Bistum Essen adaptiert Personalaktenordnung für alle Beschäftigte

Die Personalaktenordnung für Kleriker und Kirchenbeamte ist eine Frucht der Missbrauchsaufarbeitung in der Kirche. Viele Gutachten bestätigten, was Missbrauchsbetroffene schon lange wussten: Täter konnten dank nachlässiger und manipulativer Aktenführung versetzt werden, sei es im Bistum, sei es über Bistumsgrenzen hinaus, und Taten und Verdachtsmomente waren aus den Akten, aus der Welt.

Neben dem Essener Dom ist das Amtsblatt des Bistums zu sehen
(Bildquelle: Tuxyso / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0, CC BY-SA 3.0, Link, zugeschnitten und Montage mit dem Amtsblatt 3/2022 des Bistums Essen.)

Mittlerweile haben wohl alle Bistümer eine einheitliche Personalaktenordnung erlassen, um das zu kontern – aber damit werden natürlich nur ein Bruchteil der kirchlichen Beschäftigten erfasst: Die Mehrheit sind keine Kleriker, Kirchenbeamte die Ausnahme. Das Bistum Essen hat nun überraschend als erste Diözese eine der PAO analoge Ordnung für seine Mitarbeiter*innen erlassen: Im aktuellen Amtsblatt ist eine »Verordnung über die Führung von Personalakten und Verarbeitung von Personalaktendaten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bistums Essen« (hier PAO-MA abgekürzt) in Kraft gesetzt worden. Die hat überwiegend Parallelen zur bekannten PAO – aber auch einige Unterschiede.

Grundsätzliche Fragen

Generalvikar statt KODA

Dass überhaupt eine derart umfassende Personalaktenordnung für alle Bistumsbeschäftigten erlassen wurde, überrascht: Bislang ging die Tendenz eher dahin anzunehmen, dass insbesondere die umfangreichen Regelungen zur Datenweitergabe und Auskunft an Dritte schon bei Klerikern und Beamten den datenschutzrechtlich möglichen Spielraum voll ausnutzen und für nichtbeamtete Beschäftigte gar nicht zulässig wären.

Außerdem überrascht, dass eine arbeitsrechtliche Ordnung direkt vom Generalvikar erlassen wird, anstatt von der – paritätisch aus Dienstnehmern und Dienstgebern zusammengesetzten – zuständigen Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsrechts (KODA) beschlossen und anschließend vom Bischof in Kraft gesetzt zu werden. Das führt unter anderem dazu, dass die Ordnung nicht auf alle kirchliche Beschäftigte im Bistum anwendbar ist, sondern nur für diejenigen, die direkt im Dienst des Bistums Essen stehen. Ergebnis dieser Beschränkung ist eine deutliche Einschränkung der Eingriffsintensität: Eine der heikelsten Regelungen der PAO ist die Weitergabe von Personalakten über verschiedene Verantwortliche hinweg.

Ergänzung: Auch bei katholisch.de habe ich die PAO-MA vermeldet – dafür teilte mir das Bistum mit: »Eine Beteiligung der KODA war unserer Auffassung nach nicht erforderlich, da die in der KAVO enthaltenen Rechte durch diese Regelungen nicht tangiert werden. Insbesondere die Regelung der KAVO zur Personalakte, vgl. § 12 KAVO, wurden übernommen. Die übrigen Regelungen sind im Grundsatz innerbetriebliche Anweisungen an die Mitarbeitenden in den Personalbereichen. Es gab gleichwohl eine Beteiligung unserer MAVen.«

Vier verschiedene Personalaktenregime in Essen

Künftig gibt es im Bistum Essen grundsätzlich für vier verschiedene Gruppen unterschiedliche Personalaktenregime, wie aus § 1 PAO-MA hervorgeht: Mitarbeitende des Bistums Essen, für die die PAO-MA gilt, Mitarbeitende (Beamten wie Angestellte) an bischöflichen Schulen, für die das staatliche Beamtenrecht entsprechend angewendet wird, Kleriker und Kirchenbeamte, für die die PAO gilt, sowie kirchliche Beschäftigte, die keine Mitarbeitende des Bistums sind, für die es keine einheitliche Regelung gibt.

Unterschiede zwischen PAO und PAO-MA

Instrumente zur Missbrauchsprävention

Bei der PAO-MA fällt gleich in der Präambel ins Auge, dass sie nur aus drei statt vier Zielbestimmungen besteht: Der Punkt »in der Absicht, eine Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Raum der katholischen Kirche zu ermöglichen« fehlt hier im Vergleich zur PAO – wohl, um Rechtssicherheit zu erhöhen, da diese Zielbestimmung die eigentlich strenge Zweckbestimmung von Personalakten auf Arbeitsverhältnisse hin erweitert, aber auch aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Personalaktenweitergabe zwischen verschiedenen Dienstherren.

In den Regelungen der PAO-MA entfaltet dieser Wegfall darüber hinaus aber keine größeren Wirkungen: § 14 PAO-MA, Auskunft an Dritte, entspricht wörtlich § 15 PAO, wird allerdings noch um einen vierten Absatz ergänzt, der eine Rechtsgrundlage zur Übermittlung »im Rahmen von beabsichtigten Maßnahmen der Personalverwaltung« ergänzt, insbesondere bei Abordnung und Personalgestellung. § 17 PAO-MA, kirchliche Strafverfahren, entspricht § 18 PAO unter Auslassung der nicht relevanten Disziplinarverfahren, § 18 PAO-MA, Übermittlungen in staatlichen Strafverfahren, entspricht wieder wörtlich § 19 PAO.

Klerikale Besonderheiten entfallen

Die größten Unterschiede sind laufbahnbezogen: Die Gliederung der Personalakten in die Phasen der Ausbildung (Alumnus des Priesterseminar oder Bewerberkreis des Ständigen Diakonats) und den Zeitpunkt ab der Diakonenweihe ergibt naturgemäß keinen Sinn, entsprechend wird stattdessen in § 9 PAO-MA nur die Übernahme von Inhalten aus der Ausbildungs- oder Praktikumsakte in die Personalakte geregelt.

Ebenso kann § 13 PAO-MA zur Vorlage und Weitergabe von Personalakten deutlich kompakter ausfallen als der gleich überschriebene § 14 PAO, da Regelungen für Um-, In- und Exkardination zwischen verschiedenen Diözesen, Orden und anderen inkardinationsfähige Instanzen wegfallen und kompatible Ordnungen für Beschäftigte in anderen Bistümern und Einrichtungen nicht existieren.

Weitere kleinere Abweichungen

Durch die Ordnung ziehen sich noch diverse kleinere Änderungen, etwa beim Inhalt der Personalakte in § 7 PAO-MA. So gehören ärztliche und psychologische Gutachten (Abs. 2 lit. f)) nicht in die Personalakte von Beschäftigten , aus lit. h) PAO wurden die Unbedenklichkeitsbescheinigungen gestrichen, Abs. 3 c) PAO, das Verbot der Aufnahme von »Unterschriftensammlungen und Bittbriefe für oder gegen den Verbleib des Klerikers in der Gemeinde« konnte gestrichen werden, dafür kommt mit demselben Buchstaben der Ausschluss von »Entwürfe von Vorgängen« hinzu und bei der »Korrespondenz privater Natur ohne Bezug zum Dienstverhältnis« in lit. e) wurden Kondolenzschreiben ergänzt.

Die Ordnung der Personalakte (§ 8 PAO-MA) wurde genauer festgelegt: in sachlichen Abschnitten, darin jeweils chronologisch, und jeweils mit dem neuesten Vorgang vorne. Die PAO-Personalakte wird stattdessen zeitlich geordnet. Bei der Anhörungspflicht (§ 11 PAO-MA, § 12 PAO) fehlt ein Verweis auf andere Rechtsvorschriften, nach denen Anhörungen möglich sind, und bei denen dann die Anhörungspflicht entfällt (gemeint sind damit wohl kirchenrechtliche Verfahren), § 12 Abs. 2 PAO-MA normiert ein Akteneinsichtsrecht der MAV (nur mit Einwilligung der betroffenen Person), das mangels entsprechendem Gremium in der PAO nicht vorkommt, und die Aufbewahrungspflichten in § 16 PAO-MA sind kompakter als in § 17 PAO, da weder kleriker- noch pensionsspezifische Sachverhalte beachtet werden müssen.

Interessant, aber naheliegend ist die Streichung von § 21 PAO, der dort den Rechtsweg zur kirchlichen Datenschutzgerichtsbarkeit normiert – für Beschäftigte sind in individualrechtlichen Fragen die staatlichen Arbeitsgerichte zuständig.

Fazit

Eine einheitliche, manipulationssichere und klare Aktenführung ist auch für kirchliche Beschäftigte, die weder Kleriker noch Beamten sind, sinnvoll. Die Änderungen im Vergleich zur PAO wirken auch durchweg zweckdienlich und nachvollziehbar.

Offen bleibt allerdings die Frage nach der Zulässigkeit in dieser Form, sowohl materiell mit Blick auf die datenschutzrechtlichen Standards, als auch prozedural mit Blick auf die fehlende KODA-Beteiligung. Für die prozedurale Zulässigkeit spricht, dass es sich um eine Ordnung des Generalvikars für die Beschäftigten handelt, deren Dienstherr er ist, und nicht um ein allgemeines Gesetz für alle Beschäftigten. Es bleibt dabei aber die Frage, ob derart weitreichende Eingriffe auf dieser Ebene möglich sind, oder ob es dafür nicht doch ein bischöfliches Gesetz bräuchte – für das sich dann wieder die Frage der KODA-Zuständigkeit ergäbe.

Eine Einführung einer PAO-MA für alle kirchlichen Beschäftigten über den Weg der KODA wäre aber wohl ohnehin weder praktikabel noch machbar: Nicht nur, weil zum Teil kleinste Einrichtungen mit der Einführung des nötigen Dokumentenmanagementssystems überfordert sein könnten, sondern auch, weil ein zentrales Element der PAO, nämlich die nahtlose Aktenführung durch Aktenweitergabe über Inkardinationsinstanzen und Einsatzorte hinweg, wohl in üblichen Arbeitsverhältnissen absolut unzulässig wäre – das zieht der PAO dann aber auch die Zähne. Auch wenn es zunächst wie ein großer Schritt wirkt, was das Bistum Essen hier getan hat: Stringente Ordnungen zur Personalaktenführungen gibt es auch in anderen Bistümern, im Ergebnis dürfte die PAO-MA hauptsächlich eine Vereinheitlichung des Personalwesens im Bistum bewirken.

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