Das lange Schweigen der EKD-Kirchengerichte scheint wirklich ein Ende zu haben: Kurz nach den ersten vier Fällen publiziert die Geschäftsstelle einen weiteren Fall. Zum materiellen Datenschutzrecht wird über die Frage nach dem Begriff der Offenlegung an Dritte hinaus nicht viel gesagt, wieder einmal geht es vor allem um die Klärung von Prozessen.
So schön die neue Transparenz der evangelischen Verwaltungsgerichte ist: Der Blick in die Entscheidung wirft hinsichtlich der Sorgfalt und Qualität der Rechtsprechung doch einige Fragen auf. (Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland, Beschluss vom 25. August 2021, Az. 0136/A19-2020, rechtskräftig.)
Der Fall
Eine AGG-Beschwerdestelle hat Informationen zum Bescheid einer Beschwerde an den Vorstand der Diakonie weitergegeben, die die Stelle eingerichtet hat. Dagegen wandte sich die Person, die bei ihrer Beschwerde ausdrücklich einer Datenweitergabe an Dritte widersprochen hatte. Die Datenschutzaufsicht konnte keinen Datenschutzverstoß erkennen: Verantwortliche Stelle für das AGG-Beschwerdeverfahren sei der Vorstand der Diakonie, die AGG-Beschwerdestelle sei nur eine von ihr dazu eingerichtete Stelle, eine Weitergabe an Dritte habe bei dem gerügten Fall also nicht vorgelegen. Gegen diese Entscheidung wurde geklagt mit dem Ziel, doch noch einen Datenschutzverstoß festzustellen, und zwar konkret, »dass die Weiterleitung einer Bescheidung der AGG-Beschwerdestelle an seinen früheren Dienstvorgesetzten der Diakonie, Herrn E, gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hat«.
Reichweite der gerichtlichen Überprüfung der Aufsicht
Das EKD-Kirchengericht sieht seine Aufgabe grundsätzlich in der Prüfung, »ob sich die Aufsichtsbehörde mit der Beschwerde befasst, den Beschwerdegegenstand angemessen untersucht und den Beschwerdeführer über das Ergebnis der Prüfung unterrichtet hat«. Offen bleibt, ob das Gericht selbst einen Datenschutzverstoß feststellen kann und die Aufsicht zu einer Neubescheidung verurteilt werden kann. »Grundsätzlich ist der Betroffene allerdings gehalten, sein verletztes Datenschutzrecht gegenüber der verantwortlichen Stelle, hier dem Beigeladenen zu verfolgen«, ergänzt das Gericht. Im vorliegenden Fall sieht das Gericht kein Versäumnis bei der Datenschutzaufsicht.
Kein Datenschutzverstoß, da keine Offenlegung an Dritte
Einen eindeutigen Datenschutzverstoß kann die Kammer nicht feststellen und folgt insofern dem Vortrag der Aufsicht: Die Weitergabe des Prüfungsergebnisses an einen Vertreter des Diakonievorstands war erforderlich und keine Weitergabe an Dritte. Der Ärger des Klägers ist trotzdem verständlich, da der Vertreter des Diakonievorstands – besagter Herr E – zugleich ein ehemaliger Vorgesetzter des Klägers war; das hielt das Gericht aber für unerheblich für die Entscheidung. Erheblich war, dass Herr E Teil des Vorstands der verantwortlichen Stelle ist.
Verwirrende Konstellation
Etwas unverständlich ist leider die genaue Konstellation. Während es am Anfang heißt, »die Diakonie« werde beigeladen, steht plötzlich dieser Satz in den Entscheidungsgründen: »Zwar ist die Diakonie eine gemeinnützige GmbH, während die Beigeladene ein eingetragener Verein ist.« An anderer Stelle: »Hier sprechen die personellen Verflechtungen der Führungsorgane für eine Einflussnahme der Beigeladenen auf das laufende Geschäft der 100%igen Tochtergesellschaft Diakonie.« Mal ist von der AGG-Beschwerdestelle der Beigeladenen die Rede, mal von der beigeladenen AGG-Beschwerdestelle, oben ist die Diakonie »der Beigeladene«, unten wird von »die Beigeladene« gesprochen, und irgendwann steht eine gemeinsame Verantwortlichkeit von AGG-Beschwerdestelle und der Beigeladenen im Raum, obwohl im Satz zuvor noch klar steht, dass die AGG-Beschwerdestelle keine eigenständige Verantwortlichkeit habe und »die wesentlichen Entscheidungen über Zweck und Mittel einer Datenverarbeitung […] weiterhin die verantwortliche Beigeladene« treffe.
Wie diese Ungereimtheiten aufzulösen sind, ist nicht klar: Gibt es mehrere Beigeladene? Sprechen dafür die unterschiedlichen Genera des*der Beigeladenen? Welche Relevanz hat die in einem Satz angerissene gesellschaftsrechtliche Konstellation? Ist das alles nur unverständlich verkürzt oder doch substantiell falsch? Der Verständlichkeit würde es sehr helfen, wenn wie bei den Entscheidungen anderer Gerichte das Rubrum inklusive der Parteien und der weiteren Beteiligten zwar anonymisiert, aber ansonsten vollständig aufgeführt würde, und der Tatbestand sauber herausgearbeitet würde, anstatt bei den Entscheidungsgründen plötzlich ganz neue Informationen aus dem Hut zu zaubern.
Schriftformerfordernis der Klage
Keinen Erfolg hatte der Vortrag der Aufsicht, dass die Klage nicht zulässig sei, da sie mit einer lediglich eingescannten Unterschrift eingereicht wurde. Grundsätzlich braucht es zwar eine eigenhändige Unterschrift. Das Gericht sah das Schriftformerfordernis aus § 23 VwGG EKD dennoch als »gerade noch« erfüllt an, da »Duktus und äußere Form« der Klage »dem Gericht aus anderen Verfahren des Klägers bekannten Schriftstücken« bekannt war. Das Schriftformerfordernis soll keine Schikane sein, sondern die Identität des Klägers zweifelsfrei belegen, das eröffne die Möglichkeit, auch die eingescannte Unterschrift zu akzeptieren. Ein Freibrief für diese Form ist die Entscheidung also nicht. Der Kläger hatte lediglich als wiederkehrender Kunde den Bonus der Wiedererkennbarkeit – im Zweifelsfalls sollte man den Aufwand einer händischen Unterschrift nicht scheuen. Die großzügige Handhabung zeugt von einer Nutzendenfreundlichkeit des Gerichts, wie sie auch die katholischen Datenschutzgerichte schon an den Tag gelegt haben.
Fazit
Im Ergebnis ist die Entscheidung der Verwaltungskammer sehr gut nachvollziehbar: Eine Offenlegung an Dritte liegt nicht vor, wenn es gar keine Dritten gibt. Im Fall einer AGG-Beschwerde – das steht nicht in den Entscheidungsgründen, sondern ist Vortrag der Aufsicht – ist es sogar erforderlich, dass die Beschwerdestelle das Ergebnis von Prüfungen an die Leitung weitergibt, damit diese auf Diskriminierungen reagieren kann.
Die Formulierung der Entscheidung wirft aber einige Fragen auf: Die unklare, um nicht zu sagen nachlässige Schilderung der Organisation der Einrichtung (oder der Einrichtungen?), in der sich der Fall abspielt, schafft mehr Verwirrung als dass sie zur Klärung von Rechtsfragen beiträgt. Das beginnt bei den geschilderten Unklarheiten in Bezügen (bis hinab zur Grammatik bei dem*der Beigeladenen) und endet bei der plötzlich etwas unmotiviert auftretenden gemeinsamen Verantwortlichkeit, die erst dann eingeführt wird, wenn schon recht eindeutig geklärt ist, dass stattdessen eigentlich nur die Annahme eines einheitlichen Verantwortlichen in Frage kommt. Hier täte dem Gericht mehr Sorgfalt gut.