirksamkeit genügt.

Wie kommt kirchliches Recht in Vereinigungen ohne kanonische Rechtsform zum Tragen?

Idealtypisch ist der im Verlauf der Arbeit herausgearbeitete Dreischritt, mit dem die bischöfliche Normsetzungskompetenz mit der Vereinigungsautonomie in Einklang gebracht werden kann. Es braucht

  1. eine Öffnungsklausel in der jeweiligen Norm,
  2. die eine Vereinigung, die der Normsetzungskompetenz der jeweiligen kirchlichen Autorität nicht unterliegt, wahrnimmt, und
  3. die Bestätigung der Annahme durch die kirchliche Autorität.

Konkret auf das kirchliche Datenschutzrecht bezogen bedeuten diese Ergebnisse, dass die weite Formulierung des Geltungsbereichs tatsächlich eingeschränkt ist auf die Rechtsträger, die der so umrissenen Normsetzungskompetenz des Diözesanbischofs unterliegen; eine ausdrückliche Öffnungsklausel fehlt aber im KDG. Der kirchliche Gesetzgeber scheint aber davon auszugehen, dass das kein Hindernis ist, wie man der (in der Arbeit sehr kritisch betrachteten) Datenschutz-FAQ-Liste der DBK entnehmen kann.

Freie Zusammenschlüsse von Gläubigen müssen also durch eine Satzungsbestimmung oder eine andere verbindliche Erklärung kirchliches Datenschutzrecht erst zur Anwendung bringen.

Vorschläge für kirchliche Gesetzgeber und Rechtsanwendende

In der Arbeit empfehle ich kirchlichen Gesetzegebern, die Bedingung für die Geltung kirchlichen Rechts in den jeweiligen Normen klar auszuformulieren – das wäre ein Punkt, der in die gerade laufende Evaluation des KDG einfließen sollte. Für die kirchlichen Stellen, die der bischöflichen Gesetzgebungskompetenz nicht unterliegen, sollten die Voraussetzungen für die Anwendung der jeweiligen Norm klar benannt werden: Genügt eine einseitige, verbindliche Erklärung des Rechtsträgers etwa durch die Satzung, oder muss der Diözesanbischof zustimmen, dass ein Rechtsträger kirchliches Recht anwendet?

Rechtsanwendende wie kirchliche Vereine sollten sich überlegen, ob sie entweder eine kanonische Rechtsform anstreben oder, falls sie das nicht wollen, ob und welches kirchliches Recht sie anwenden wollen. In der Arbeit schlage ich dafür Mustersatzungsbestimmungen vor.

Ein Gedanke zu „In welchen katholischen Vereinen gilt kirchliches Datenschutzrecht?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert