Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest hat am Dienstag die neue JIM-Studie 2021 veröffentlicht. »JIM« steht für Jugend, Information, Medien. Die Studie ist eine der wichtigsten Jugendstudien in Deutschland und erhebt die Mediennutzung von Jugendlichen von 12–19 Jahren quantitativ.
Erstmals seit 2015 werden wieder Einstellungen zu Datenschutz dargestellt: »Im Rahmen der JIM-Studie 2021 wurde den Jugendlichen daher die Frage gestellt, wie sicher sie sich auf den unterschiedlichen Plattformen in Bezug auf den Schutz ihrer Daten fühlen«, heißt es. Die Ergebnisse sind überraschend – und zeigen vor allem noch mehr Forschungsbedarf auf.
Für die wichtigsten Plattformen WhatsApp, Snapchat, TikTok und Instagram wurde abgefragt, wie sicher sich Jugendliche in Bezug auf den Schutz ihrer Daten fühlen. Facebook ist auf Rang fünf und wird in Bezug auf Datenschutz nicht aufgeschlüsselt. Neben WhatsApp sind in den am meisten genutzten Online-Angeboten noch die Messenger Telegram, Signal und Threema aufgeführt, die 8, 6 beziehungsweise 4 Prozent der Befragten täglich oder mehrmals pro Woche nutzen – bei WhatsApp sind es 94 Prozent.
Zwischen den Plattformen gibt es nur graduelle Unterschiede: jeweils knapp 70 Prozent der Befragten fühlen sich auf der vierteiligen Skala sicher oder sehr sicher. WhatsApp hat mit 20 Prozent »sehr sicher« den höchsten Anteil in der höchsten Kategorie, Snapchat mit 11 Prozent den niedrigsten. Zugleich liegt WhatsApp mit 69 Prozent »sicher« oder »sehr sicher« im Mittelfeld, TikTok liegt mit 70 Prozent hier vorne, Schlusslicht sind Instagram und Snapchat mit jeweils 68 Prozent – also alles tatsächlich sehr graduell, und alles erstaunlich positiv.
Nach Alter differenziert steigt die negative Bewertung leicht: Bei den Zwölf- bis Dreizehnjährigen fühlen sich bei WhatsApp 59 Prozent sicher, bei den 18- bis 19 Jährigen 42 Prozent. Ähnlich sieht das Bild bei TikTok (64 Prozent zu 42 Prozent), Instagram (64 Prozent zu 48 Prozent) und Snapchat (68 Prozent zu 52 Prozent) aus, nach Geschlecht unterscheiden gebe es keine großen Unterschiede. In früheren Studien hatten männliche Jugendliche mehr Vorbehalte als weibliche, außerdem wurde nach Bildungsgrad unterschieden, wo Schüler*innen des Gymnasiums skeptischer als Realschüler*innen und die skeptischer als Jugendliche auf der Hauptschule sahen.
Zuletzt hatte wurden in den jährlich veröffentlichten JIM-Studien von 2010 bis 2015 Einstellungen zu Datenschutz und Datensicherheit dargestellt mit etwas anders erhobenen Daten. Unter anderem wurde nach der Datensicherheit in der wichtigsten Community gefragt. Die wurde 2015 ambivalent eingeschätzt: »So fühlen sich 47 Prozent sehr sicher oder sicher, 52 Prozent fühlen sich weniger oder gar nicht sicher. Vor allem die jüngsten und unerfahrensten Nutzer vertrauen ihrer Community sehr viel häufiger als die Älteren«, hieß es in JIM 2015. Die Anteile für einzelne Dienste in vergleichbarer Erhebung wie 2021 waren deutlich negativer: 47 Prozent derjenigen, die WhatsApp als wichtigste Community nannten, fühlten sich »sicher« oder »sehr sicher«.
Fazit
Anscheinend hat sich seit 2015 etwas verändert – entweder in der Methodik oder in der Einstellung von Jugendlichen, das geht aus der Studie nicht hervor. Jugendliche fühlen sich eher sicher auf ihren meistgenutzten Plattformen. Leider geben die Daten nicht her, was Jugendliche eigentlich unter Datenschutz und Datensicherheit verstehen – angesichts der positiven Ergebnisse wohl eher nicht das, was der klassische Datenschutz darunter versteht: alle untersuchten Dienste übertragen Daten in Drittländer, bis auf WhatsApp gibt es keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, Datensammlung und Adressbuchuploads sind in unterschiedlichem Grad Standard.
Jugendliche haben andere Privacy-Bedürfnisse, als der rechtliche Datenschutz gewähren kann. Die immer noch instruktive Studie »It’s complicated« von danah boyd zur Mediennutzung von »networked teens« hob schon 2014 hervor, dass für Jugendliche Freiräume vor der Überwachung durch Eltern, Lehrer*innen und andere Autoritäten mit direkter Macht über sie das wichtigste ist.
Anhand der veröffentlichten rein quantitativen Daten der JIM-Studie lässt sich leider nicht herausfinden, was Jugendliche meinen, wenn sie angeben, wie sicher sie sich fühlen, wo sie Unterstützungsbedarf haben und wie hier medienpädagogische und technische Angebote gestaltet werden müssten, die diese Bedarfe adressiert. Zu vermuten ist, dass soziale Faktore wie die Gefahr von Mobbing, Doxxing, die Weitergabe kompromittierender Fotos und Videos in der Lebenssituation von Jugendlichen deutlich problematischer sind als Drittlandsdatenübertragungen ohne Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission.
lieber Felix Neumann,
hier mal ein dickes Dankeschön für die stets aktuellen, umfangreichen und qualitativ hochwertigen Hinweise und Ausführungen!
Auch wenn die Zeit knapp ist, freue ich mich jedes Mal auf eine neue Ausgabe des Newsletters!
Beste Grüße!
Rudi Kramer
Vielen Dank, das freut mich sehr!
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