Solide konfessionelle Milieus haben Vorteile: Wo’s die gibt, braucht man sich nicht um Rechtsfragen der Ökumene zu kümmern Monokonfessionelle Milieus gibt’s aber immer weniger, das Bewusstsein und der Bedarf für die Zusammenarbeit aller Christ*innen immer mehr, und dementsprechend auch immer mehr ökumenische institutionelle Kooperationen: Besonders im sozialen Bereich gibt es viele Einrichtungen in ökumenischer Trägerschaft: Dem Selbstverständnis nach christlich, aber eben nicht nur einer Gemeinschaft zugehörig. Das wirft rechtliche Fragen auf, auch für den Datenschutz: Gilt kirchliches Recht – und wenn ja welches?
Im Bereich des Datenschutzes sind die konfessionellen Gesetze wenig hilfreich; dort kommen solche Konstruktionen schlicht nicht vor. Die jeweiligen Festlegungen zum organisatorischen Anwendungsbereich gehen von Stellen aus, die zu genau einer Kirche gehören. Was zu gelten hat, wenn eine Institution evangelisch und katholisch getragen wird, und das womöglich noch zu gleichen Gesellschaftsanteilen, ist ungeklärt. Mit Blick auf das kirchliche Arbeitsrecht hat sich der ehemalige Präsident des Kirchen- und des Verfassungsgerichtshofs der EKD Harald Schliemann in der aktuellen Ausgabe der ZMV (4/2021, S. 182–185) mit der Frage ökumenischer Trägerschaft befasst – ein Aufsatz, der zwar nicht vom Datenschutzrecht handelt, aber doch auch dafür erhellend ist.
Im Beispiel von Schliemann geht es um ein kirchliches Krankenhaus, das zu gleichen Teilen in Trägerschaft des (katholischen) Malterserordens und einer Einrichtung der evangelischen Landeskirche ist. Soll dort kirchliches Recht angewendet werden, muss der Anwendungsbereich des ins Grundgesetz aufgenommenen Kirchenartikels 137 WRV eröffnet sein. Ohne Zuordnung zu einer Kirche kann kein kirchliches Recht angewendet werden – und der Singular ist das Problem, an dem alles hängt: Können Einrichtungen, die mehreren Kirchen zugeordnet sind, das Selbstverwaltungsrecht geltend machen?
Die Kirchen legen ihre Zuordnungsregeln, also welche Einrichtung kirchlich ist, selbst fest – für den Datenschutz tun sie das in § 3 KDG und § 2 Abs. 1 DSG-EKD, und das in beiden Fällen mit Blick auf Stellen der jeweiligen Konfession: »Ein transkonfessionelles, das heißt mehrere Religionsgesellschaften oder Kirchen mit unterschiedlichen Bekenntnissen gemeinsam umfassendes Selbstbestimmungsrecht im Sinne des Art. 137 WRV ist wegen der Bekenntnisunterschiede nicht vorstellbar«, so Schliemann. Dabei bleibe es auch; um kirchlich zu sein, müsse eine Kirche einen »hinreichend prägenden« Einfluss auf die Führung der Einrichtung haben.
In der Rechtsprechung des BVerfG findet Schliemann keine Hinweise darauf, dass das Gericht gleichberechtigte, nicht eindeutig konfessionell beherrschte ökumenische Stellen am Selbstbestimmungsrecht teilhaben lassen will. Als möglich erachtet er dagegen eine satzungsmäßige Festlegung – und zwar unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen. Dabei genüge es allerdings nicht, lediglich das anzuwendende Recht zu benennen, stattdessen muss der »glaubensprägende Einfluss« einer Konfession festgehalten werden. Die federführende Konfession müsse dann auch die Auswahl der Führungskräfte nach ihren Kriterien besorgen, aber immerhin sei es zulässig, der anderen Konfession ein Vetorecht einzuräumen.
Fazit
Schliemann selbst weist darauf hin, dass seine Erwägungen noch weiterer Durchdringung bedürfen – angesichts der nun doch etwas längeren Geschichte der Ökumene in Deutschland verwundert es zwar, dass solche grundlegenden Rechtsfragen noch nicht geklärt sind. Aber so ist es wohl. Mit Blick aufs Datenschutzrecht zeigt sich – ähnlich wie bei der Frage der gemeinsamen Verantwortlichkeit – dass auch bei neueren Gesetzgebungsvorhaben die Ökumene noch nicht mitgedacht wird. (Immerhin die innerkatholische Pluralität ist mitbedacht – § 45 Abs. 1 KDG legt wenigstens ein Verfahren fest, wie bei bistumsübergreifenden Konstellationen oder solchen, bei denen Orden päpstlichen Rechts mit ihrem eigenen Datenschutzrecht beteiligt sind, mit Blick auf die Zuständigkeit der Aufsicht vorgegangen wird.)
Das Europarecht ist auch keine Hilfe: Art. 91 DSGVO spricht von »eine[r] Kirche oder eine[r] Religionsgemeinschaft« und verweist auf die nationalen staatskirchenrechtlichen Regelungen. Immerhin: Die Formulierung, dass sich Religionsgemeinschaften auch spezifischen Aufsichten unterwerfen können, eröffnet die Möglichkeit, hier wohl eindeutig zulässige Kollisionsregeln ins Gesetz zu schreiben. (In Polen haben beispielsweise mehrere evangelische Kirchen eine gemeinsame Aufsicht eingerichtet.) Wenn man denn wollte.
Die aktuelle Rechtslage ist unbefriedigend – sowohl, was das Staatskirchenrecht angeht, als auch mit Blick auf die kirchlichen Gesetze, die ökumenische Fragen nicht regeln. Die von Schliemann vorgeschlagene Lösung – federführende, tatsächlich prägende Kirche als prägend in der Satzung festlegen, Vetorecht für die andere Gesellschafterin – eröffnet immerhin einen Weg, um ökumenische Trägerschaften zu gestalten. Auch wenn dann mehr Ökumene draufsteht als rechtlich drin ist.