Eines der Dauerbrennerthemen des Datenschutzes seit Inkrafttreten der DSGVO ist die Frage, ob das Kunsturheberrechtsgesetz noch angewendet werden kann: Richtet sich die Veröffentlichung von Fotos von Menschen nach dem Datenschutzrecht oder dem KUG als Spezialgesetz? Immer noch herrscht hier eine große Meinungsvielfalt.

Ist das im kirchlichen Datenschutz wie so oft genauso? Oder stellt sich das Problem der Anwendung des KUG anders dar? Für die Praxis ist das sehr relevant: Denn während die DSGVO nur den allgemeinen Rahmen für alle Verarbeitungen bietet, ließe sich aus dem KUG der Umgang mit Bildern von Menschen mit spezifisch dafür aufgestellten Regeln ableiten.
Was regelt das KUG?
Heute ist nur noch ein Rumpf des 1907 erstmals in Kraft getretenen KUG in Kraft. Von den einst 55 Paragraphen gelten noch zwölf:
- Die §§ 22–24 KUG regeln, dass Bildnisse (also Abbildungen von Personen) grundsätzlich nur mit Einwilligung der betroffenen Personen veröffentlicht werden dürfen, legen aber auch Ausnahmen fest, in denen das nicht gilt: der Bereich der Zeitgeschichte, Menschen als Beiwerk, Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen sowie Kunst. Das Recht gilt bis zehn Jahre nach dem Tod, einwilligen können dann Angehörige. Bei Fotos gegen Entlohnung wird eine Einwilligung angenommen. Die Einwilligung kann – anders als in der DSGVO – grundsätzlich nur in sehr engen Grenzen widerrufen werden.
- Die noch geltenden Paragraphen zwischen 33 und 50 regeln, was bei Verstößen gegen die Regeln zuvor gilt.
- § 55 regelt das Inkrafttreten.
Im Vergleich zur DSGVO ist das KUG also sehr attraktiv, um darauf die Veröffentlichung von Bildern zu stützen: Klare Kriterien, wann es ohne Einwilligung möglich ist, und im Falle einer Einwilligung droht kein absolutes Widerrufsrecht.
Unklares Verhältnis von DSGVO und KUG
Die DSGVO als EU-Verordnung ist unmittelbar anwendbares Europarecht. Damit verdrängt sie Regelungen nationalen Rechts, die ihr entgegenstehen. Für das KUG scheint das da, wo sich seine Regelungen auf lebende Personen beziehen, also zunächst eindeutig zu sein: Relevant für die Veröffentlichung von Bildern mit lebenden Personen ist die DSGVO, nicht das KUG.
Eine andere Meinung vertritt aber das Bundesinnenministerium. In einer FAQ-Liste beruft sich das Ministerium auf die Öffnungsklausel in Art. 85 Abs. 1 DSGVO, nach dem die Mitgliedsstaaten durch nationales Recht den Schutz personenbezogener Daten gemäß DSGVO mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang bringen. Diesen Ausgleich schaffe das KUG: »Es steht nicht im Widerspruch zur Datenschutz-Grundverordnung, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der Datenschutz-Grundverordnung ein.«
Ohne ins Detail zu gehen: Diese Auffassung ist umstritten, und zwar schon dahingehend, ob Art. 85 Abs. 1 DSGVO tatsächlich eine allgemeine Öffnungsklausel ist, oder ob nicht vielmehr die eigentliche Öffnungsklausel in Abs. 2 zu finden ist und sich sehr viel enger nur auf Verarbeitungen zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken beschränkt. (Dazu haben sich auch schon die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in einer Ausarbeitung zum Verhältnis der Datenschutz-Grundverordnung zum Kunsturhebergesetz geäußert.)
Entsprechend ist die DSGVO-Kommentarliteratur gespalten. Eine Auswahl: Pötters in Gola/Heckmann spricht sich für ein echtes Nebeneinander von DSGVO und KUG aus, die DSGVO sperre das KUG nicht (ohne wirklich zu begründen, warum das so sein soll), Sommer in Däubler et. al. verneint eine Anwendung ganz, weil das KUG keine hinreichende Privilegierung für die Presse vorsehe, Buchner/Tinnefeld in Kühling/Buchner sehen das KUG dann anwendbar, wenn der Anwendungsbereich der Öffnungsklausel von Art. 85 Abs. 2 DSGVO eröffnet ist.
2019 hat die Bundesregierung das KUG bei der EU-Kommission gemäß Art. 85 Abs. 3 DSGVO notifiziert. Mindestens im engeren Anwendungsbereich der journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecke darf man wohl davon ausgehen, dass das KUG angewendet werden kann. Für die journalistischen Zwecke gibt es auch Rechtssprechung: Der BGH hat 2020 das KUG als anwendbar betrachtet, ähnlich jüngst auch das OLG Koblenz, das auch Sympathien für eine weitere Geltung des KUG zeigte.
Im Ergebnis dürfte sicher sein, dass das KUG für journalistische, wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Zwecke, also im Bereich der Öffnungsklausel von Art. 85 DSGVO im engeren Sinn, anwendbar ist. Ob das KUG generell bei Bildern von Personen angewendet werden kann, ist dagegen nicht sicher. Für Rechtssicherheit dürfte hier erst der EuGH sorgen, falls ihm eine entsprechende Frage dazu vorgelegt wird, wie die Öffnungsklausel (oder -klauseln) in Art. 85 DSGVO zu verstehen ist. Außerhalb des klaren Anwendungsbereichs können die Ausnahmen aus § 23 KUG als Kriterien für Interessenabwägungen herangezogen werden.
Voll anwendbar ist das KUG dagegen für Verstorbene, da sie nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen.
Wichtig ist, dass das KUG sich nur mit der Veröffentlichung von Bildern befasst – für die Anfertigung greift die DSGVO.
KUG im kirchlichen Datenschutzrecht
Kirchliches Datenschutzrecht muss zwar in Einklang mit der DSGVO stehen. Dennoch kann man insbesondere in Fragen des Verhältnisses der jeweiligen kirchlichen Datenschutzgesetze zu Spezialgesetzen nicht immer alles so machen, wie es für die DSGVO gilt. (Ob das dann noch im Einklang steht, müsste der EuGH entscheiden.) Beide großen kirchlichen Datenschutzgesetze haben Regeln für den Vorrang von Spezialgesetzen, die es so in der DSGVO nicht gibt, und anders als im Verhältnis von DSGVO und nationalem Recht stehen kirchliche Datenschutzgesetze in der Regel auf gleicher Ebene wie andere kirchliche und staatliche Gesetze, während die DSGVO nicht unmittelbar anwendbar ist.
Unbedingter Anwendungsvorrang im DSG-EKD
Das DSG-EKD tritt hinter alle anderen Normen zurück, die Datenverarbeitungen regeln: »Soweit andere Rechtsvorschriften, die kirchliche Stellen anzuwenden haben, die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln, gehen sie diesem Kirchengesetz vor« (§ 2 Abs. 6 DSG-EKD). Damit ist für die Veröffentlichung von Bildern im Geltungsbereich des DSG-EKD das KUG anzuwenden.
So sieht es – jedenfalls im Ergebnis, zum Weg dahin äußert sie sich nicht – auch die Aufsicht. Schon 2019 nannte der BfD EKD die Ausnahmetatbestände des KUG in einer FAQ-Liste als auch unter dem DSG-EKD geltende Ausnahmetatbestände. In der Handreichung zur Anfertigung und Veröffentlichung von Fotos (Dezember 2020) heißt es klar: »Die Veröffentlichung von Fotos unterliegt eigenen Anforderungen und richtet sich nach dem Kunsturhebergesetz (KunstUrhG).« An mehreren Stellen der Handreichung wird das KUG unmittelbar angewandt.
Bedingter Anwendungsvorrang im KDG
Das KDG kennt zwar einen Anwendungsvorrang anderer Normen, bindet diese Normen aber an sein Datenschutzniveau: »Soweit besondere kirchliche oder besondere staatliche Rechtsvorschriften auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor, sofern sie das Datenschutzniveau dieses Gesetzes nicht unterschreiten« (§ 2 Abs. 3 KDG). Der Anwendungsvorrang wird außerdem dadurch eingeschränkt, dass nicht beliebige andere, sondern jeweils besondere Rechtsvorschriften vorgehen können, es braucht also wohl eine speziellere Regelung der jeweiligen Verarbeitung. Die Formulierung »sofern« (und nicht: »soweit«) legt nahe, dass eine andere Norm als Ganzes nicht anwendbar ist, wenn sie hinter dem KDG zurückbleibt.
Das KUG kann demnach maximal in dem Umfang dem KDG vorgehen, wie die Regelungen nicht hinter dem Datenschutzniveau zurückbleiben, wenn es überhaupt (wegen »sofern«) anwendbar ist. Ein niedrigeres Datenschutzniveau besteht in Bezug auf die grundsätzlich unwiderrufliche Einwilligung, während das Einwilligungserfordernis selbst sicher und die Ausnahmen mit guten Gründen das Datenschutzniveau nicht beeinträchtigen.
Die katholischen Aufsichten haben sich bislang nicht eindeutig dazu geäußert, ob das KUG unmittelbar anwendbar ist. In ihren Erläuterungen zu Fragen des Umgangs mit Bildern und Fotografien (April 2018) lassen sie die Frage bewusst offen:
»Als Hilfestellung bei der Interessenabwägung können unabhängig davon, ob das Kunsturhebergesetz (KUG) neben dem KDG Anwendung findet, zumindest die dort genannten Kriterien und die dazu ergangenen Entscheidungen der Gerichte dienen.«
Die KDSA Ost hat in ihrem Tätigkeitsbericht 2018 den Sachstand mit Blick auf die DSGVO und die Rechtsprechung des BAG referiert, scheint aber sehr deutlich der Ansicht zu sein, dass es sich im Bereich des KDG genauso verhält. Auf das KUG könne unmittelbar nur im Rahmen des Medienprivilegs aus § 55 KDG zurückgegriffen werden, wenn es keine andere Rechtsgrundlage gibt, richte sich »die Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung nach den Vorschriften des Art 6 DSGVO (§ 6 KDG, § 6 DSG-EKD)«. Ein Rückgriff auf das KUG sei »nicht mehr zulässig«.
Das KDSZ Dortmund zeigte sich im selben Jahr skeptisch, ob das KUG noch anwendbar ist:
»Die zukünftige Anwendbarkeit des Kunsturhebergesetzes bzw. einzelner Regelungen daraus aufgrund eines möglichen Vorrangs der Regelungen der DSGVO und damit des KDG ist zumindest noch nicht abschließend geklärt und daher als nicht sichere Rechtsgrundlage zu bewerten.«
Im Ergebnis sollte man beim KDG also davon ausgehen, dass das KUG grundsätzlich nicht anwendbar ist und lediglich die Ausnahmetatbestände als Kriterien in einer Interessenabwägung herangezogen werden können.
Anders sieht es im Bereich des Medienprivilegs aus. § 55 KDG legt fest, dass Verarbeitungen zu journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken vom Datenschutzrecht weitgehend ausgenommen sind. Ein Vorrang des KUG unterläuft damit das in § 55 KDG für die Medien angesetzte Datenschutzniveau nicht, das KUG ist also in diesem Bereich anwendbar – so wie es auch unter der DSGVO im Rahmen der Öffnungsklausel von Art. 85 DSGVO anwendbar ist, jedoch nicht für die im KDG nicht genannten wissenschaftlichen und künstlerischen Zwecke.
Fazit
Sieben Jahre nach Wirksamwerden der DSGVO ist das KUG und seine Geltung immer noch in weiten Teilen ungeklärt. Das ist unbefriedigend. Zugleich stellt es aber auch eine Entwarnung für die Praxis dar, wenn es anscheinend kaum Anlässe gab, diese Frage gerichtlich zu klären und das Thema bei den Aufsichten in jüngeren Veröffentlichungen keine Rolle mehr spielt.
Im kirchlichen Datenschutz zeigt sich, dass man nicht alles direkt übernehmen kann, was im Bereich der DSGVO gilt, und dass es substantielle Unterschiede zwischen KDG und DSG-EKD gibt. Im evangelischen Recht kann das KUG wohl uneingeschränkt immer angewandt werden – spannend bleibt die Frage, ob außer dem KUG auch beliebige andere Rechtsgrundlagen aus dem DSG-EKD angewandt werden können, um Bilder von Menschen zu veröffentlichen. Im katholischen Recht herrscht dagegen weitgehend Gleichklang mit der DSGVO: Das KUG wird zu einer Spezialmaterie für Bildveröffentlichungen zu journalistischen und literarischen Zwecken – nicht aber für die nicht erwähnten künstlerischen und wissenschaftlichen Zwecke.