Kündigung nach Kirchenaustritt – mit Steuerdaten?

Auch nach der Reform der katholischen Grundordnung des kirchlichen Dienstes bleibt der Kirchenaustritt von Katholik*innen ein Kündigungsgrund. Ob das rechtens ist, entscheidet wohl bald der EuGH. Mindestens bis dahin stellt sich die Frage, wie kirchliche Arbeitgeber überhaupt vom Kirchenaustritt erfahren – und ob sie ihr Wissen verwenden dürfen.

Ein transparentes Notausgang-Schild, dahinter unscharf und bunt ein Gang
Kirchenaustritt und kirchliches Arbeitsverhältnis – eine konfliktreiche Kombination (Bildquelle: Ashwini Chaudhary(Monty) auf Unsplash, bearbeitet)

Vorhanden sind die Daten zur Kirchenmitgliedschaft in jedem Unternehmen: In der Lohnbuchhaltung liegen die vom Finanzamt übermittelten Daten zur Kirchensteuer vor. In einem Gastbeitrag befasst sich der Leiter der KDSA Ost Matthias Ullrich damit, ob diese Daten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen dazu genutzt werden dürfen, um Kirchenaustritte arbeitsrechtlich zu sanktionieren.

Kündigung nach Kirchenaustritt vor Gericht

Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion“ – bereits in unserem Tätigkeitsbericht 2022 hatten wir unter dieser Überschrift darüber berichtet, dass das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt hat, ob eine der katholischen Kirche zugeordnete Arbeitgeberin Beschäftigte allein deshalb als ungeeignet ablehnen darf, weil sie aus der katholischen Kirche ausgetreten sind (BAG, Beschluss vom 21. 7. 2022 – 2 AZR 130/21).

Fall Hebamme ohne EuGH erledigt

Der Frage lag der Fall einer Hebamme zugrunde, die zunächst bei der Arbeitgeberin beschäftigt war und sich dann selbständig machte. Im Zeitraum der Selbständigkeit ist sie aus der katholischen Kirche ausgetreten. Dann bewarb sie sich erneut bei der Arbeitgeberin und wurde von dieser wieder eingestellt. In dem Personalbogen, den sie zusammen mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag abgab, hatte sie ihren Kirchenaustritt angegeben, die Arbeitgeberin bemerkte dies jedoch zunächst nicht. Erst im Laufe der Probezeit wurde der Kirchenaustritt wahrgenommen, was im Ergebnis zur Kündigung der Arbeitnehmerin führte.

Nachdem das BAG den EuGH angerufen hatte, fand eine mündliche Verhandlung vor der Großen Kammer des EuGH statt. Später erkannte die Arbeitgeberin an, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch die Kündigung nicht beendet worden sei. Damit war der Rechtsstreit beendet und der EuGH musste (und durfte) über die Vorlagefragen des BAG nicht mehr entscheiden.

Fall Schwangerenberatung geht zum EuGH

Welche Bedeutung diese Fragen aber im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen in der Kirche haben, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass es nunmehr einen weiteren, gleichgelagerten Fall gibt, in dem das BAG ebenfalls wieder dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

Das BAG (Beschluss vom 1. 2. 2024 – 2 AZR 196/22) fragt, ob es mit Unionsrecht vereinbar sei, wenn eine nationale Regelung vorsieht, dass eine private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht, von ihren Beschäftigten verlangen kann, während des Arbeitsverhältnisses nicht aus einer bestimmten Kirche auszutreten, wenn sie von anderen Beschäftigten nicht verlangt, dieser Kirche anzugehören und die für sie arbeitende Person sich nicht öffentlich wahrnehmbar kirchenfeindlich betätigt.

Weiterhin fragt das BAG, ob eine Arbeitgeberin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen darf, dass ausgetretene Beschäftigte der Kirche wieder beitreten.

Dem Vorlagenbeschluss lag diesmal der Fall einer Arbeitnehmerin zugrunde, die in einem Frauen- und Fachverband der katholischen Kirche arbeitet, zu dessen Aufgaben u. a. die Beratung von schwangeren Frauen gehört. Die Arbeitnehmerin erklärte während ihrer Elternzeit im Oktober 2013 vor einer kommunalen Behörde ihren Austritt aus der katholischen Kirche. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Elternzeit am 1. Juni 2019 außerordentlich ohne Einhaltung einer Frist, hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2019. Zuvor hatte er erfolglos versucht, die Arbeitnehmerin zum Wiedereintritt in die katholische Kirche zu bewegen. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte der Arbeitgeber neben vier katholischen auch zwei evangelische Arbeitnehmerinnen.

Vor den Gerichten verhandelt wird der Fall des Kirchenaustritts, weil er im kirchlichen Arbeitsverhältnis direkt arbeitsrechtliche Folgen entfaltet. Dass es dazu auch innerkirchlich unterschiedliche Meinungen gibt, ist in dem eingangs genannten Artikel in unserem Tätigkeitsbericht dargestellt. Wenn Beschäftigte der Arbeitgeberin ihren Kirchenaustritt freiwillig selber mitteilen, beschränkt sich das Problem der Wirksamkeit einer deswegen ausgesprochenen Kündigung auch auf arbeitsrechtliche Fragen.

Teilen Beschäftigte ihren Kirchenaustritt nicht selber mit, ist eine Betrachtung aus datenschutzrechtlicher Sicht interessant.

Kirchenaustritt und Datenschutz

Auch wenn § 4 Nr. 2 KDG die Kirchenmitgliedschaft ausdrücklich von der Qualifikation als personenbezogenes Datum besonderer Kategorie ausnimmt, handelt es sich aber immer noch um ein personenbezogenes Datum gem. § 4 Nr. 1 KDG. Diese dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn es dafür eine rechtliche Grundlage gibt.

Nach § 53 Abs. 1 KDG dürfen

personenbezogene Daten eines Beschäftigten einschließlich der Daten über die Religionszugehörigkeit, … für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.“

Damit besteht grundsätzlich eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung dieses personenbezogenen Datums. Aus datenschutzrechtlicher Sicht stellt sich aber die Frage, wie Arbeitgeberinnen vom Kirchenaustritt Beschäftigter erfahren (dürfen).

Gibt es eine Pflicht zur Mitteilung des Kirchenaustritts durch Beschäftigte selber?

Arbeitnehmer sind verpflichtet, der Arbeitgeberin solche Umstände von sich selbst mitzuteilen, die sie daran hindern, ihre dienstvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Eine Kraftfahrerin, die ihre Fahrerlaubnis verliert, muss dies der Arbeitgeberin mitteilen, weil sie dadurch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann. Andererseits sind als schwerbehindert anerkannte Beschäftigte nicht verpflichtet, diesen Umstand der Arbeitgeberin mitzuteilen, solange sie die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung erfüllen können. Gleiches gilt für schwangere Beschäftigte. (Siehe dazu Ullrich, Beschäftigtendatenschutz in der katholischen Kirche, Rn. 187ff., S. 311ff.)

Gleiches muss auch für die Kirchenmitgliedschaft gelten. Wenn sich aus dem Arbeitsvertrag eine Verpflichtung ergibt, Mitglied der katholischen Kirche zu sein, wird eine Mitteilungsverpflichtung dann bestehen, wenn die Bedingung auf der Grundlage kirchenrechtlicher Regelungen rechtmäßig in den Vertrag aufgenommen worden ist. Das wäre der Fall, wenn es für die Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen erforderlich ist, katholisch zu sein. Dies ist unbestritten bei pastoralen und katechetischen Tätigkeiten der Fall (Grundordnung § 3 Abs. 3) und bei Personen, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren (Grundordnung § 4 Abs. 4). Um die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erfüllen zu können, ist in solchen Fällen die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche unabdingbar. Das heißt aber auch, dass solche Tätigkeiten konfessionslosen Personen oder solchen mit anderem Bekenntnis nicht übertragen werden können. Betraut der Arbeitgeber aber bekenntnislose oder Personen anderen Bekenntnisses mit einer Tätigkeit, macht er deutlich, dass die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche nicht arbeitsvertraglich geschuldet wird. Beschäftigte können ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung also erbringen, ohne Mitglied der Kirche zu sein. Damit besteht auch eine Offenbarungspflicht nicht.

Ist eine Mitteilung des Kirchenaustritts durch die Gehaltsstelle zulässig?

Bei der Einstellung von Beschäftigten werden die personenbezogenen Daten, die für die Gehaltsabrechnung erforderlich sind, händisch in das Stammblatt der Beschäftigten bzw. in das Abrechnungssystem übertragen. Sofern Bewerbende ihre Konfession angegeben haben, wird diese in das Stammblatt übernommen. Die Kenntnis der Religionszugehörigkeit war erforderlich für die Einbehaltung der Kirchensteuer durch den Arbeitgeber. Jedoch ist es seit Einführung des ELStAM-Verfahrens durch die Finanzämter nicht mehr erforderlich, dass Arbeitgeberinnen die Religionszugehörigkeit abfragen. Liegen keine Angaben zur Religionszugehörigkeit von Beschäftigten vor, kann für das Abrechnungssystem „konfessionslos“ angegeben und an das Finanzamt weitergemeldet werden. Sollte beim Finanzamt ein Religionsmerkmal hinterlegt sein, wird dieses über das ELStAM-Verfahren automatisch in die Gehaltsabrechnung eingepflegt. Die vorherige Angabe wird damit überschrieben. Zwar bekommt die Gehaltsabrechnungsstelle in diesem Fall eine namentliche Änderungsmitteilung vom Finanzamt, aus dieser geht aber nicht hervor, was konkret sich bei der benannten Person geändert hat. So verhält es sich auch, wenn Beschäftigte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses aus der Kirche austreten. Auch in diesem Fall wird das Steuermerkmal vom Finanzamt geändert und automatisch über das ELStAM-Verfahren in das Gehaltsabrechnungssystem eingespielt. Auch hier geht aus der der Gehaltsabrechnungsstelle übermittelten Änderungsmeldung nicht hervor, welche konkrete Änderung vorgenommen worden ist. Um dies zu erfahren, müsste von den Beschäftigten der Gehaltsabrechnungsstelle direkt in die Abrechnung einzelner Mitarbeitenden Einsicht genommen werden.

Der Zweck der Übermittlung der Lohnsteuerabzugsmerkmale vom Finanzamt an die Arbeitgeberin ist auf die Einbehaltung der Lohn- und Kirchensteuer beschränkt. Die Verwendung für andere Zwecke stellt eine Zweckänderung dar. Eine solche Zweckänderung müsste durch einen in § 6 Abs. 2 KDG genannten Grund gerechtfertigt sein.

In Betracht kommen könnte hier einzig eine Zweckänderung gem. § 6 Abs. 2 lit. j) KDG. Danach ist die Verarbeitung für einen anderen Zweck rechtmäßig, wenn „der Auftrag der Kirche oder die Glaubwürdigkeit ihres Dienstes dies erfordert“.

Dieser Auffangtatbestand ist restriktiv anzuwenden.

Der Auftrag der Kirche wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass im kirchlichen Dienstverhältnis jemand beschäftigt wird, der nicht der katholischen Kirche angehört, zumindest sofern auf vergleichbaren Positionen nicht oder anders konfessionelle Beschäftigte tätig sind oder sein können.

Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Zweckänderung für die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes erforderlich sein sollte. Wenn Beschäftigte ihren Kirchenaustritt „in aller Stille“ vollziehen, kann dies keinen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der Kirche oder ihres Dienstes haben, weil niemand davon weiß.

Wenn die Bischöfliche Erläuterungen zum kirchlichen Dienst unter Art. 7 Rn. 5 feststellen,

Mitarbeitende, die katholisch sind und während ihrer Tätigkeit bei einer katholischen Einrichtung aus der katholischen Kirche austreten, müssen sich fragen, ob sie weiterhin bei der Kirche arbeiten wollen.“

stellt dies vielleicht die Glaubwürdigkeit und Konsequenz der Mitarbeitenden in Frage, aber nicht die der Kirche.

Wenn die Kirche auf anderem rechtmäßigen Weg vom Austritt erfährt, mag es arbeitsrechtlich möglich sein, betreffende Beschäftigte zu kündigen. Insoweit wird die Regelung des Art. 7 Grundordnung sowie die dazu ergangenen Bischöfliche Erläuterungen zum kirchlichen Dienst an dieser Stelle nicht infrage gestellt und die arbeitsrechtliche Wertung wird durch den EuGH vorgenommen werden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist aber eben nicht jedes Mittel recht, um den Sachverhalt eines möglichen Kirchenaustritts festzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn für die Feststellung regelmäßig die Steuermerkmale aller Beschäftigten geprüft werden müssten, um ausgetretene zu ermitteln.

Für die Verwendung dieser Daten für arbeitsrechtliche Sanktionen fehlt deshalb eine Rechtfertigung nach dieser Vorschrift. Eine Zweckänderung ist deshalb nicht rechtmäßig.

Beschäftigte der Gehaltsstelle sind also nicht berechtigt, Daten, die vom Finanzamt für die korrekten Steuerberechnungen übermittelt worden sind, für arbeitsrechtliche Zwecke auszuwerten.

Ist eine Mitteilung des Kirchenaustritts durch die Meldestelle zulässig?

Ein Kirchenaustritt ist abhängig vom Bundesland vor dem Standesamt oder dem Amtsgericht zu erklären. Die jeweilige Behörde erteilt der staatlichen Meldebehörde sowie der Kirche, aus der ausgetreten worden ist, eine beglaubigte Abschrift der Austrittserklärung. Von der staatlichen Meldebehörde wird zusätzlich der Austritt automatisch in die Meldedatei des zuständigen Bistums übertragen. Der Zweck der Mitteilung besteht darin, dass die Kirche die Ausgetretenen aus ihrer Mitgliederdatei löschen kann. Die Mitteilung durch das Standesamt oder das Amtsgericht an die Kirche ist für diesen Zweck erforderlich. Insoweit ist auch hier eine Zweckbestimmung getroffen. Diese wird durch § 42 Abs. 1 Nr. 10 BMeldG konkretisiert.

Die Meldebehörde darf einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft … zur Erfüllung ihrer Aufgaben, nicht jedoch zu arbeitsrechtlichen Zwecken folgende Daten ihrer Mitglieder auch regelmäßig übermitteln:

10. rechtliche Zugehörigkeit zu der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft“

Beschäftigte der Meldestelle oder andere Beschäftigte, die von einem Kirchenaustritt durch Mitteilung eines Standesamtes oder eines Amtsgerichtes erfahren, dürfen diese Daten nicht an andere weitergeben, die damit eine dem ursprünglichen Zweck entgegenstehende Absicht verfolgen, insbesondere arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Zusammenfassung

  1. Beschäftigte sind nur dann verpflichtet, ihren eigenen Kirchenaustritt der Arbeitgeberin anzuzeigen, wenn die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zwingend erforderlich ist. Das ist zumindest dann nicht der Fall, wenn auf vergleichbaren Positionen Personen beschäftigt sind, die der katholischen Kirche nicht angehören.
  2. Die Gehaltsstellen erhalten Informationen von Finanzbehörden nur für ordnungsgemäße Berechnung und Abwicklung der Steuerpflicht. Eine Weitergabe dieser Daten für andere Zwecke ist untersagt
  3. Die Kirchen erhalten Austrittsmitteilungen von Standesämtern oder Amtsgerichten nur für die Pflege ihrer Mitgliederlisten. Eine Verarbeitung dieser Daten für arbeitsrechtliche Zwecke ist ausgeschlossen.

Ergebnis

Die Kirchenmitgliedschaft ist ein personenbezogenes Datum, welches gemäß § 53 Abs. 1 KDG für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich verarbeitet werden darf. Die Tatsache des Kirchenaustritts von Beschäftigten darf aber nur dann zu arbeitsrechtlichen Zwecken verarbeitet werden, wenn die Arbeitgeberin die Information darüber auf rechtmäßigem Weg erlangt hat. Dies dürfte praktisch nur dann der Fall sein, wenn Beschäftigte diesen Sachverhalt selber mitteilen.

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