Gola/Heckmann und Sydow/Marsch zum Dritten

Die Kommentarlandschaft bleibt auch im Jahr 5 der DSGVO-Geltung bunt. Und anscheinend werden die Kommentare auch tatsächlich gekauft – sonst würden sie nicht in neuen Auflagen erscheinen. Zwei Standardwerke sind in diesem Spätjahr in dritter Auflage erschienen: Der Gola und der Sydow.

Der Sydow/Marsch und der Gola/Heckmann stehen nebeneinander aufgereiht vor einem Bücherregal.
Zwei Kommentare in dritter Auflage – jetzt auch noch mit BDSG-Kommentar.

Nicht nur die Zahl der Neuauflagen haben die Werke gemeinsam: Im Laufe der Zeit haben beide Werke einen Co-Herausgeber bekommen (Heckmann bei Gola, Marsch bei Sydow), beide kommentieren nun auch das BDSG. Ein Blick in die Kommentierung von Art. 91 DSGVO zeigt, dass es hier tatsächliche Fortschritte gibt: Auch wenn die Rechtsprechung direkt zu Art. 91 DSGVO nach wie vor fehlt, hat sich die Literatur zum kirchlichen Datenschutz doch deutlich diversifiziert.

Gola/Heckmann

In der zuletzt hier kurz besprochenen 1. Auflage war die Kommentierung noch sehr knapp. Die Literaturverweise wurden deutlich ausgebaut, von in der ersten Auflage drei auf nunmehr 30 Zeilen, unter Berücksichtigung auch aktuellster Literatur aus 2022. Zwar kennt die von Gola selbst besorgte Kommentierung jetzt auch das Datenschutzgesetz der Zeugen Jehovas, es heißt aber weiterhin, dass nur die beiden großen kirchlichen Datenschutzgesetze bestehen (Rn. 1). Auch später werden die Regelungen der Zeugen Jehovas noch einmal betrachtet; warum es speziell die dem Autor angetan haben, wird nicht ersichtlich. Die Reichweite kirchlicher Gesetzgebung wird dabei in den üblichen Bahnen weit gefasst: Mit dem Beispiel »Brauereien« werden nur kirchliche Einrichtungen davon ausgeschlossen, die »außerhalb des karitativen oder sonst zum kirchlichen Auftrag« tätig werden. (Rn. 6) Art. 91 wird vom Wortlaut her als Bestandsschutzklausel interpretiert (Rn. 8), ohne dass die Frage nach einer primärrechtskonformen Auslegung anhand von Art. 17 AEUV oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz aufgeworfen wird. Was die verschiedenen unbestimmten Rechtsbegriffe von Art. 91 DSGVO (Einklang, umfassende Regeln) angeht, wird dieselbe Position wie in den Vorauflagen eingenommen.

Gelungen sind die knappen Übersichten zu DSG-EKD (Rn. 15f.) und KDG (Rn. 17–20), die wesentliche Unterschiede zur DSGVO benennen und auch die diversen Nebengesetze im Blick haben sowie die Umsetzung von Einzelaspekten wie der Datenschutzaufsicht und – besonderes ausführlich – den Datenschutzbeauftragten, dazu kommen Ausführungen zum Beschäftigtendatenschutz. An der auf 500.000 Euro gedeckelten Höhe der Bußgelder wird vorsichtig Zweifel angemeldet (Rn. 43). Auch die DSG-EKD-Norm zur Videoübertragung kirchlicher Veranstaltungen (§ DSG-EKD) wird kritisch betrachtet, da dort lediglich die Erlaubnis festgehalten wird, nicht aber Schutzmaßnahmen.

In der Kommentierung von § 18 Abs. 1 BDSG kommt oft die Beteiligung der spezifischen Aufsichten zu kurz. Nicht hier – jedenfalls was den Umfang betrifft. Es ist keine Überraschung, dass die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel, die diesen Paragraphen kommentiert, hier die Position der Datenschutzkonferenz wörtlich zitiert.

Bewertung

Der Fortschritt im Vergleich zur ersten Auflage ist deutlich: Mittlerweile lässt sich aus der umfangreichen Literatur schöpfen. Die ausführliche Betrachtung der beiden großen Datenschutzgesetze macht die Anschaffung dieses Kommentars für die Praxis in kirchlichen Einrichtungen sehr lohnend. Eher knapp bleibt im Vergleich dazu die grundsätzliche kritische Kommentierung von Art. 91 DSGVO selbst.

Gola/Heckmann: DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, 1894 Seiten, 99 Euro.Affiliate link

Sydow/Marsch

Schon in der zweiten Auflage gehörte die Kommentierung von Ansgar Hense zu den besten und kenntnisreichsten. Das setzt sich nun in der dritten Auflage fort – wobei vorausgeschickt werden muss, dass angesichts der sehr freundlichen und wertschätzenden Erwähnung von artikel91.eu gleich in Rn. 1 der Rezensent von Anfang an wohlgestimmt wurde. Dieses Medium wird dabei erwähnt im Kontext der zunehmenden Publizität, die es seit Inkrafttreten der neuen Datenschutzgesetze gegeben hat – ein wesentlicher Fortschritt in der kirchlichen Rechtskultur. (Und wenn diese Unternehmung hier dazu beigetragen hat, freut es umso mehr.)

Fußnote 6: https://artikel91.eu/ (30. 10. 2021). Dieser von dem Journalisten Felix Neumann betriebene Blog ist neben den Homepages der kircheneigenen Datenschutzbehörden eine beständig aktualisierte Informationsquelle. Dem korrespondieren auch die Publizität der kircheneigenen Rechtsprechung zum Datenschutzrecht (vgl. Fessler KuR 2021, 134ff.). Die dem kircheneigenen Datenschutz früher nicht selten unterstellte Intransparenz, die zudem eine gewisse Verdachtshermeneutik auslöste, dass kircheneigenes Datenschutzrecht und dessen praktische Anwendung eher insuffizient seien, ist mit der DS-GVO einer Publizitätsoffensive ausgesetzt worden, die eine ziemlich hohe Transparenz zur Konsequenz hat. Hierdurch ist kircheneigener Datenschutz nicht nur beobachtbar, sondern kann zB auch wissenschaftlich in weit größerem Maße reflektiert werden.
Hense betont die »Publizitätsoffensive«, die es mit der DSGVO im kirchlichen Datenschutz gegeben hat, und erwähnt dabei freundlicherweise dieses Medium.

Im Vergleich zur Vorauflage sind die Änderungen sehr dezent, die Literatur wurde konsequent aktualisiert. Was auffällt: Ohne Einbußen bei Präzision und Gehalt wurde eine verständlichere Ausdrucksweise als in der Vorauflage verwendet. Nach wie vor sind die Ausführung zur vorigen Rechtslage und zur Entstehung der Norm ausführlich der Kommentierung des geltenden Rechts vorangestellt.

Hense bleibt auch einer der Kommentator*innen, die besonders sensibel für kollektive Religionsfreiheit und ihre Absicherung im EU-Recht sind. Der Schwerpunkt liegt daher, anders als bei Gola/Heckmann, nicht in der praktischen Betrachtung der kirchlichen Normen (schließlich leistet das für das KDG der ebenfalls von Sydow herausgegebene Kommentar), sondern auf der Kommentierung des eigentlichen Normtextes und seiner vielen unbestimmten Rechtsbegriffe, die im Kontext von nationalem und – wenn der Begriff erlaubt ist – EU-Religionsverfassungsrecht durchweg anspruchsvoll auszulegen sind.

Bei der Kommentierung von § 18 Abs. BDSG wird – mit dem Wortlaut der Norm – festgestellt, dass sich die Beteiligung der spezifischen Aufsichten auf Bereiche bezieht, in denen sie betroffen sind, aber: »Im Zuge einer wirksamen Beteiligung ist eine weite Interpretation dieser Betroffenheit geboten«, kommentiert Maria Wilhelm-Robertson, die auch als beisitzende Richterin am IDSG tätig ist. Hier wäre ein Hinweis auf die DSK-Position, die weniger großzügig auslegen will, hilfreich.

Bewertung

Henses Kommentierung von Art. 91 DSGVO ist für eine wissenschaftliche und insbesondere religionsverfassungsrechtliche Beschäftigung mit kirchlichem Datenschutzrecht der wohl beste Einstieg in der Kommentarliteratur, will man nicht auf die naturgemäß noch umfangreichere Diskussion in Sydows KDG-Kommentar zurückgreifen. Generell eignet sich der Sydow/Marsch durch den Aufbau der einzelnen Kommentierungen, der immer auch die Normentstehung thematisiert, eher für die wissenschaftliche Arbeit denn als einziger Kommentar für den Alltag von Datenschutzbeauftragten. Die Bezeichnung als »Handkommentar« bezieht sich auf immer größere Hände – und mit 189 Euro auch auf große Taschen. Der Preis dürfte wohl leider dazu führen, dass man es sich gut überlegt, den Kommentar aufgrund seiner Stärken in der Normentstehung als Zweitkommentar anzuschaffen.

Sydow/Marsch: DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, 2559 Seiten, 189 Euro.Affiliate link 

Fazit

Sowohl der Sydow/Marsch wie der Gola/Heckmann haben in ihren Neuauflagen ihre Art.-91-Kommentierungen stark aktualisiert und verbessert. Die Schwerpunktsetzung ergänzt sich: Legt der Gola/Heckmann so viel Augenmerk auf die einzelnen kirchlichen Datenschutzgesetze, dass die Kommentierung fast einen eigenen spezifischen Kommentar ersetzt, schafft der Sydow/Marsch eine solide Grundlage, um den oft dunklen Normtext selbst zu erhellen und seine vielfältigen Abhängigkeiten auszuloten.

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