Das Datenschutzgesetz der EKD ist in weiten Teilen eine Blackbox – die Literatur ist überschaubar, die angekündigte Kommentierung wird seit Jahren verschoben, die Aufsichten berichten nur alle zwei Jahre. Mit am schwersten wiegt, dass bislang überhaupt keine Rechtsprechung der zuständigen Kirchengerichte bekannt ist.
Bisher war nicht einmal bekannt, ob und wie viele Verfahren mit DSG-EKD-Bezug von der Verwaltungskammer des Kirchengerichts als erster und dem Verwaltungssenat des Kirchengerichtshofs als zweiter Instanz entschieden wurden. Immerhin das weiß man jetzt: Die Pressestelle der EKD hat (mit monate- und jahrelangem Vorlauf) nun zumindest zu den Zahlen Auskunft gegeben.
Zahl der Verfahren
Laut dem EKD-Sprecher sind seit Inkrafttreten des neuen DSG-EKD, also seit Mai 2018 bei der Verwaltungskammer 23 Verfahren mit Datenschutzbezug anhängig geworden. »Bis auf sechs Verfahren, die aktuell noch bei der Verwaltungskammer anhängig sind, sind alle weiteren Verfahren bereits abgeschlossen«, so der Sprecher.
Der Großteil der Verfahren habe sich ohne Entscheidung erledigt, also etwa durch Rücknahme der Klage, beidseitige Erledigungserklärung, Verweisung oder Vergleich. Rechtskräftig geworden sind laut EKD-Pressestelle nur vier Entscheidungen. Die zweite Instanz hatte bislang nur ein Verfahren zu bearbeiten. Keine der Entscheidungen wurde bislang veröffentlicht, worum es in der Sache ging, ist nicht bekannt.
Überhaupt sind die EKD-Verwaltungsgerichte sehr zurückhaltend mit der Veröffentlichung von Entscheidungen. Die Rechtsprechungsdatenbank der EKD verzeichnet seit 2003 gerade einmal 27 Entscheidungen seit 2003 insgesamt. (Auch von den Gerichten der einzelnen Landeskirchen sind keine Entscheidungen bekannt; ohnehin ist fraglich, ob überhaupt Konstellationen denkbar sind, in denen ein gliedkirchliches Gericht und nicht die EKD-Kirchengerichte für Datenschutzfälle zuständig sind.)
Zum Vergleich: Das katholische Interdiözesane Datenschutzgericht (1. Instanz) hat seit seiner Errichtung 2018 19 Entscheidungen veröffentlicht, das Datenschutzgericht der DBK (2. Instanz) 6 Entscheidungen. Zahlen zu den Verfahren insgesamt sind mit Stand März 2022 bekannt: Beim IDSG waren zu diesem Zeitpunkt 63 Verfahren eingegangen, von denen 34 erledigt wurden, beim DSG-DBK 11 Verfahren, von denen 7 erledigt wurden.
Veröffentlichungspraxis
Gesetzliche Vorgaben zur Veröffentlichung gibt es in beiden Rechtsordnungen nicht; das EKD-Kirchengerichtsgesetz trifft dazu keine Regelungen. Lediglich zur Öffentlichkeit der Verhandlungen werden dort die einschlägigen Normen des staatlichen Gerichtsverfassungsgesetzes (Titel 14, §§ 169–183 GVG) über eine Verweisung ins Kirchenrecht übernommen.
Laut EKD-Pressestelle werden nicht alle Entscheidungen der Kirchengerichte als »veröffentlichungswürdig« angesehen: »Derzeit werden ausschließlich zweitinstanzliche Entscheidungen veröffentlicht, die von dem jeweiligen Gericht mit einem Leitsatz versehen sind. Erstinstanzliche Entscheidungen werden zur Zeit nicht veröffentlicht.« Die Veröffentlichungspraxis werde aber gerade überprüft.
Fazit
Immer noch ist nicht bekannt, welche Datenschutzthemen die Kirchengerichte beschäftigen. Aber immerhin ist nun bekannt, dass Datenschutzthemen die EKD-Gerichte beschäftigen. Überraschend ist dabei die geringe Anzahl – vier Entscheidungen bei 23 Fällen in der ersten Instanz ist im Vergleich zu den 34 Entscheidungen beim katholischen IDSG ausgesprochen wenig, in der zweiten Instanz ist das Verhältnis fast identisch. Mit der Größe der Kirchen lässt sich das kaum erklären; weder nach Mitgliedern noch nach Beschäftigten sind die Unterschiede so eklatant, auch wenn die katholische Kirche in Deutschland jeweils etwas mehr hat.
Bei den katholischen Datenschutzgerichten ist aus den Entscheidungen und aus Äußerungen von Aufsichten und Richtern bekannt, dass dieser einzige niederschwellig zugängliche (und auffindbare) Gerichtsweg gerne auch genutzt wird, um sich über lediglich datenschutzrechtlich verbrämte Konfliktthemen zu beschweren. Ob ähnliche Tendenzen bei den EKD-Gerichten geringer ausgeprägt sind, wäre interessant zu wissen – dazu bräuchte es aber mehr Transparenz. Denkbar sind unterschiedliche große Unzufriedenheiten in den jeweiligen Kirchen – oder auch nur die Kosten: Während vor den katholischen Gerichten die Parteien ihre Kosten selbst tragen, trägt im evangelischen Verwaltungsverfahren die unterliegende Partei die Kostenlast. Das ist kein besonderer Anreiz für Klagen auf weniger festem Fundament.
Dass die Veröffentlichungspraxis überdacht wird, ist nur zu begrüßen – die bisherige extrem zurückhaltende Praxis sorgt für erhebliche Unklarheit über die Rechtsanwendung und Rechtsentwicklung. Schließlich sind zugängliche Entscheidungen nicht nur von akademischem Interesse: Den staatlichen Gerichten hat das das Bundesverwaltungsgericht schon 1997 ins Stammbuch geschrieben – für die kirchlichen Gerichte sollte ein Gleiches gelten: »Der Bürger muß zumal in einer zunehmend komplexen Rechtsordnung zuverlässig in Erfahrung bringen können, welche Rechte er hat und welche Pflichten ihm obliegen; die Möglichkeiten und Aussichten eines Individualrechtsschutzes müssen für ihn annähernd vorhersehbar sein. Ohne ausreichende Publizität der Rechtsprechung ist dies nicht möglich. Rechtsprechung im demokratischen Rechtsstaat und zumal in einer Informationsgesellschaft muß sich – wie die anderen Staatsgewalten – darüber hinaus auch der öffentlichen Kritik stellen. Dabei geht es nicht nur darum, daß in der Öffentlichkeit eine bestimmte Entwicklung der Rechtsprechung als Fehlentwicklung in Frage gestellt werden kann.« (BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 – 6 C 3.96, Rn. 29.)