Kurz zusammengefasst lautet das Urteil: Der Wortlaut von Art. 91 DSGVO gilt. Der Kirchenartikel ist wirklich nur eine Bestandsschutzregelung. Eine eingehendere Analyse gibt einige interessante Anhaltspunkte zur Auslegung des Artikels – und wenn das Urteil rechtskräftig werden sollte, werden wohl einige Kommentare umgeschrieben werden müssen.
Das eigene Datenschutzrecht der Kirchen steht unter dem Vorbehalt, im Einklang mit dem europäischen Datenschutzrecht zu stehen. Erste Konflikte zeichnen sich schon ab: Verschiedene Datenschutzaufsichten haben Zweifel am Datenschutzrecht kleinerer Gemeinschaften, und auch bei den großen Kirchen steht nicht fest, wie der gegenüber dem Selbstverwaltungsrecht der Kirchen notorisch kritische Europäische Gerichtshof (EuGH) im Konfliktfall handeln würde. Der Münsteraner Europarechtler Gernot Sydow gibt im Interview mit Artikel 91 eine Einschätzung ab, wie es um das Verhältnis zwischen EU und kirchlichem Datenschutz steht – und macht sich für den Gleichbehandlungsgrundsatz im Religionsverfassungsrecht stark.
Frage: Professor Sydow, hat die Europäische Union überhaupt die Kompetenz, Datenschutzrecht für Religionsgemeinschaften zu regeln?
Sydow: Das gesamte europäische Datenschutzrecht setzt eine Kompetenz der EU voraus, und die gibt es immer dann, wenn es einen Binnenmarktbezug gibt. Nicht alles was die Kirchen tun, hat einen Binnenmarktbezug. Bei kirchlichen Krankenhäusern kann man das noch überlegen, bei deren Dienstleistungen könnte man noch eine europäische Gesetzgebungskompetenz herleiten. Aber das Führen von Kirchenbüchern hat mit der Kompetenz der EU gar nichts zu tun, deshalb ist sie auch nicht zuständig. Deswegen braucht die Kirche dafür auf jeden Fall eigene Regelungen.